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Kameras Test Interview Furchtlos in die digitale Zukunft ColorFoTo sprach mit Hanns-Peter Cohn, Vorstandsvorsitzender Leica Camera AG Solms ColorFoTo: Wie sieht die Firmenphilosophie von Leica im digitalen Zeitalter aus? Hanns-Peter Cohn: Den 1999 formulierten Zielen sind wir mit den strategischen Vereinbarungen mit Matsushita und Hermes ein ganzes Stück näher gekommen. Auf der Technologieseite bedeutet das den vorsichtigen Eintritt in die digitale Welt. Die Betonung liegt hierbei auf Vorsicht, weil Leica auch weiterhin seine Grundattribute pflegen muss wie Qualität, Präzision und Solidität. Es kann nicht die Rede davon sein, dass wir jetzt unser Heil in der Digitaltechnologie suchen. Wo wollen Sie die Digilux 1 als erstes Produkt der Zusammenarbeit mit Panasonic im Markt positionieren, und welchen Umsatzanteil peilen Sie an? Wir wollen im Spitzensegment des Kompaktkamerabereiches dabei sein. Im Mittelpunkt steht dabei immer das bestmögliche Bild. In der engen Zusammenarbeit mit Panasonic wird es sicher auch noch einige Überraschungen auf der Objektivseite geben. Für das erste Jahr haben wir uns das Ziel gesetzt, rund 16 Prozent des Umsatzes im digitalen Bereich zu erwirtschaften, der ist aber durchaus noch steigerbar. Was macht denn die Digilux 1 zu einer echten Leica? Wir haben ganz bestimmte Vorstellungen vom Bild, sowohl was die Schärfe als auch was die Farben betrifft. Hier kommt es bei einer digitalen Kamera natürlich besonders auf die Abstimmung zwischen Optik, Sensortechnik und Software an. Diese Abstimmung ist in unserer Kamera eine andere als in der Panasonic. Beim Design wollten wir erreichen, dass das Produkt nicht auf den ersten Blick aussieht wie eine Digitalkamera, sondern eher wie eine konventionelle Kleinbildkamera. Außerdem haben wir die Bedienerführung so einfach wie möglich gestaltet. Ihr zweiter strategischer Partner ist der Luxusartikler Hermes, der sich bei Leica eingekauft hat. Zeitigt diese Zusammenarbeit schon konkrete Ergebnisse? Wir denken über gemeinsame Produkte oder Spezialausführungen im Fernglas- oder Kamerabereich nach. Das konnten zum Beispiel Taschen oder Trageriemen sein. Hermes berät uns auch dabei, unsere Marke bei neuen Zielgruppen bekannter zu machen. Wir müssen durch Produkte und Kommunikation unsere Bedeutung verbreitern. Deswegen sind wir auch sehr früh und stark ins Internet gegangen. Im letzten Monat hatten wir erstmals 200 000 Seitenaufrufe zu verzeichnen. Welche neuen Zielgruppen will Leica denn besonders ansprechen? Wir müssen zunächst mal in den bestehenden Zielgruppen präsent sein und mit interessanten Neuigkeiten und Weiterentwicklungen die bestehenden Produktlinien unterstützen. Wir zielen aber auch auf neue Kundengruppen, die erstklassige Produkte mit hoher emotionaler Bedeutung suchen. Das sind nicht nur klassische Eliten sondern auch neue Trendgruppen, wie zum Beispiel „Bobos". Dies steht für „bourgeois-bohemiens" und meint die Verbindung von Kaufkraft und der Suche nach echten Werten. Mit der Leica M7 wollen wir ihnen den Einstieg in das M-System erleichtern, weil sie Purismus mit etwas mehr Komfort verbindet. Sehen Sie die M7 mit den Neuerungen Zeitautomatik und High-Speed-Blitz jetzt also fit für das digitale Jahrtausend? Wir sehen die M in einem ähnlichen Segment wie die hochwertigen Schweizer Uhren. Der heutige Trend in Richtung Digitalisierung zieht in unseren Augen eben auch ein gegenteiliges Bedürfnis nach solider, traditioneller Technik und Werterhalt nach sich. In dieser Nische werden wir die M6 und die M7 weiterhin pflegen. Seitdem wir ein klares, positives Statement zur M abgegeben haben, verzeichnen wir jährlich zweistellige Umsatzsteigerungen im M-Segment; das zeigt doch, dass das System im Trend liegt. Ich persönlich habe eine emotionale Beziehung zu der Kamera, gerade weil sie mich beim Fotografieren persönlich fordert. Was tut sich beim Thema Spiegelreflex, also dem Leica-R-System? Wir sind konsequent mit der M gewachsen, die SLR-Seite ist auch bei uns rückläufig, das muss man so offen sagen. Das liegt zum einen an unserer bewussten Entscheidung, keinen Autofokus anzubieten, zum anderen an dem Trend im Spiegelreflexbereich hin zum Digitalen. Das letztlich herausragende Argument bleiben unsere Objektive. Wir gehen diesen Weg konsequent weiter, zwei neue Objektive haben wir gerade vorgestellt, das 21-35 mm und das 15 mm, zur photokina werden wir das nächste vorstellen. Wir bekennen also auch beim R-System Farbe und machen da weiter. Hätten Sie persönlich 1999, als Sie mit der Restrukturierung anfingen, damit gerechnet, mit dem Unternehmen schneller in ruhiges Fahrwasser zu kommen? Ja, davon war ich eigentlich überzeugt, weil ich nicht mit einem derartigen konjunkturellen Einbruch rechnen konnte. Die gesamte Branche hatte im letzten Jahr Umsatzeinbußen zu verzeichnen. Das auf fünf Jahre ausgelegte Restrukturierungsprogramm ist aber in keiner Weise berührt von den Umsatzausfällen. Durch unsere Produktoffensive hoffe ich diese Ausfälle kompensieren zu können, schon durch automatischen Umsatzzuwachs. Sind Sie selbst glücklich mit der Börsennotierung von Leica als AG? Ein Unternehmen der Große der Leica tut sich sicher schwer als Aktiengesellschaft, weil die Erwartungshaltung der Öffentlichkeit immer viel großer ist als das, was wir wirklich leisten können. Das Unternehmen war Ende 1998 total ausgezehrt; wir haben jetzt in drei Jahren 25 Millionen Euro Kredite zurückgeführt. Die Investitionssummen, die da bleiben, reichen bei weitem nicht aus, um auch nur einen Teil unserer Ideen umzusetzen. Aus heutiger Sicht hätten wir es als anonyme GmbH wesentlich leichter als eine Aktiengesellschaft. Aber wir haben hier in Solms nie Geld gekannt, und Angst schon gar nicht. Anonym in Color Foto 6/2002 {ewl Thnhlp32.dll,THIN,SKIN.LZH;STEIMERM.BMP}