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Firmenporträt Leitz
Die Nobelmarke
Keiner ist feiner in der Branche als Leitz. Mit ebenso eleganten wie kostspieligen Fotogeräten und einem strahlenden Image lockt das Konsum-ldol bei den Kameras Profis und Amateuren gleichermaßen. Doch nicht nur Fotoapparate sonnen sich in dem Slogan: "Leitz heißt Präzision weltweit", sondern auch Mikroskope, Meßgeräte und Zieleinrichtungen.
photokina 1986: Alle Welt spricht von Autofokus-Spiegelreflexkameras. Das high-technology AF-Duo Minolta und Nikon bleibt nicht länger allein. Doch auf den Erfinder des Prinzips, auf Leitz, wartet das Publikum noch vergebens. Immerhin geht die allenthalben euphorisch gefeierte Innovation auf den deutschen Hersteller zurück. Wieder einmal war es Leitz, der dem Fortschritt in Sachen Kameratechnik bereits vor zehn Jahren entscheidend auf die Sprünge half. Bereits 1976 stellten sie auf der photokina Correfot vor, das erste elektronische Scharfstellsystem in einer Spiegelreflexkamera. Allerdings funktionierte es noch ohne Motor. Beim manuellen Fokussieren signalisierten zwei Leuchtdioden die richtige Schärfe. Correfot war ein Abfallprodukt aus der Militäroptik, erste Patente in dieser Richtung wurden
bereits 1960 an Leitz vergeben. Freilich ist das nicht das einzige Verdienst, daß sich das 1865 von Ernst Leitz I übernommene Werk um die Fotografie erwarb. Es ging aus Carl Kellners Optischem Institut von 1849 hervor. Immerhin bescherte uns Leitz-Konstrukteur Oskar Barnack die Leica und legte damit den Grundstein für die damals neuartige Kleinbildfotografie, die
spontanes unbeschwertes "Reportage-Fotografieren" erst ermögliche. Die revolutionäre Kamera konstruierte Tüftler Barnack aus einem Apparat, mit dem er Belichtungsproben auf 35 mm Cinefilm machte.
Revolution aus Wetzlar: Die Leica
Gründersohn Ernst Leitz II, dem das Unternehmen durch seine Serienfertigung von Mikroskopen Ruhm, Ansehen und Geld verdankt, traf 1923 die für ihn und die Welt folgenschwere Entscheidung, die "Barnacksche Kleinkameras zu bauen, die fortan einen beispiellosen Siegeszug antrat. Die Leica war bereits zehn Jahre später zu einem Synonym für anspruchsvolle Amateur- und Profifotografie geworden. Den sensationellen Erfolg der Vorkriegs-Schraub-Leicas vermochte in
den Fünfziger Jahren die Leica M-Serie zu wiederholen. Doch später machte die neu erwachte japanische Konkurrenz den Wetzlarern das Leben Zusehens schwerer. Derart in die Enge getrieben, brachten die Leitzianer 1965 viel zu spät eine Spiegelreflexkamera auf den Markt, die überdies dank Außenmessung bereits bei ihrem Erscheinen ein alter Hut war. Obwohl stets weiterentwickelt, kamen die Leicas und Leicaflexe nicht mehr auf die einstigen Stückzahlen, bis dann die Rettung 1971 ausgerechnet aus Japan dämmerte. Man schloß einen Kooperationsvertrag mit Minolta. Eine rosigere Zukunft, nicht nur in technischer, sondern auch in kaufmännischer Hinsicht, versprach außerdem die von Gründer Urenkel Knut-Kühn-Leitz forcierte Fusion mit dem Schweizer Präzisionsgerätehersteller Wild Heerbrugg. Die Wild AG gehört ihrerseits zur finanzstarken Schmidheiny-Gruppe und übernahm im November 1985 auch noch die restlichen bislang im Familiensitz verbliebenen 44 Prozent von Leitz. Geschäftsführer der GmbH ist der Schweizer und Wild-Adlatus Urs Scherrer.
Heute sind die schweren Zeiten längst vergessen. Japanische
Technik verbunden mit deutscher Präzision half den Spiegelreflex-Leicas R3 und R4 auf die Sprünge, beide mit der damals einmaligen Umschaltung von Selektiv auf Integralmessung. Auch die Meßsucherkamera erfreut sich dank der komfortablen M6 mittlerweile einer stückzahlintensiven Renaissance.
Heute beschäftigt Leitz über 5000 Mitarbeiter weltweit in drei Werken Wetzlar, Vila Nova de Familicao (Portugal) und Midland (Canada). Sie erzeugen 4000 verkaufsfähige Artikel, die rund 500 Millionen Umsatz ( 1984) bringen. Freilich wird Geld nicht nur mit Kameras, Objektiven und Diaprojektoren verdient. Das Unternehmen unterscheidet drei Geschäftsbereiche: Foto, Instrumente und Sondergeräte. Gerade der Geschäftsbereich Instrumente kann ein paar Leckerbissen bieten, die den Fotokleinodien in nichts nachstehen wie das Ultraschallmikroskop Elsam, die rubinbestückte Portalmeßmaschine zur Toleranzvermessung, das Correvit-Geschwindigkeitsmeßsystem für Kraftfahrzeuge oder Inspektionsgeräte für die Halbleiterproduktion.
Synthese aus Optik, Mechanik und Elektronik
Dennoch legt Leitz Wert darauf keine Elektronikfirma zu sein sondern ein Unternehmen, das seine traditionellen Domänen Feinmechanik und Optik mit Elektronik verbindet. Trotzdem wird die echte Autofokus Leica auf dieser photokina nicht zu
sehen sein. Dafür gibt's aber viel Modellpflege und wahrscheinlich eine Reihe hochinteressanter lichtstarker Objektive. Außerdem wollen im Lohntal Gerüchte über eine neue mechanische Leica R-Version nicht verstummen. Das heißt nicht, daß man in Wetzlar den Kopf vor neuen Kameratechniken in den Sand steckt, das Gegenteil verkündet Geschäftsführungsmitglied Alfred Loew: "Wir sind sowohl in der AF-Technik als auch in der Entwicklung der elektronischen Bildaufzeichnung voll drin, werden aber erst dann mit einem Produkt einsteigen, wenn die optische Leistungsfähigkeit überlegen ist."
Alf Cremers in Color Foto 8/1986
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