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Magazin Interview Autofokus - kein Thema für Canon? Horst Schiller ist seit Anfang 1985 Geschäftsführer der Canon Vertretung für Fotoprodukte in der Bundesrepublik Deutschland. Horst Schiller ist sozusagen ein alter Fotohase", denn der jetzt 49jährige ist seit 20 Jahren in der feinmechanischen und optischen Branche in führenden Positionen tätig. Bevor er die Geschäftsführung von Canon Europhoto übernahm, war er 4 Jahre lang Generaldirektor der österreichischen Canon Tochter, wo er für alle Produktbereiche zuständig war. Seit die Minolta 7000 auf dem Markt ist, erwarten nicht nur Canon-Anhänger eine Autofokuskamera von Canon, die der Minolta Paroli bietet. Die T80 erfüllte die Erwartung nicht, die T90 kam gar ohne Autofokus auf den Markt. COLOR FOTO wollte vom Geschäftsführer der deutschen Canon-Tochter Canon-Europhoto Horst Schiller wissen, warum. COLOR FOTO: Herr Schiller, wann kommt Canon mit neuen Autofokus Reflexkameras? SCHILLER: Wir haben bereits eine Autofokus-Reflexkamera. COLOR FOTO: Ich meine aber ein komplettes neues Programm mit einer besseren Lösung als zur Zeit? SCHILLER: Wir glauben, es gibt vom Konzept her kaum etwas besseres als die T80 von Canon. Wir haben sicherlich als Unternehmen Canon die Zielsetzung zu versuchen, ein Autofokussystem anzubieten, das in zwei wesentlichen Bereichen besser ist als das, was heute existiert: das ist einmal die Geschwindigkeit des Autofokus-Einstellvorganges und das ist zum anderen, auch bei ungünstigen Lichtverhältnissen das Autofokussystem noch benutzen zu können. Wenn diese Forderungen in unserem Hause erfüllt werden, werden wir dem Markt auch Kameras, wie Sie sie erwarten, anbieten. COLOR FOTO: Der T80 als optimalem System - die einfache Kamera mit den Möglichkeiten der großen Spiegelreflex - steht doch wohl der Preis von 1.200 DM bis 1.300 DM etwas im Weg? SCHILLER: Die T80 ist keine einfache Kamera, sondern ein hochtechnisches Produkt, das im Computerbereich sicher ein Vielfaches kosten würde. Nur ist diese hochstehende Technik umgemünzt worden - zum einfachsten Gebrauch für den Fotografen. Wir verstecken die Technik in der Kamera und lösen seine Probleme auf die für ihn angenehmste Weise mit optimalen Bildergebnissen. Wir glauben, daß das Konzept dieser Kamera den wirklichen Bedürfnissen des Verbrauchers entspricht. COLOR FOTO: Sie sprechen sehr lobend vom Konzept der T80. Bei uns wurde im Normtest festgestellt, daß diese Canon Autofokuskamera der Minolta 7000 hinsichtlich der Scharfstellgenauigkeit mindestens ebenbürtig ist. Wieso hat die Minolta 7000 den größeren Erfolg, obwohl sie doch der Forderung nach der Vereinfachung des Fotografierens, die Sie sehr hoch bewerten, nicht in dem Maße nachkommt wie die T80? SCHILLER: Wenn wir über einen Erfolg auf dem Spiegelreflexsektor sprechen, messen wir das an den Verkäufen von Geräten. Wir können hier feststellen, daß die erfolgreichste Spiegelreflex in Deutschland 1984 die Canon T70 war, und merkwürdigerweise besitzt diese Kamera kein Autofokus. Die Kameras, die mit Autofokus gekommen sind, konnten sie nicht vom ersten Platz verdrängen und die T80 muß sich ihren Markt erst erobern. COLOR FOTO: Wie die T70 tritt auch die Canon T90 ohne Autofokus an. Anläßlich einer Pressekonferenz wurde gesagt, die T90 habe kein Autofokus, weil man bei Canon mit den momentan erzielbaren Ergebnissen nicht zufrieden ist. Das klingt ein bißchen nach der Geschichte vom Fuchs, dem die sauren Trauben zu hoch hängen...? SCHILLER: Das technische Konzept der Canon T90, das Gebrauchskonzept dieser Kamera ist nicht auf Autofokus ausgerichtet, sondern hat ganz andere Kriterien zum Inhalt. Wir haben bei der Präsentation der Kamera festgestellt, daß gerade der handwerklich interessierte Fotograf, der Bildberichterstatter und auch die Fotojournalisten, als sie die Kamera hatten gar nicht mehr auf den Gedanken kamen, mit uns über Autofokus zu sprechen. COLOR FOTO: An der Canon T80 und selbstverständlich auch an der T90 können alle FD-Objektive angesetzt werden. Das ist bei der Minolta 7000 nicht der Fall, aber bei der Nikon F 501 F wird die Kompatibilität gewahrt. Ist diese Systemkonformität wirklich so wichtig? SCHILLER: Foto als Hobby macht etwa 50 % des gesamten Fotomarktes aus- Fotografie also im Freizeitbereich. Wir wissen, daß die Freizeit heute eine immer größere Bedeutung erhält. Damit einher geht das größere Angebot an Freizeitgütern. Das heißt, das frei verfügbare Geld jedes einzelnen Verbrauchers teilt sich nun in mehrere Interessengebiete auf, und dabei ist es sehr wohl eine Überlegung, ob man, wenn man etwas neues kauft, das, was man hat, dazu weiter benutzen kann, oder ob man zusätzlich Geld ausgeben muß. Wir glauben, daß es bei unseren Produkten ein ganz wesentlicher Gesichtspunkt für die Kaufentscheidung ist, daß man das Gehäuse austauschen kann und dann über eine der modernsten Technologien verfügt, die es heute am Markt gibt- und das ganze System weiterhin verwendet werden kann. COLOR FOTO: Also macht es Nikon ganz richtig, indem man eine F-501 bietet, an der alle "alten" Nikkor-Objektive verwendet werden können? SCHILLER: Es steht mir nicht zu zu beurteilen, ob es richtig ist, was ein anderes Unternehmen macht. Allerdings haben wir unsere bestimmten Gedanken die nicht heißen sollen, daß bei einem neuen System, das Canon im Autofokus-Bereich entwickeln wird, immer diese Gedanken - wie sie eben vorgetragen wurden - gesichert sind. Es gibt Innovationen, es gibt neue Produkte, es gibt neue Marketing-Strategien, es gibt neue Ideen und es gibt neue Dinge zu überlegen. Wir sind da auch nicht festgefahren. COLOR FOTO: Es gibt schon jetzt neue Ideen, neue Automatiken, neue Kameras, in denen diese Ideen und Automatiken stecken, und diese Kameras kommen in sehr rascher Folge auf den Markt. Wann werden die Hobbyfotografen sich verulkt vorkommen - um es höflich auszudrücken - und denken: die Leute wollen mir etwas als neueste Technik verkaufen, von dem sie selbst wissen, daß es eigentlich schon überholt ist. Steht nicht der Moment vor der Tür, in dem die Hobbyfotografen diesen Reigen nicht mehr mitmachen? SCHILLER: Das geht ein bißchen einher mit dem gesamten Verbraucherverhalten. Der Verbraucher ist heute aus vielen Branchen gewohnt, daß die Lebenszyklen der Produkte kürzer geworden sind. Aber der erwachsene Verbraucher unterscheidet sehr wohl, ob eine Neuerung ein echter technischer Fortschritt ist, und er wird den echten technischen Fortschritt honorieren. Auch der Lebenszyklus der Kameras ist schneller geworden. Allerdings haben wir im Hause Canon recht langlebige Produkte, die A-1 wurde 1978 vorgestellt, die Canon AE-1 program 1981, die T70 1984 und nun 1986 die T90. Diese Lebensdauer einer Kamerageneration wird sich in der Zukunft sicher auch verkürzen auch deshalb, weil der Verbraucher in seinem Verhalten den technischen Fortschritt erwartet. COLOR FOTO: Die aktuelle Canon SLR-Palette spannt sich von der T50 bis zur T90 und damit von etwa 600 DM bis etwa 1.600 DM. Ist von Canon eine Kamera zu erwarten, die das untere Preissegment- sagen wir um die 400 DM - abdeckt? SCHILLER: Man kann das sicherlich heute nicht abschließend beurteilen, aber wenn wir von der Marktsituation in Deutschland ausgehen, ist festzustellen, daß in der unteren Preisklasse seit Jahren ein rückläufiger Trend festzustellen ist, und sich der Verbraucher eindeutig den höheren Preisklassen, den anspruchsvollen Geräten zuwendet. Wenn wir die Preisklasse über 1.000 DM nehmen, dann sind dort die stärksten Wachstumsraten. COLOR FOTO: Das wäre im Falle von Canon die Preisklasse zwischen T70 und T90, die ja mit fast 1.600 DM deutlich über der 1.000 DM-Grenze liegt. Wieviel T90 glauben Sie zu diesem Preis verkaufen zu können? SCHILLER: Wir glauben, daß etwa 20 bis 25 % der Verkäufe der T70 zusätzlich mit der T90 getätigt werden können. COLOR FOTO: Bleiben wir einen Moment bei den Preisen. Canon spricht für die Kameras unverbindliche Preisempfehlungen aus. Das ist selten in dieser Branche. Was hat Canon Europhoto zu solch einem Schritt veranlaßt? SCHILLER: Die Branche hat jahrelang rückläufige Verkaufszahlen gehabt, obwohl die Preise ständig gesenkt wurden. Wir sehen also in der Lösung des Problems "rückläufiger Markt" nicht den Preis. Wir sehen, daß interessante und zuverlässige Produkte den Verbraucher zur Kaufentscheidung motivieren. Wir sehen, daß die Qualität des Verkaufsservice - nämlich die Beratung - ein entscheidender Faktor in der Verbraucheransprache ist. Ein anderer Punkt ist, daß dem Verbraucher ein bißchen das Vertrauen in die Wertigkeit von Fotoprodukten verloren gegangen ist. Über Jahre wurde er verunsichert: Welchen Wert stellt das Produkt tatsächlich dar. In unserer Eigenschaft als bedeutender Kamerahersteller haben wir uns deshalb gesagt, wir müssen dem Verbraucher eine Orientierung geben. COLOR FOTO: Wie reagieren die Händler? SCHILLER: Die Umfrage einer Händlerzeitschrift hat ergeben, daß über 95,5 Prozent der befragten Händler diese Maßnahme begrüßen. COLOR FOTO: Die T90 ist von der Form her avantgardistisch im Vergleich zu herkömmlichen Reflexkameras. Welchen Einfluß hatte der Designer Luigi Colani auf die Formgebung? SCHILLER: Rufen wir uns die photokina noch einmal in Erinnerung. Wir haben dort sehr avantgardistische Formen ausgestellt, die sicherlich unter der Beteiligung von Herrn Colani entwickelt wurden. Auch bei der T90 hat Herr Colani eine gewisse Beteiligung, aber letztendlich haben die Techniker des Hauses Canon das endgültige Design bestimmt. COLOR FOTO: Bei der Form kam also ein bißchen Hilfe von außen. Kommt auch sonst Hilfe von außen - werden also Objektive oder Elektronikbausteine außer Haus gefertigt - oder macht Canon alles selbst? SCHILLER: Das Unternehmen Canon beschäftigt über 30.000 Mitarbeiter, und in der Forschung und Entwicklung sind es über 2.300. Der Fotobereich macht, trotz laufend steigender Umsätze, in unserem Gesamtumsatz etwa 25% aus. 75% unseres Umsatzes werden in anderen hochtechnologischen Bereichen erreicht. Dazu gehören die Kopiergeräte, elektronischen Schreibmaschinen, Rechner, gehören Computer, medizinische Diagnosegeräte und Meßgeräte, die man benötigt, um elektronische Chips überhaupt herstellen zu können. Ich sage das deshalb, um zum Ausdruck zu bringen, welch hohe technische Kompetenz im Hause Canon vorhanden ist, und hier befruchtet ein Bereich den anderen. COLOR FOTO: Es geht nicht nur um die Entwicklung - baut Canon alles selbst? SCHILLER: Canon ist auch in der Produktionstechnologie sehr fortschrittlich, und die letzte Fertigungsstätte in Japan, in Ohita, ist nahezu vollautomatisch in ihrem Produktionsprozeß. Hier wird ein ganz hoher Anspruch an die Produktionstechnik erfüllt, und damit ist auch die Eigenfertigung für Canon-Produkte gesichert. COLOR FOTO: Wenn, wie Sie eben sagten, so viele Canon-Mitarbeiter in der Forschung arbeiten, dann sitzt da sicher auch jemand, der sich mit dem Problem der elektronischen Stehbildaufzeichnung auseinandersetzt. Wann werden solche Kameras für den Endverbraucher für etwa 1.000 DM einschließlich Wiedergabegerät - zur Verfügung stehen, wenn man davon ausgeht, daß die Qualität etwa der Qualität eines Fernsehbildes entsprechen soll? SCHILLER: Wir haben eine Stehbildkamera vorgestellt, die als Überwachungskamera der Öffentlichkeit präsentiert wurde. Hier ist zu berücksichtigen, daß wir die Priorität dieser neuen Technologie im industriellen Bereich sehen. Die Bildqualität, die der Amateur heute zu günstigem Preis erhält, läßt sich im Videobereich noch nicht darstellen. Die Frage nach der O 1000-Mark-SteRbild-VideoPamera" läßt sich zur Stunde, so glaube ich, von niemandem, der verantwortlich eine Aussage zur Zukunft treffen will, beantworten. 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