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Beratung Presseausweis
Sesam öffne dich
Viele Amateurfotografen meinen, ein Presseausweis öffne ihnen jede Tür. Geschäftemacher nutzen diese Nachfrage und verkaufen „Schwindelausweise". Wir sagen Ihnen, wer einen Presseausweis bekommen kann und zu was er berechtigt.
Pressefotografen sehen, was andere nicht sehen. Sie sind live dabei, wenn Schuhmacher seine Runden dreht, die deutsche Nationalelf geschlagen vom Platz geht und Altkanzler Kohl erhobenen Hauptes in den Untersuchungsausschuss schreitet. Da wäre auch mancher Amateurfotograf gern vor Ort, doch der Zugang zu Presseterminen und -tribünen ist ihm verwehrt. Grund: Ihm fehlt der Sesam-öffne-dich, der „Presseausweis". Dieses Dokument verschafft nicht nur Zugang zur Prominenz, sondern verhilft seinem Besitzer auch zu freiem Eintritt im Centre Pompidou in Paris oder im Stuttgarter Zoo. Kein Wunder, dass jeder gern ein solches Wunderding hätte.
Wer bekommt den Ausweis
An die offiziellen, fälschungssicheren bundesdeutschen Presseausweise, die von den Verlegerverbänden, Gewerkschaften und den Journalistenverbänden ausgestellt werden, ist allerdings nur schwer ranzukommen. Freiberufler, die einen Ausweis beantragen wollen, müssen Arbeitsbestätigungen, Rechnungen und Kontoauszüge einreichen. „Wir stellen einen Presseausweis nur dann aus, wenn der Betreffende nachweislich als Journalist oder Pressefotograf hauptberuflich tätig ist und auch davon lebt", erklärt Ingrid Fischl vom Bayerischen Landesbezirk der IG-Medien. Die Verantwortlichen kennen kein Pardon: Wer überwiegend als Studiofotograf arbeitet oder nebenbei ein Unternehmen hat, das die Familie ernährt, ist kein hauptberuflicher Pressemensch, er bekommt daher auch keinen Presseausweis. Wird der Antrag bewilligt, ist auch noch eine Gebühr von 200 Mark fällig, wenn der Betreffende nicht Mitglied der IG-Medien oder des Journalistenverbands ist (kostenlos ist nur die Verlängerung).
Auch für Angestellte sind die Hürden hoch: Die journalistische oder fotografische Tätigkeit muss im Arbeitsvertrag definiert sein, die Kosten für die Ausstellung des Ausweises tragen dann allerdings die Verlage.
Insgesamt haben in der Bundesrepublik rund 60 000 hauptberufliche Journalisten und Pressefotografen den scheckkartengroßen Presseausweis in der Tasche. Das unscheinbare Kärtchen bietet allerlei Privilegien: Viele Messen, Kunstausstellungen und Freizeitparks gewähren freien oder ermäßigten Eintritt.
Nachbildungen für viel Geld
Privilegien wecken Begehrlichkeiten. Weil viele einen Presseausweis wollen und nur wenige ihn bekommen, floriert das Geschäft mit Nachbildungen und Neuschöpfungen. „Der Begriff ,Presse' ist nicht geschützt, jeder kann sich eine Karte drucken, auf der ,Presseausweis' steht", erklärt Frauke Ancker, Geschäftsführerin des Bayerischen Journalistenverbandes. Zahlreiche Verbände stellen eigene Ausweise aus, zwielichtige Anbieter werben in Kleinanzeigen oder im Internet mit günstigen Angeboten. Manche gewähren sogar Mengenrabatt: Eine so genannte „International Press-ID" kostet 59 Mark, wer zehn nimmt, zahlt nur noch 29 Mark pro Stück. Ein Sesam-öffne-dich sind diese Dokumente allerdings nicht. „Bei vielen Großveranstaltungen und Messen genügt der Presseausweis heute nicht mehr, Journalisten und Fotografen müssen sich vorher mit einer Bestätigung des Auftraggebers akkreditieren", so Frauke Ancker. „Man kann vor Schwindelausweisen nur warnen: Sie werden von den meisten Firmen und Veranstaltern nicht akzeptiert."
Ein Brief ist da oft mehr wert als ein zweifelhaftes Dokument: Wer ohne Ausweis, aber mit einem schriftlichen Rechercheauftrag seines Verlags erscheint, dem öffnet sich - auch ohne amtliches Dokument - die Tür zur Pressetribüne.
Monika Weiner in Color Foto 12/2000
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