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Objektive Zeiss-Foto im Aufwind? Unser Ziel: Marktführer bei Super-Objektiven Seit drei Jahren modernisiert Ralf Coenen bei Zeiss als verantwortlicher Leiter den Bereich Fotoobjektive - und profiliert gemeinsam mit Sony vom digitalen Massenmarkt der Zukunft. Unsere Redakteurin Annegret Kempf sprach am Unternehmenssitz im Schwäbischen Oberkochen mit dem Zeiss-Manager über seine Zukunftspläne. COLOR FOTO: Herr Coenen, zum 109. Geburtstag der Objektiv-Produktion bei Carl Zeiss stattete der Bereich Foto kürzlich die millionste Sony-Kamera mit einem Zeiss-Objektiv aus. Vor über hundert Jahren begründete beispielsweise das Zeiss-Planar mit die Grundlagen der modernen Objektivgestaltung. Wo sieht Zeiss seine Position zur Jahrtausendwende? Ralf Coenen: Wir entwickeln immer neue, qualitativ hochwertige Objektive, für die in der Wertschöpfung glücklicherweise alles beim Alten bleibt. Nicht nur im digitalen Bereich, wo wir mit Sony kooperieren, sondern auch durch APS ist der Fotomarkt seit längerein im Umbruch. Das betrifft aber vor allem die Kameratechnik, die wir nach gründlicher Überlegung weiterhin lieber unseren Partnern Hasselblad, Kyocera, Rollei, Sony, und beim Laufbild ARRI, überlassen. COLOR FOTO: Spielt der Bereich Foto bei Zeiss überhaupt eine Rolle? Coenen: Wir können mit unserem begrenzten Budget nicht selbst die große Anzeigenkampagne starten, wirken aber auf unsere Partner ein, dass die Vorzüge der Zeiss-Objektive heute sehr viel klarer herausgestellt werden. Ober die Sony-Werbung sprechen wir nun erstmals die breite Masse an. Foto ist Keimzelle für wichtige Unternehmensaktivitäten gewesen. So entstand beispielsweise die heute extrem erfolgreiche UB Halbleitertechnik-Lithographie zur Chip-Produktion auch aus den Erfahrungen mit Foto-Objektiven. COLOR FOTO: Wie steht der Bereich Foto heute wirtschaftlich bei Zeiss da? Coenen: Bis vor drei Jahren dümpelte Foto ohne große Gewinne und Verluste vor sich hin. Seither haben wir zusätzliche Gewinne gleich reinvestiert, um irgendwann zu richtigem Wachstum zu kommen. Ab dem nächsten Jahr wollen wir dann Geld verdienen, befinden uns mit voraussichtlich über 100 Millionen Mark Umsatz im laufenden Geschäftsjahr 10/98 bis 9/99 gegenüber 84 Millionen im Vorjahr auf Wachstumskurs. Wir haben ein schweres Jahr hinter uns, weil wir 33 neue Produkte zur photokina hatten. Der Absatz der alten Produkte stagnierte oder ging zurück, weil die Leute gleich auf die neuen warteten. Gemessen an der Kapitalrendite werden wir einen Riesenschritt nach vorne tun. Die internen Geldgeber und der Vorstand sollen mit uns zufrieden sein. Zeiss entwickelt und produziert Foto-Objektive, die Professionals und Semi-Professionals gerne einsetzen. Die Kooperation mit Sony hat uns auch im Consumer-Bereich deutlichen Aufwind gegeben. COLOR FOTO: Steht das Gesamtunternehmen hinter dem Bereich Foto? Coenen: Den Bereich Foto wird es auch künftig geben, als Geschäftsbereich Fotoobjektive. Ein großer Teil der Markenbekanntheit von Zeiss geht über die Fotografie und ihre lange Tradition. Die großen Bereiche bei Zeiss Halbleiterund Medizintechnik, industrielle Messtechnik, Brillengeschäft und Mikroskopie - sichern den Fortbestand des Unternehmens. Daneben ist Foto ein Zwerg, jedoch mit einem festen Platz im Produktportfolio. An den über drei Milliarden Mark Umsatz der Zeiss-Gruppe insgesamt haben wir natürlich keinen großen Anteil. Carl Zeiss war schon immer an vorderster Front der Technologieentwicklung in vielen Bereichen, insbesondere der Optik, tätig. Dies ist die Grundlage für viele erfolgreiche Geschäfte, die sich heute auch in positiven Geschäftszahlen niederschlagen. Zusätzlichen Optimismus ziehen wir aus einer erst kürzlich in den USA präsentierten Studie mit dem Titel „Harnessing Light", die das kommende Jahrhundert als das Jahrhundert des Photons bezeichnet. Optik als „Enabling Technology" wird wachsende Bedeutung erhalten. COLOR FOTO: Welche Produkte steigern das Wachstum? Coenen: Digitalkameras. Nicht zu unterschätzen ist das Autofokus-Mittelformat mit Contax, weil Autofokustrends die Mittelformat-Wachstumsimpulse anheizen werden. COLOR FOTO: Wer entscheidet, ob ein neues Objektiv eingeführt wird? Coenen: Unsere Partner Hasselblad, Kyocera, Rollei, Sony und ARRI jeweils gemeinsam mit uns. Es ist aber auch schon vorgekommen, dass unser jeweiliger Partner erst gar nicht wollte. Dann haben wir das Objektiv einfach entwickelt und gesagt: „Da hast du, nimm doch." COLOR FOTO: Woher kommen innovative Ideen? Coenen: Unser Werks-Fotograf kommt regelmäßig mit Vorschlägen, was er gerne noch hätte. Unser Marketingleiter Kornelius Fleischer, ein begeisterter Hobby-Fotograf, bringt ganze Wunschlisten, die sich beispielsweise im Telephoto Power Pack wieder finden. Um vorne zu sein, muss man natürlich auch die innovativen Akzente setzen. Planar, Tessar waren bahnbrechende Geschichten. Es wird Zeit, dass wieder so was Bahnbrechendes kommt! COLOR FOTO: Zeiss investierte 1996/ 97 zehn Millionen Mark in die Produktentwicklung. Sie verdoppelten Ihre Entwicklungsmannschaft für Foto-Objektive. Was hat das gebracht? Coenen: Wir steigerten uns beim Objektivbau von 100 000 auf 300 000 Stück pro Jahr. Nur beim Telephoto Power Pack hängen wir heute noch deutlich hinter dem her, was der Markt aufnehmen könnte. Insgesamt arbeiten 300400 Mitarbeiter dem Bereich Foto zu. Produktentwicklung, Finishing, Qualitätssicherung, Marketing umfasste für den Bereich Foto bei Zeiss vor drei Jahren 70 Leute. Den Entwicklungsbereich haben wir 1997 verdoppelt und seit 1998 weitere acht Leute dafür eingestellt. Beim optischen Design kamen zehn Leute hinzu. Ein harter Kern, der Innovationen vorantreibt, besteht zur Zeit aus rund 100 Mitarbeitern. COLOR FOTO: Warum bereitet der Industrie die Logistik ums Bauen von Spezial-Objektiven solche Probleme? Coenen: Objektive bauen ist nun mal kein Brezel-Backen. Es steckt sehr viel Detail-Know-how drin. Die Entwicklung des um 140xGRADx vertikal schwenkbaren Vario-Sonnar Objektivs für die neue Sony-DSC-F505 Digitalkamera brauchte etwa acht Monate. Bei Abstimmungsprozessen, die darum kreise welche Bestandteile zusammensortiert werden können, um Zeiss-Qualität zu erreichen, kommen wir häufig an die Grenzen des technisch Machbaren. Beispielsweise verarbeiten wir bei der Linsenfertigung 200 verschiedene Glasqualitäten, die wir als Presslinge gutteils vom Zeiss-Stiftungsunternehmen Schott-Glas bekommen. COLOR FOTO: Wo wird Zeiss mit dem Bereich Foto im Jahr 2010 stehen? Coenen: Mit ein bisschen Glück und den nötigen Ressourcen wollen wir - der Zwerg unter den Global-Giganten -Marktführer in allen Segmenten hochwertiger Objektive sein. Das wäre eine sinnvolle Fortsetzung des eingeschlagenen Weges. Wir werden uns auf Objektive konzentrieren und Systemkompetenz in der gesamten Abbildungskette haben. COLOR FOTO: Wie ist Ihr gegenwärtiger Stand unter den Wettbewerbern? Coenen: Canon schaue ich mir ganz genau an. Deren Entwicklungsbudget liegt mit Sicherheit um einige Faktoren über dem, was ich an Umsatz mache. Wobei Canon vor allem durch geringpreisige Objektive im Bereich Foto groß ist. In allen Segmenten, wo hochqualitative Objektive einen Sinn machen -und da überall muss sich Zeiss auch tummeln - bleibt dann also der Marktführeranspruch von Zeiss. COLOR FOTO: Trotz Ihrer konstanten Forderung, sich nicht mehr am technisch Machbaren, sondern an den Anforderungen des Marktes zu orientieren, bleibt für Zeiss der hochwertige Qualitätsanspruch fest zementiert? Coenen: Ja. Wir haben uns aber mit Preis und Leistung in einer extremen Nische bewegt, die wir auf jeden Fall aufweichen werden. Wir werden mit Sicherheit auch ein bisschen in die Niedrigpreis-Segmente zielen. Wo wir denken, dass wir leistungsmäßig nicht mehr druntergehen sollten, werden wir aufhören. Am Wühltisch bei Aldi werden Sie unsere Produkte nie finden! COLOR FOTO: Was bringt der Name Zeiss für Sony auf seinen Produkten? Coenen: Es lässt sich sehr viel einfacher kommunizieren, wenn man sagt, da ist eine Zeiss-Optik drauf, als wenn man seitenlang schreiben muss, dass das Objektiv gut ist. COLOR FOTO: Wer hat den japanischen Elektrogiganten und den Optikspezialisten aus Oberkochen vereint? Coenen: Sony sprach uns an. Die ersten Gespräche verliefen ganz konspirativ, in japanischen Hotelzimmern, damit kein Mitbewerber von derartigen Produkt-Kooperationsplänen in dieser frühen Phase etwas mitbekäme. Das erste gemeinsame Produkt war ein Flop, weil es mit 4000 Mark als analoge Laufbild-Kamera, die endlich einmal die Amateure direkt ansprach, im Preissegment zu hoch lag. COLOR FOTO: Um Schwachstellen in der Abbildungskette auszuschließen, wollte Zeiss erst bei der Schall-Grenze von zwei Millionen Pixel aufwärts in die Digitalfotografie einsteigen. Coenen: Zu der Zeit, als wir in den Hotelzimmern konspirierten, lag die Bildauflösung bei 800 000 Pixel. Wir legten die zwei Millionen Pixel als Startsignal fest, weil es da für den Normalanwender fast keine Situation mehr gibt, wo er die Bildqualität als unterlegen gegenüber analoger Aufnahmetechnik ansehen würde. COLOR FOTO: Hört man sich auf der Straße um, verbindet fast jeder Gutes mit dem Namen Zeiss, ohne viel über das Unternehmen sagen zu können. Coenen: Die Leute verbinden die Carl-Zeiss-Gruppe in erster Linie mit dem Mythos, den sie aber von der Technologie und den konkreten Produkten abschneiden. Nach einer schwierigen Phase Mitte der neunziger Jahre arbeiten heute die Unternehmensbereiche zunehmend wieder profitabel, allen voran der Bereich Halbleitertechnik. Wir haben trotzdem noch eine ganze Menge an Hausaufgaben zu machen. COLOR FOTO: Auch im Bereich Foto? Coenen: Ich bin mit meinen Abläufen, was die technologischen Entwicklungszeiten und die Herstellung betrifft, bei weitem noch nicht zufrieden. COLOR FOTO: Sind billigere Objektive aus dem Hause Zeiss in Sicht? Coenen: Bei neuen Linien müssen wir niedrigere Preise von vornherein mit in die Planung einbeziehen. COLOR FOTO: Wann wird Zeiss aus dem analogen Markt aussteigen? Coenen: Wir werden auf keinen Fall aus dem analogen Markt aussteigen. Wenn es um extreme Ansprüche an die Bildqualität geht, kommt man in absehbarer Zukunft nicht an der filmbasierten Fotoindustrie vorbei. Auch wenn ich liebend gerne voll auf die digitale Industrie gehen würde. Ich bin absolut davon überzeugt, dass es den filmbasierten Teil der Fotografie immer geben wird. Annnegret Kempf in Color Foto 1/2000 {ewl Thnhlp32.dll,THIN,SKIN.LZH;STEIMERM.BMP}