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Kameras Automatikführerschein Was ist was bei den neuen Kameras? Immer mehr Automatik hat das Fotografieren nicht unbedingt immer nur einfacher gemacht. Gleichzeitig mit der neuen Autofokus-Spiegelreflex-Kamerageneration griff eine Inflation von neuen Begriffen und Fachausdrücken um sich, hinter denen sich raffinierteste Fototechnik verbirgt. COLOR FOTO sagt Ihnen was diese neuen Begriffe bedeuten und welche Auswirkungen die neuen Technologien auf die fotografische Praxis haben. Vom Phasendetektionssystem ist seit längerem die Rede. Piezomotoren kamen erst vor kurzem ins Gespräch. Zu den mehr oder weniger neuen Zauberworten der modernen Fototechnik gehören Begriffe wie Autofokusfalle, Automatic-Bracketing-Control, Programmshift, Flashmatic Blitzsteuerung, Mehrfeldmessung, Schärfentiefenautomatik oder Second-Curtain-Synchronisation. Meist stehen diese Begriffe für neuartige Automatiksteuerungen, die das Fotografieren noch einfacher, noch sicherer und noch schneller machen sollen. Doch was nützt die schönste Automatik, wenn man nicht gelernt hat, sie richtig einzusetzen. Für das Fotografieren gilt das Gleiche wie für das Autofahren: Auch bei Automatik braucht man einen Führerschein. Je besser man darüber Bescheid weiß, was die Automatik tut und wie sie reagiert, desto sinnvoller läßt sie sich nutzen. Hier geht es um Autofokus, von vielen als automatische Scharfeinstellung mißverstanden. Autofokus, so wie es heute in Spiegelreflexkameras eingesetzt wird, ist aber immer nur die automatische Entfernungseinstellung auf das im Meßfeld befindliche Motivdetail. Ohne Zweifel hat Minolta hier vor über zwei Jahren die Weichen gestellt, als die Minolta 7000 als erste Spiegelreflexkamera mit gehäuseintegriertem Autofokus auf den Markt kam. Bei aller Verschiedenheit der inzwischen insgesamt 12 neuen AF-Kameras haben alle ohne Ausnahme eines gemeinsam: Das Phasendetektions- oder auch Phasenvergleichssystem zur Ermittlung der richtigen Entfernungseinstellung. Das Prinzip dieser elektronischen Schärfenmessung ähnelt im Prinzip der Scharfstellung über den Schnittbildentfernungsmesser. Auch hier müssen zur Ermittlung der Schärfe zwei Halbbilder (die Bilder in den Halbkreisen des Schnittbildindikators) zur Deckung gebracht werden. Nur funktioniert das bei den AF-Kameras nicht manuell sondern mit Hilfe einer raffiniert ausgeklügelten Elektroniksteuerung. Zur Schärfenerkennung dient bei diesen Kameras ein Halbleiter-Bildsensor. Ähnlich wie das Auge bei der manuellen Entfernungseinstellung, benötigt auch dieser Sensor Licht und Kontrast um die Schärfe zu erkennen. Zeigen bei manueller Entfernungseinstellung die beiden Schärfenebenen des Schnittbildindikators im Sucher keine Abweichung, ist auf das anvisierte Motiv scharfgestellt. Auch die Sensoren der modernen AF-SLR-Kameras ermitteln die Abweichung zweier durch das Objektiv fallender Lichtstrahlen (Bildpunkte). Nur werden hier die von den Sensoren aufgefangenen optischen Bildsignale in elektrische Impulse umgewandelt, aus denen der Kameracomputer errechnet, wie weit und in welcher Richtung das Objektiv verstellt werden muß. Diese Verstellung kann entweder manuell geschehen und wird dann über LED-Anzeigen im Sucher kontrolliert (man spricht dann von elektronischer Schärfenanzeige) oder sie erfolgt durch den AF-Motor, der sich sowohl in der Kamera als auch - wie bei den Canon EOS-Modellen - im Objektiv befinden kann. Die elektronische Schärfenanzeige ist vor allem bei Kameras wichtig, an die auch Objektive mit manueller Scharfeinstellung angeschlossen werden können. Denn da die AF-Kameras im Sucher nur das AF-Meßfeld und keine weitere Scharfstellhilfe besitzen, wird die Schärfenanzeige über LEDs zu einem wichtigen Ausstattungsmerkmal. Ein wichtiges Kriterium für die Qualität eines Halbleiter-Bildwandlers für die automatische Entfernungsermittlung ist sein Reaktionsvermögen in Grenzsituationen, wie etwa bei schwacher Beleuchtung und geringem Kontrast. Der AF-Meßstrahl Schwache Beleuchtung und geringer Kontrast machen den AF-Sensoren nämlich schwer zu schaffen. Also immer dann, wenn es für den Menschen schwierig wird, läßt auch das Erkennungsvermögen des AF-Sensors nach. Um aber trotzdem bei schwachem Licht automatisch scharfstellen zu können, haben die Kamerahersteller den AF-Meßstrahl erfunden. Er wird bei schlechtem Licht entweder von der Kamera oder von dem angesetzten Blitzgerät ausgesandt und projiziert einen roten Lichtfleck mit einem für das AF-System erkennbaren Muster auf das Motiv. So hat die Kamera auch bei völliger Dunkelheit genügend Licht und auch Kontrast, um automatisch scharfzustellen. Meist haben Kameras mit integriertem Blitzlicht den Meßstrahl auch in der Kamera integriert. Bei Kameras, die ein aufsteckbares Blitzlicht benötigen, wird der AF-Meßstrahl sinnvollerweise im Blitzgerät untergebracht werden. Beide Methoden haben ihre Vorzüge und Nachteile. Ist der Meßstrahl in der Kamera integriert wird er auch seine Energie aus der Kamera beziehen und wie der Blitz auch die Stromversorgung zusätzlich belasten. Er wird sich in seiner Reichweite nach der Leitzahl des integrierten Blitzes richten und damit von vornherein nur für kurze Entfernungen taugen. Aber er läßt sich auch für "Available Light" Fotos ohne Blitz für die automatische Scharfstellung nutzen. Ist der Meßstrahl im Zusatzblitz untergebracht besitzt er zwar in der Regel eine größere Reichweite, macht aber Aufnahmen bei Dunkelheit mit automatischer Scharfeinstellung vom Blitzeinsatz abhängig. Die goldene Mitte Wer bei Autofokus sicher gehen will, der muß darauf achten, daß sich das Motivdetail, das scharf abgebildet werden soll, während der Einstellung im Meßfeld in der Suchermitte befindet, denn nur so weiß der Autofokus worauf er scharfstellen soll. Problematisch wird es nur wenn der Fotograf das Hauptmotiv nicht in der Suchermitte plazieren sondern vielleicht an den Bildrand setzen möchte. In solchen Situationen kommt der Schärfenspeicher zum Einsatz. Doch Schärfenspeicher ist nicht gleich Schärfenspeicher. Hier gibt es gravierende Unterschiede in der Philosophie. Schärfenspeicher Die gebräuchlichste Form der Schärfenspeicherung, also des Festhaltens der automatisch ermittelten Entfernungseinstellung, ist mit dem Auslöser gekoppelt. Ist nach Antippen des Auslösers die Scharfstellung erfolgt, so bleibt diese solange erhalten, wie der Auslöser gedrückt bleibt, auch wenn der Bildausschnitt verändert wird und sich das Motivdetail, auf das eingestellt wurde nicht mehr in der Suchermitte befindet. Die Einstellung wird gelöscht, sobald die Aufnahme erfolgte oder der Finger vom Auslöser genommen wird. Diese Form der Schärfenspeicherung wird meist mit der Einzelbildauslösung gekoppelt. Läßt sich die Kamera nur nach erfolgter Scharfstellung auslösen spricht man von Schärfenpriorität. Nun gibt es aber auch bewegte Motive, die im Moment der Schärfenspeicherung zum Beispiel den eingestellten Schärfenbereich verlassen. Hier ist es angebracht, daß die automatische Scharfstellung sich den veränderten Umständen anpaßt. Dafür haben die neuen Kameras eine weitere AF-Betriebsart und zwar die des "Continuous" oder "Servo" Autofokus. Folgt das AF-System der Motivbewegung muß bei der Kamerahaltung darauf geachtet werden, daß sich das Hauptmotiv immer in der Bildmitte befindet, weil das AF-Meßsystem nur die Bildmitte berücksichtigt. Eine Komposition, bei der das Hauptmotiv außerhalb der Bildmitte liegt ist also hier nicht möglich, weil sich das AF-System ja stets neu orientiert. Manche Kameras haben deswegen eine Trennung zwischen AF-Lock, also Schärfenspeicher und Auslöser. Sie können auch die Schärfe bei kontinuierlichem Autofokus stoppen und speichern. Meist aber wird in diesem Fall mit Auslösepriorität gearbeitet. Die Kamera kann zu jeder Zeit ausgelöst werden und zwar unabhängig davon ob die Scharfstellung abgeschlossen ist oder nicht. Bei manchen Kameras wird die AF-Betriebsart, also zum Beispiel Schärfenpriorität, mit dem Einzelbild-Transport oder Auslösepriorität mit der Serienbildschaltung gekoppelt. Für die meisten fotografischen Aufgaben mag diese Koppelung auch sinnvoll erscheinen. Manch einer machte aber vielleicht lieber auch bei kontinuierlichen Autofokus, daß die Kamera nur auslöst, wenn tatsächlich die optimale Schärfe erreicht ist. Hier muß der Fotograf sich vor dem Kauf genau prüfen, ob er lieber auf einzelne Möglichkeiten verzichten möchte und eine einfache Handhabung vorzieht oder ob ihn die vielleicht für andere verwirrend wirkende Vielfalt von Möglichkeiten zu kreativen Höhenflügen inspiriert. Schärfentiefenautomatik Eine Besonderheit ist die bisher nur bei der Canon EOS 650 realisierte Schärfentiefe Automatik. Im Gegensatz zu anderen Kameras, die nur auf die Scharfeinstellung auf ein bestimmtes Detail ausgelegt sind, kann mit der EOS 650 der Raum bestimmt werden, innerhalb dessen die Schärfe liegen soll. Bei dieser Funktion wird die automatische Entfernungsmessung in zwei Stufen vorgenommen. Dabei werden nacheinander zwei Punkte des Motivs angemessen zwischen denen sich der Schärfenbereich erstrecken soll. Die Kameraelektronik speichert den Betrag der Unschärfe zwischen den beiden Motivpunkten und stellt auf eine in der Mitte zwischen beiden Meßpunkten liegende Distanz scharf. Gleichzeitig wird von der Programmautomatik eine Blende eingesteuert, die eine ausreichende Schärfentiefe für den ermittelten Schärfenbereich ermöglicht. Vorsicht Falle Eine praktische Einrichtung ist die bei der Pentax SFX und Yashica 230 AF und 200 AF vorhandene Schärfenfalle. Hier wird eine bestimmte Entfernungseinstellung vorgewählt. Sobald nun ein bewegtes Motiv, sei es ein Auto, ein Hundertmeter-Läufer, ein Tier oder ein Insekt in die Schärfenebene eintritt löst die Kamera automatisch aus. Doch auch hier ist Schärfenfalle nicht gleich Schärfenfalle. Während bei der Yashica diese Betriebsart selbstverständlich mit den neuen AF-Objektiven realisierbar ist, funktioniert die Schärfenfalle unverständlicherweise bei der Pentax nur mit herkömmlichen Objektiven. Der AF-Konverter: Hokuspokus - Autofokus Eine vor allem für Fotografen mit umfangreicher herkömmlicher Ausrüstung interessanten Möglichkeit bieten bei einigen AF-Modellen wie etwa den Nikon F-501, den Pentax SFX oder den Yashica 230 AF die sogenannten AF-Konverter. Mit diesen Geräten lassen sich nicht nur herkömmliche Objektive an diese Kameras anschließen sondern sich zum Teil sogar in AF-Objektive umwandeln. Meist handelt es sich um Konverter, die gleichzeitig die Brennweite um 1,6 X verlängern. Durch den Konvertereinsatz muß natürlich eine Einbuße in Bezug auf die Lichtstärke des angesetzten Objektivs in Kauf genommen werden. Für die Umwandlung in AF-Objektive ist auch eine bestimmte Mindestlichtstärke erforderlich. Der AF-Motor: Eine Frage des Prinzips Wohin gehört der AF-Motor? Ins Kameragehäuse oder ins Objektiv. Hier scheiden sich die Geister der Kameradesigner. Für den gehäuseintegrierten Motor spricht die Tatsache, daß nur ein Motor für alle Objektive benötigt wird und diese nicht durch den Einbau überflüssiger Motoren unnötig verteuert werden. Dagegen spricht die Möglichkeit, die AF-Motoren beim Einbau in das Objektiv in ihrer Leistung genau den Bedürfnissen, daß heißt den Verstellwegen und den zu bewegenden Massen (Linsen) anzupassen. Ein weiterer Vorzug ist die Möglichkeit, Zubehör (Balgengeräte, Zwischenringe, Makrotuben etc.) zwischen Objektiv und Kamera zu schalten ohne auf die AF-Funktion deswegen verzichten zu müssen. AFD und USM Um die AF-Motoren im Objektiv unterbringen zu können ohne daß diese gleich zu unförmigen Ungetümen anwachsen, wie das bei früheren Modellen der Fall war, hat Canon zwei völlig neue Motorentypen entwickelt: Den "AFD" (Arc Drive Form) oder Bogenmotor und den "USM" (Ultraschallmotor). Der erstere ist ein bogenförmiger Motor, der genau dem Objektivtubus angepaßt wurde. Die Antriebsenergie dieses Modells wird vom Rotor auf eine Mehrgangschaltung übertragen, der über eine Spirale oder Steuerscheibe die Linsengruppen entlang der optischen Achse bewegt. Das Verhältnis zwischen der Rotorsteigung und der Dauer der für die Scharfstellung erforderlichen Bewegung richtet sich nach den Erfordernissen der jeweiligen Objektivkonstruktion. Der Ultraschallmotor ist ein völlig neuer Ringmotor. Es werden Piezo-elektrische Keramikelemente mit getrennten Polaritäten verwendet, die durch Vibration den Motor antreiben. Je nach ihrer spezifischen Polarität ziehen sich die Piezo-elektrischen Elemente zusammen oder dehnen sich aus, sobald Strom fließt. Die dabei entstehende Schwingung treibt den Vibrator an. Die Vibration wird in eine Wellenbewequng umgewandelt, die nun ihrerseits den Rotor antreibt, um über eine Spirale oder Steuerscheibe die Einstellinse zum Fokussieren entlang der optischen Achse in die richtige Position zu verschieben. Soviel zum Thema Autofokus bei Spiegelreflexkameras. Heiner Henninges in Color Foto 11/1987 {ewl Thnhlp32.dll,THIN,SKIN.LZH;STEIMERM.BMP}