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Objektive ALLES ÜBER SPIEGELLINSEN-OBJEKTIVE Sind Spiegellinser noch aktuell? Spiegellinser sind Spezialobjektive, die durch ihre besondere Abbildungscharakteristik über die gewohnten Einsatzmöglichkeiten herkömmlicher Teleobjektive hinaus gehen. Sie stellen eine Bereicherung für alle kreativen Einsätze dar. Ihre Attraktivität als leichte und kompakte Teles haben sie allerdings angesichts moderner Telezooms weitgehend eingebüßt. Spiegellinsen-Objektive sind eine besondere Konstruktionsform, bei der die Lichtstrahlen durch eine große Ringlinse auf den ebenfalls ringförmigen Hauptspiegel fallen, der sie auf den vorgelagerten kleinen Fangspiegel konzentriert. Vom Fangspiegel werden die Lichtstrahlen dann durch Linsen auf den Film reflektiert. Durch das Spiegellinsen-Prinzip ist es möglich, Objektive mit sehr langer Brennweite in kompakter Form zu konstruieren. Weil der Strahlengang im Objektiv zweimal „gefaltet" wird, lässt sich die Baulänge auf etwa ein Drittel der Brennweite reduzieren. Systembedingt lässt sich bei einem Spiegellinsenobjektiv keine Blende einbauen. Die angegebene Anfangsöffnung bezieht sich auf die Größe der Eintrittspupille und entspricht dem geometrischen Blendenwert. Die effektive Lichtstärke der Spiegelteles ist, je nach Objektiv, etwas geringer. Der Lichtverlust von etwa z/s LW bis 1 LW ist bei einem Spiegellinsenobjektiv unvermeidlich und wird verursacht durch die Abdeckung in der Mitte der Frontlinse (der Fangspiegel ist dort angebracht) und durch die relativ große Lichtabsorption an den verspiegelten Flächen. Belichtungsprobleme treten dadurch jedoch nicht auf, weil die TTL-Messung der Kameras die verringerte Lichtstärke automatisch berücksichtigt. Der Belichtungsabgleich erfolgt ausschließlich über die Verschlusszeiten in der Zeitautomatik oder bei manueller Belichtungseinstellung. Wenn die Beleuchtungsstärke so groß ist, dass sie durch die Verschlusszeit der Kamera nicht mehr kompensiert werden kann, muss ein neutrales Graufilter mit entsprechendem Verlängerungsfaktor, beispielsweise 4x, angesetzt werden. Das bewirkt eine Lichtdämpfung wie bei einer Abblendung um zwei Stufen. Natürlich wird hier nur die Menge des einfallenden Lichtes, nicht aber die Schärfentiefe beeinflusst. Diese wird weiterhin von der feststehenden Blende, der Brennweite des Objektivs sowie der Aufnahmeentfernung (also vom Abbildungsmaßstab) bestimmt. Weil die Schärfentiefe durch Abblenden nicht ausgedehnt werden kann, kommt der Scharfeinstellung eine große Bedeutung zu. Das einzige Spiegellinsen-Objektiv mit Autofokus ist das Minolta AF Reflex 8/500 mm (der Autofokus kann aber nur mit neueren Dynax-Kameras eingesetzt werden). Alle anderen Spiegellinser sind manuell zu fokussieren. Unbedingt zu empfehlen ist eine Vollmattscheibe (mit oder ohne Gitterteilung) und die Einstellung des Sucherokulars auf die eigene Sehstärke (mit dem eingebauten Dioptrienausgleich oder mit Korrektionslinsen). Das etwas dunklere Sucherbild erschwert aber, vor allem bei schwachem Licht, das genaue Fokussieren. Am besten kann man fokussieren, wenn das Spiegeltele auf einem stabilen Profistativ befestigt ist. Oberhaupt sollte man mit diesen Objektiven immer, wenn möglich, von einem stabilen Dreibeinstativ aus fotografieren. Die brennweitenbedingte Verwacklungsgefahr (bei 500 mm oder 1000 mm) ist durch das geringe Gewicht der Spiegellinser größer als bei herkömmlichen Objektiven vergleichbarer Brennweite. Das gilt auch für Aufnahmen vom Einbeinstativ: Ein herkömmliches Objektiv 4/500 mm „sitzt" mit einem Gewicht über sechs Kilogramm „bombensicher" auf dem Einbeinstativ, während die paar hundert Gramm eines Spiegelteles keinen sicheren Verwacklungsschutz bieten. Ein stabiles Stativ ist auch dann unerlässlich, wenn ungünstige Lichtverhältnisse längere Verschlusszeiten erfordern (zumal Aufblenden ja nicht möglich ist). Spiegellinsenobjektive sind, durch die Konstruktionsweise bedingt, weitgehend frei von chromatischer Aberration. Entsprechend hoch müsste ihre Schärfe- und Kontrastleistung sein. In der Praxis können jedoch die Unterschiede von Hersteller zu Hersteller recht groß sein. Während einige Spiegelteles fast das Niveau apochromatisch korrigierter Objektive erreichen, zeichnen andere recht flau. Bei Spiegellinsenobjektiven macht sich auch eine systembedingte leichte Vignettierung bemerkbar, die durch Abblenden nicht behoben werden kann (weil ja keine Blende vorhanden ist). Störend kann sich die Vignettierung vor allem bei gleichmäßigen hellen Objekten oder bei Unterbelichtung auswirken. Die Spiegelteles sind für mittlere und große Aufnahmeentfernungen korrigiert. Bei kürzester Entfernungseinstellung erschließen einige davon auch den Nahbereich. Das Reflex-Nikkor 8/500 mm, um nur ein Beispiel zu nennen, erreicht bei der kürzesten Aufnahmeentfernung von 1,5 m den Abbildungsmaßstab 1:2,5. Die optische Leistung der für unendlich korrigierten Spiegelteles kann aber im Nahbereich durch Abblenden nicht gesteigert werden, so dass in diesem Bereich mit einer geringen systembedingten Leistungsminderung zu rechnen ist. Ein besonderes Merkmal der Spiegellinsenobjektive ist, neben der besonders starken Raumraffung, die so genannte Unschärfe-Charakteristik. Durch die ringförmigen Linsen und Spiegel verursacht, werden Details, die sich sowohl im Vordergrund als auch im Hintergrund in Unschärfe auflösen, ringförmig abgebildet. Diese „Unschärfe-Charakteristik" kann auch bewusst als Stilmittel in die Bildkomposition miteinbezogen werden. Die 500er, 600er oder 1000er Spiegelteles sind sehr gut geeignet für die Reise- und Landschaftsfotografie, können aber freilich auch bei Tieraufnahmen eingesetzt werden, wenn die Tiere nicht in Bewegung sind. Denn angesichts der Anfangsöffnung von 1:8 ist mit langen Verschlusszeiten zu rechnen, so dass die Bewegung nicht „eingefroren", also nicht scharf wiedergegeben werden kann. Letzteres gilt auch und vor allem für Sportaufnahmen. Fast alle Hersteller bieten Spiegelteles mit Brennweite 500 mm und Anfangsöffnung 1:8 an: Super-Danubia 8/500 mm (270 Mark + 30 Mark M42Adapter), Leica Telyt-R MR 5/500 mm (2500 Mark), Minolta AF-Reflex 8/500 mm (1450 Mark), Nikon Reflex-Nikkor 8/500 mm (1900 Mark), Tamron MF SP 8/500 mm (1100 Mark+ Adaptall), Zeiss Mirotar 8/500 mm (für Contax, 4500 Mark). Vereinzelt sind aber auch andere Brennweiten erhältlich, wie zum Beispiel das Sigma 8/600 mm (für alle gängigen AF- und MF-SLR-Kameras, 1170 Mark), das Nikon Reflex-Nikkor 11/ 1000 mm (4000 Mark), das SMC-Pentax Reflex 11/ 1000 mm (6700 Mark). Den „Brennweitenrekord" bei den Spiegellinsern hält Pentax mit dem SMC Pentax-M Reflex 13,5/2000 mm (18 000 Mark), das einen Bildwinkel von nur 1xGRADx10' hat. Pentax ist auch der einzige Hersteller, der ein Spiegellinsen-Zoom im Programm hat, das SMC Pentax Reflex Zoom 8-12/400-600 mm (3000 Mark). Spiegelteles mit der früher noch üblichen Brennweite 250 mm werden nicht mehr hergestellt und sind nur noch auf dem Gebrauchtmarkt gelegentlich erhältlich. Dasselbe gilt auch für das Canon RF 8/500 mm, das mit dem entsprechenden FD-EOS-Adapter auch an die aktuellen EOS-Modelle angeschlossen werden kann. Einige besondere Spiegelteles wurden nur auf Bestellung angefertigt und sind mittlerweile ebenfalls nur noch auf dem Gebrauchtmarkt zu bekommen. Dazu zählen die lichtstarken Zeiss Mirotar 4,5/500 mm und Zeiss Mirotar 5,6/ 1000 mm (für Contax) und das Reflex-Nikkor 11/2000 mm. Ebenfalls nur auf Bestellung wurde das Zeiss N-Mirotar 210 mm gebaut, dessen effektive Lichtstärke der Blende 0,03 entspricht. Das ist kein Druckfehler, die Lichtstärke dieses Objektivs ist tatsächlich 2500 Mal größer als die eines herkömmlichen Objektivs mit Anfangsöffnung 1:1,4, was umgerechnet 11 Blendenstufen ausmacht. Des Rätsels Lösung: Das N-Mirotar ist eine Kombination von lichtstarkem Spiegeltele und einem dreistufigen Restlichtverstärker. Der Bildkreisdurchmesser des N-Mirotars ist 30 mm, so dass es nicht das ganze Kleinbildformat auszeichnet (dafür wären etwa 44 mm erforderlich). Entsprechend enger ist auch der formatbezogene Bildwinkel (8xGRADx statt 11xGRADx45' bei vollem Format). FAZIT: Als Teleobjektive für Sport- und Tieraufnahmen haben die Spiegellinser angesichts moderner Telezooms und lichtstarker Festbrennweiten ausgedient. Als Spezialobjektive mit besonderer Abbildungscharakteristik für die kreative Fotografie sind sie nach wie vor aktuell. Und weil die Baulänge nur etwa ein Fünftel der Brennweite beträgt, sind die Spiegellinser auch angenehme Reisebegleiter (bei statischen Motiven), zumal der relativ günstige Kaufpreis ihre Attraktivität zusätzlich erhöht. Die Spiegellinser sind jedoch nichts für Autofokus- und Automatik-Verwöhnte, denn ihr Einsatz erfordert etwas mehr „Handarbeit" als sonst üblich. Artur Landt in Color Foto 7/2000 {ewl Thnhlp32.dll,THIN,SKIN.LZH;STEIMERM.BMP}