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Kommentar
Rollei und das P-Syndrom
Wieder einmal ein Retter für Rollei?
Sie werden die Meldung der Norddeutschen Landesbank kurz nach dem Aschermittwoch schon in der Tagespresse gelesen haben: die Nord/LB und Hannsheinz Porst (Photo-Porst) haben sich darüber verständigt, daß Porst unter dem Namen "Deutsche Foto Holding GmbH" ein Konsortium aus deutschen Unternehmen zusammenstellt mit dem Ziel, die Position Rolleis und der deutschen Fotoindustrie im internationalen Wettbewerb zu stärken.
Das heißt, daß diese GmbH. die Beteiligung der Nord/LB vollständig übernimmt und damit natürlich auch die Verantwortung für die gesamte Rollei-Gruppe.
Die Entscheidung der Landesbank ist verständlich, wenn man bedenkt, daß die Bank bei Rollei bisher schätzungsweise runde 600 Millionen zugebuttert hat.
Weiten Kreisen unverständlich ist aber, daß man als Rolleis Retter ausgerechnet Hannsheinz Porst auserkoren hat. Diese schillernde Figur in der deutschen Fotobranche - er wird gelegentlich auch als "Marxist unter den deutschen Unternehmern" bezeichnet -hat bisher eigentlich reichlich wenig bewiesen, daß er die Befähigung hat, so eine Verantwortung zu übernehmen. Erinnern wir uns nur an sein eigenes Führungsmodell in seinem Schwabacher Unternehmen, wo es in den letzten Jahren immer mal wieder Streit gab. Der 57jährige ist mittlerweile aus der Porst-Geschäftsführung ausgeschieden, hat aber noch 1/3 des Kapitals. Das heißt, er hat Zeit und Geld für neue Aufgaben.
Porst soll als Privatmann 40% der Anteile übernehmen, für weitere 40% der Holding werden noch Käufer gesucht. Die restlichen 20% hält Ex-Agfa-Direktor Dr. Otto Stemme. Vorsitzender der Holding wird der Banker Wehling von der Nord/LB.
Man weiß schon lange, daß die Bank das Unternehmen Rollei dringend abstoßen will. Es mutet aber fast wie eine Torschlußpanik an, daß man nun ausgerechnet Porst als Schlüsselfigur zur Lösung des Rollei-Problems gefunden hat.
Rollei ist zur Zeit auf dem Weg über den Berg, man will heuer nur noch 20 Mill. rote Zahlen schreiben und demnächst sogar wieder Gewinn machen. Der Konzern steht international gut da. Das "Know-How-Center" in Braunschweig verfügt über 750 hochqualifizierte Mitarbeiter, im Fertigungswerk in Singapore produzieren 4700 Mitarbeiter und rund 300 Mitarbeiter sind in den weltweit angesiedelten Vertriebsorganisationen beschäftigt. Der Markenname Rollei hat auch im fernen Osten und in den USA einen guten Ruf und die neuen Produkte der jüngsten Zeit zeigen, daß man keineswegs den Anschluß verloren hat.
Rollei ist aus dem Koma, es geht mit diesem Problem-Patienten langsam aber beständig bergauf.
Verdienste für diese Gesundung hat sich in erster Linie Rollei-Geschäftsführer Horst Schiller erworben, der bewiesen hat, daß er die doch etwas problematische Firmengruppe mit gutem Gespür und sicherer Hand managen kann.
Schiller ist zum 31. 3. 81 aus dem Unternehmen ausgeschieden.
Propheten und Retter gab es in der bewegten Firmengeschichte der letzten zwei Jahrzehnte schon einige: Heinrich Peesel wurde von der Nord/ LB ebenso in die Wüste geschickt wie Peter Peperzak. Ist es ein Omen, daß der Name des jüngsten "Retters" auch mit einem "P" beginnt? Es bleibt uns nur die Hoffnung, daß sich bei den noch zur Disposition stehenden 40% der Anteile einige fähige Köpfe finden, die diesem traditionsreichen deutschen Unternehmen Gutes antun werden.
Herbert Sittenauer in Color Foto 5/1981
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