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Firmenporträt
Minox
Klein und Fein
Die feinen, kleinen Cameras, so lautete ein berühmter Minox-Werbeslogan, und er trifft die Philosophie des Hauses auf den Punkt. Zwei Worte, eben diese Attribute klein und fein genügen, um Hersteller und Produkte kurz, aber treffend zu charakterisieren. Im Zeitalter von Massenproduktion und Gleichmacherei in der Kameratechnik haben sich Minox-Kameras ihren individuellen Appeal bewahrt.
"Made in Germany", jene Herkunftsbezeichnung von hochnäsigen Empire-Briten ursprünglich geschaffen, um in frühindustriellen Zeiten minderwertige Kontinentalware gegenüber einheimischen Qualitätsprodukten zu diskriminieren, hat sich längst zu einem Gütesiegel etabliert. Mit umgekehrter Wirkung für ihre Erfinder. Kameras tragen heutzutage nur noch selten diesen, von Konsumenten in aller Welt begehrten Schriftzug. Lediglich Rollei, Leitz (Leica M6), Robot, Linhof und natürlich Minox dürfen sich noch zurecht mit diesem wohlklingenden Attribut schmücken. Einzig Minox als größter deutscher Hersteller von Amateurkameras hält es noch in hohen Stückzahlen hoch.
Wie selbstbewußt die mittelständische Firma, im hessischen Heuchelheim bei Gießen beheimatet, das tut, beweist ein Verkaufsdisplay für die neue Einsteigerkamera, Minox 35 AL. "Made small in Germany", heißt es da, in schwarz, rot, gold gedruckt.
Miniaturisierung, unverwechselbare Individualität in Design und Technik und Fertigung in der Bundesrepublik Deutschland, dies sind die Grundfesten Minox'scher Firmenphilosophie seit dem Gründungsjahr 1945 und in Zukunft. Die einst größte Kameranation der Welt hat nicht mehr viel zu bieten, umso mehr muß das vorzeigbar sein, was sie hat und das kann sich bei Minox zweifellos sehen lassen. Wer an Minox denkt, der denkt an kleine Spionagekameras, die in zahlreichen Spielfilmen des Agentengenres von "Canaris" bis "007 James Bond" mitwirken und des Volkes Meinung über den Anwendungsbereich der kleinen Kameras aus Heuchelheim manifestierten. Doch nicht jeder, der eine der legendären Minox-Kleinstbildkameras vom Typ A, B oder C benutzt, hat damit Unrechtes im Sinn. Im Gegenteil: Gerade in den fünfziger und sechziger Jahren galt die Minox-Fotografie als schick und äußerst salonfähig.
Betuchte Zeitgenossen schmückten sich gerne mit der kleinen und schon damals nicht billigen Kamera, die in der Tat ein wenig wie ein Schmuckstück aussieht. Sie blieb nie zuhause und war demzufolge immer mit dabei wenn harmlose Schnappschüsse im Urlaub und in der Freizeit gemacht wurden. Als fotografisches Notizbuch, das ein Stückchen Leben festhält, ist sie einfach unschlagbar, die Minox Kleinstbildkamera, erst recht wenn sie LX heißt und mit einer fortschrittlichen Belichtungsautomatik aufwarten kann. Auch der Vater der Minox, Walter Zapp, gelernter Fotolaborant mit Ambitionen zum Erfinder, ahnte 1936 noch nicht zu welch zweifelhaften Taten die Menschheit später seine Minox als Werkzeug mißbrauchte. Als Baltendeutscher in Litauen baute er die Kamera in Riga, deshalb der Name Rigaer Minox für die Vorkriegsmodelle, im schweren Stahlgehäuse ausgeführt. Dort in Riga fand er auch einen elektrotechnischen Betrieb, den Radiogerätehersteller VEF, Valska Elektronisk Farbrika, den er als Produzent für seine Idee einer Kleinkamera gewinnen konnte.
VEF kooperierte auf wichtigen Märkten wie USA und Schweiz mit AEG. VEF konfektionierte auch die Schwarzweißfilme mit dem Bildformat 8x11 mm. Das Dritte Reich, hatte trotz aller obskuren Machenschaften von Gestapo und Propaganda-Apparat nichts mit der, für Spionagezwecke wie geschaffenen Kamera im Sinn. Sie kam lediglich zu repräsentativen Ehren als Geschenk für die Ritterkreuzträger der Luftwaffe.
Nach dem Krieg verschlug es Walter Zapp, dessen äußere Erscheinung mit langem, wallendem Haar und stets in schwarz gekleidet, schon das Genie verriet, nach Wetzlar.
Dort war der Zigarrenfabrikant Ludwig Rinn, Marke R&C (Rinn und Cloos) gerade auf der Suche nach einem zweiten Standbein für seinen Betrieb denn Zigarren gingen im Nachkriegsdeutschland schlecht, an das Rohmaterial Tabak war kaum heranzukommen. Erst die Währungsreform schuf die richtigen Rahmenbedingungen für den Aufschwung von Kamera und Zigarre. Die Minox GmbH wurde gegründet, die Rigaer Minox erfuhr eine gründliche Überarbeitung in ihrer neuen vorübergehenden Heimat Wetzlar. Das Gehäuse war jetzt nicht mehr aus schwerem, grauen Stahl, sondern aus einer hellen, freundlichen Aluminlumiegierung von seidenmattem Schimmer. Die Minox A wurde geboren. "Naheinstellgrenze bis 20 cm ohne Zubehör, automatischer Parallaxenausgleich, 1/1000 Sek. als kürzeste Verschlußzeit". So liest sich ein Auszug wichtiger Daten der anspruchsvollen Kleinkamera. Das Objektiv, nun ein vierlinsiger Gaußtyp, läßt sich auch heute noch nicht abblenden, dafür sind die 15 mm Brennweite mit beinahe unendlicher Schärfentiefe gesegnet.
Der Teleskop-Schnellaufzug von den Pockets als "ritschratsch-klick", vermarktet, ist ebenfalls eine Minox-Erfindung. Die Minox B von 1958 besitzt bereits einen eingebauten Selen-Belichtungsmesser. Sie avanciert in ihrer 22jährigen Produktionszeit zum Bestseller. Aber erst die elektronisch gesteuerte Minox C von 1969 rundet die Minox-Konzeption Vollendes ab. Denn zu einer kleinen Kamera mit der man unauffällig Schnappschüsse machen will, harmoniert am besten eine Belichtungsautomatik. Trotz des anfangs durchschlagenden C-Erfolgs war der Schwanengesang der Kleinstbildkameras schon leise hörbar. Das Vollautomatische Print-Labor setzte sich Mitte der siebziger Jahre immer mehr durch. Maschinelle Prints wurden dem offiziellen 8x11 mm-Format in der Qualität einfach nicht gerecht. Das kleine Bildformat erfordert eben Liebe bei der Ausarbeitung. Kodak brachte 1972 die Pocketkassette (13x17 mm) ins Spiel, eine Unzahl simpler Pocketkameras zehrten am Image der Kleinstbildkamera. Minox profilierte sich auch bei Pocketkameras. Das Modell 110 S bestach durch hochwertige Technik, die vor einer Zeitautomatik und sogar vor einem Mischbildentfernungsmesser nicht halt machte, arg klein war die Minox 110 S deshalb nicht mehr. Rechtzeitig erkannten Minox-Manager und Konstrukteure die Zukunft der Firma in einer Kleinbildkamera. Sie sollte nach Minox-Manier die kleinste der Welt werden und dabei machte man sich die rasante Entwicklung der Elektronik zunutze. Auf der photokina 1974 feierte, von Fachpresse und Publikum heftig umjubelt, die Minox 35 EL Premiere. Keine simple Programmkamera mit Fixfokus, sondern ein ernstzunehmendes Kompaktmodell mit Zeitautomatik und versenkbarem, vierlinsigen Qualitätsobjektiv. Eine Kamera, konsequent um Kleinbildpatrone und Filmbühne herumgebaut. Trotz aller Warnungen der amerikanischen Minox-Vertretung ging Geschäftsführer Klaus Rinn das Wagnis ein, die Minox 35 zu bringen. Der Erfolg gab dem Minox-Chef recht, die Kamera war in der ersten Zeit ständig ausverkauft, man hatte Lieferprobleme in Heuchelheim. Sinnvolle Modellpflege ließ sie über Jahre hinweg ständig reifen. Ähnlich wie ein VW Golf strahlt die Minox 35 ein klassenloses Image aus. Die Minox 35 ist beim Gelegenheitsfotograf genauso beliebt wie beim Profi. Engagierte Fotografen benutzen sie gerne als Zweitkamera zur Spiegelreflexausrüstung.
KONSEQUENTE MODELLPFLEGE
Der zunehmenden Bedrohung durch die kinderleicht zu bedienenden Autofokus-Sucherkameras begegneten die Minox-Leute mit einer Ausweitung des Programms und mit dem neuen Spitzenmodell 35 ML.
Die 35 ML ist eine elektronisch modernisierte GT mit raffinierter Belichtungsmessung und Meßwertspeicher. Außerdem entspricht sie mit ihrer zusätzlichen Programmautomatik den Wünschen vieler Minox-Anwender nach einem Minox-Flaggschiff.
Minox bewertet Tradition genauso hoch wie Innovation, manchmal gelingt es sogar in überzeugender Weise beides zu verbinden. Die Kleinstbildkamera wurde unter dem Kleinbildboom nicht etwa aufgegeben. Im Gegenteil, der technische Fortschritt in Sachen Elektronik erlaubte es, die C noch kleiner zu machen. 1978 kam die Minox LX auf den Markt. Sie wird heute noch gebaut, ein Kleinod der Feinwerktechnik, eine Exklusivität in geringen Stückzahlen und gleichzeitig Image-Träger
der Minox-Philosophie. Die 2000stel Sekunde als kürzeste Verschlußzeit, eine reaktionsschnelle Silizium-Fotodiode-Belichtungsmessung und rund 1 cm mehr Kompaktheit unterscheiden sie vom Vorgängermodell C.
Das einfachere Modell EC, 1981 als kleinste Kamera der Welt vorgestellt, zeigt der Fotoindustrie, wie weit Minox die erfolgreiche Miniaturisierung treiben kann.
Heute beschäftigt Minox über 700 Mitarbeiter in trauter Eintracht mit der R&C Zigarrenproduktion auf einem stetig gewachsenen Fabrikgelände in Heuchelheim zwischen Gießen und Wetzlar. Resultat eines mutigen und erfolgreichen Diversifikationsversuches von Ludwig Rinn.
Gerade heute legt Minox Wert auf ein zweites Standbein. Die Heuchelheimer fanden es in der Mikroverfilmung. Das ursprüngliche Abfallprodukt der Kleinstbildfotografie hat sich inzwischen zu einem zukunftsträchtigen Firmenzweig gemausert. Geräte zur Mikroverfilmung, Lesegeräte und das ganze know how für Aufnahme und Wiedergabe von Information auf kleinstem Raum haben die Firma in aller Welt bekannt gemacht. Softwareprogramme für die Mikroverfilmung werden an die Automobilindustrie geliefert oder in der Medizin eingesetzt.
Trotz Autofokus-Offensive haben die Minox-Kameras eine beträchtliche Marktposition inne. Das einst umstrittene 35-Konzept erweist sich als erfolgreich und flexibel. Gerade in naher Zukunft werden Fotografen aus dem kleinen Ort Heuchelheim Großes von der kleinen, feinen Firma zu hören und zu sehen bekommen. Vielleicht stehen wir genau wie 1974 an einem Wendepunkt der Minox-Geschichte, denn kaum eine Firma versteht es besser, Tradition und Innovation zu kombinieren. Die Kleinstbildkameras sehen einer Renaissance entgegen. In Zeiten, in denen charakterlose Konsumware dominiert, besinnt man sich wieder gerne auf schöne und funktionelle Dinge.
Deshalb werden in allen Groß- und Mittelstädten Minox-Depothändler errichtet, die EC und LX samt Filmen und Zubehör pflegen. Schließlich haben die Kleinstbildkameras den Ruf der kleinen, feinen Cameras begründet.
Alf Cremers in Color Foto 8/1987
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