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Objektive Test Alt gegen neu Aktuelle Objektive - besser als die früheren? Wie gut sind die heutigen Optiken im Vergleich zu Objektivrechnungen von vor 30 Jahren? Hat sich die optische Leistung verbessert? Wir vergleichen alte und neue Nikon-Objektive. Jeden Monat erscheinen neue Objektive: leichter, preiswerter, mit größerem Brennweitenbereich und eventuell lichtstärker. Doch zeichnen die neuen Optiken deswegen auch schärfer als Rechnungen von vor 20 oder 30 Jahren? Um diese Frage zu klären, vergleichen wir fünf Nikon-Objektive aus den siebziger und achtziger Jahren mit aktuellen Optiken. Die Wahl fiel auf Nikon, da Nikon seit Jahren denselben Objektivanschluss (F-Bajonett) verwendet und die alten Objektive auch für Besitzer neuer Kameras interessant sind. In den letzten Jahrzehnten haben die Objektivrechner ihre Entwicklungsschwerpunkte verschoben. So spielten früher Festbrennweiten die größte Rolle, heute werden Zooms bevorzugt. Hinzu kommt ein stärkeres Interesse für extreme Weitwinkelbrennweiten. Um dennoch einen repräsentativen Vergleich zu ermöglichen, wurden Festbrennweiten mit 28 mm, 50 mm, 135 mm und 180/200 mm sowie ein 2880-mm-Stan-dardzoom für den Test ausgewählt. 28-mm-Weitwinkel Nikon MF Nikkor 3,5/28 mm (Serienlaufzeit 1977-81) gegen Nikon AF Nikkor 2,8/28 mm D (aktuell). Unsere Prüfer attestieren beiden Objektiven eine ausgezeichnete Brillanzwiedergabe sowie gute Schärfe mit nur minimalen Qualitätsdifferenzen. In der Zentrierungsprüfung schneidet das ältere Objektiv etwas besser ab und sichert sich zwei Punkte Vorsprung, doch auch das neue ist gut zentriert. Die Verzeichnung ist bei beiden Objektiven deutlich tonnenförmig und beim Nikkor 2,8/28 mm etwas stärker ausgeprägt. Ebenso die Vignettierung. Allerdings ist das neue 2,8/28er auch um ca. eine halbe Blende lichtstärker als das alte 3,5/28er, so dass der geringe Unterschied gerechtfertigt ist. Fazit: In der Gesamtpunktzahl liegt das ältere, sehr gute Nikon 3,5/28 mm mit 80 Punkten deutlich vor dem aktuellen Nikon 2,8/28 mm (75 Punkte). 50-mm-Normalbrennweite Nikon MF Nikkor 1,4/50 mm (Serienlaufzeit 1972-74) gegen Nikon AF Nikkor 1,4/50 mm D (aktuell). Das AF 1,4/50 mm übertrifft das ältere MF 1,4/50 mm sehr deutlich in punkto Kontrast (3 Punkte) und die Auflösung bei offener Blende fällt ebenfalls etwas höher aus. Das sind aber auch schon alle Unterschiede. Aufgrund völlig identischer Verzeichnungs- und Vignettierungswerte sowie derselben Anzahl von Linsen und Gruppen könnte man vermuten, dass beiden Objektiven dieselbe Rechnung zugrunde liegt. Der Kontrastgewinn des AF 1,4/50 mm könnte mit einer Optimierung der Linsenvergütung und Mehrfachschichten erzielt worden sein. Die Schärfe ist bei beiden Objektiven insgesamt befriedigend. Sie sollte aber durch Schließen der Blende um zwei Stufen gesteigert werden. Außerdem führt leichtes Abblenden auch zur Beseitigung der Vignettierung, die bei offener Blende und kritischen Motiven sichtbar wird. Probleme bezüglich der gering tonnenförmigen Verzeichnung sind nicht zu erwarten. Die Zentrierung ist hervorragend (MF 1,4/50 mm) bzw. sehr gut (AF 1,4/50 mm). Fazit: Insgesamt schlägt das neue 1,4/50er mit 76 Punkten das ältere mit 74 Punkten nur knapp. 135-mm-Teleobjektiv Nikon MF Nikkor 2,8/135 mm (Serienlaufzeit 1965-74) gegen Nikon AF Nikkor 2/135 mm D DC (aktuell) Das alte Nikkor MF 2,8/135 mm überzeugt durch hervorragenden Kontrast sowie völlige Verzeichnungsfreiheit und weist praktisch keine Vignettierung auf. Die Schärfe ist insgesamt gut, wobei Abblenden die Auflösung erheblich verbessert und daher anzuraten ist. Die Zentrierung ist in Ordnung. Der Kontrast des 2/135 mm liegt auf hohem Niveau und nimmt beim Abblenden noch leicht zu. Die Schärferesultate sind gut. Durch Abblenden wird die Wiedergabe feiner Strukturen erheblich verbessert. Auch das Nikkor 2/135 mm D DC arbeitet absolut verzeichnungsfrei und vignettiert praktisch kaum, die Zentrierung ist nur mäßig. Beim Vergleich der Objektive muss man beachten, dass das AF Nikkor 2/135 mm D DC um eine Blende lichtstärker ist und zudem noch ein besonderes Ausstattungsmerkmal besitzt, die „Defocus Image Control", zu Deutsch Unschärfensteuerung. Diese Funktion gestattet die gezielte Einführung sphärischer Aberration (Öffnungsfehler) im Vorder- oder Hintergrund, was besonders von Porträtfotografen gern zum Weichzeichnen eingesetzt wird. Fazit: Im Gesamtergebnis erreicht das alte Nikkor 2,8/135 mm 81 Punkte und übertrifft somit das neue Nikkor 2/135 mm D DC um sechs Punkte. 180-mm/200 mm-Teles Nikon MF Nikkor 4/200 mm (Serienlaufzeit 1966-73) gegen Nikon AF Nikkor 2,8/180 mm D IF ED (aktuell) Das sehr einfach aufgebaute und im Vergleich eine Blende lichtschwächere MF Nikkor 4/200 mm (77 Punkte) liefert hervorragenden Kontrast und gute Schärfe bis in die Bildecken. Abblenden hebt die Leistung in der Bildmitte geringfügig an. Die Zentrierung könnte besser sein. Nichts auszusetzen ist dagegen bei der Verzeichnung, und auch die geringe Vignettierung bereitet in der Praxis keine Probleme. Noch besser schneidet das AF Nikkor 2,8/180 mm D IF ED mit ausgezeichneter Brillanz und sehr guter Schärfe ab. Schon bei offener Blende liegt die Schärfe des neuen 2,8/180 mm auf höherem Niveau als beim alten Nikon MF 4/200 mm bei Blende B. Obwohl das 2,8/180er um eine Blende lichtstärker ist, sammelt es in den Disziplinen Schärfe und Kontrast vier Punkte Vorsprung. Auch in der Zentrierungsbewertung erzielt es fünf Punkte mehr. Die Verzeichnung fällt leicht kissenförmig aus und die Vignettierung ist so gering, dass sie in der praktischen Fotografie nicht stört. Im 200er-Telebereich hat Nikon die Abbildungsqualität, unter anderem durch den Einsatz von ED-Glas (Glas mit anomaler Teildispersion), in den letzten Jahren erheblich gesteigert. Fazit: Mit einem Testergebnis von 85 Punkten holt das Nikon Spitzenobjektiv 2,8/180 mm einen Vorsprung von acht Punkten auf das ältere 4,0/200 mm heraus. 28-80/85-mmStandardzooms Nikon MF Zoom Nikkor 3,5-4,5/ 28-85 mm (Serienlaufzeit ab 1986) gegen Nikon AF Zoom Nikkor 3,3-5,6/28-80 mm G (aktuell) Gegenüber dem knapp zwanzig Jahre älteren MF Zoom 3,5-4,5/2885 mm schneidet das aktuelle AF Zoom 3,3-5,6/28-80 mm G um insgesamt neun Punkte besser ab. Vier Punkte Vorsprung resultieren allein aus der besseren Zentrierung. Im Vergleich zum älteren Zoom, bei dem sehr früh starker Randabfall einsetzt, verfügt das G-Nikkor bei 28 mm und 50 mm Brennweite über eine sehr viel höhere Auflösung im Bildfeld und eine erheblich bessere Brillanz im mittleren Brennweitenbereich. Insbesondere bei offener Blende wird dieser Leistungsunterschied sehr deutlich sichtbar. Durch den Einsatz einer asphärischen Linse konnte unter anderem auch die Verzeichnung des neuen 3,3-5,6/28-80 mm G verringert werden. Bei mittlerer und langer Brennweite tritt praktisch keine Verzeichnung mehr auf - im Gegensatz zum alten Zoom. Bei kurzer Brennweite verzeichnen beide Objektive extrem tonnenförmig. Die Vignettierung ist beim neuen 28-80-mm-Zoom ebenfalls geringer und bereitet in der Praxis keinerlei Probleme mehr. Das 3,3-5,6/28-80 mm G-Nikkor besitzt keinen Blendenring, die Blendeneinstellung muss also kameraseitig erfolgen. Nachteil ist, dass es daher für ältere Spiegelreflexkameras nicht kompatibel ist, Vorteil sind die Kosten- und Gewichtseinsparungen. Fazit: Den wohl deutlichsten Entwicklungsfortschritt bezüglich der optischen Leistung erzielte Nikon in unserem Test mit dem AF Zoom Nikkor 3,3-5,6/28-80 mm G, das 80 Punkte erreicht hat. Fazit Gabi Nellessen, Dipl.-Foto-Ing. Das Neueste muss nicht immer das Beste sein. Zum Teil liegen die alten Objektive gleich auf oder sogar vor den neuen Rechnungen - sind allerdings etwas lichtschwächer. Lediglich die lange Telebrennweite 180 mm und das Zoom liefern eine deutlich bessere Abbildungsqualität als die älteren Testkandidaten. Offensichtlich wurden viele „Standardobjektive" zwar optimiert, aber nicht komplett neu gerechnet. Wer eine aktuelle Rechnung kauft, kann gravierende Qualitätsverbesserungen eher im Ultraweitwinkel- und Zoombereich sowie bei Profiobjektiven erwarten. Größere Veränderungen gab es dagegen bei allen Objektiven im Bereich der Mechanik und durch die Einführung elektronischer Komponenten vom Mikrocomputer zur Signalübertragung, über den Autofokus bis zur Vibrationsreduzierung. Das Interview zum Thema ColorFoTo im Gespräch mit Haruo Sato, Development Management Department, Imaging Company, Nikon Cooperation ColorFoTo: Was hat sich bei Nikon in der Objektiv-Entwicklung in den letzten 30 Jahren getan? Nikon: Von 1970 bis in die 1990er konzentrierte sich Nikons Optikentwicklung ganz darauf, das „perfekte" Objektiv zu entwickeln. Entscheidend war die Einführung automatischer Optimierungsmethoden, computergestützter Bildauswertungsverfahren und schnellerer Rechner, die auch komplexe Objektiv-Simulationen ermöglichten. Besonders augenscheinlich werden diese dramatischen Verbesserungen bei der Entwicklung von Ultra-Weitwinkelzooms und „Multi group "Zoomobjektiven, bei Zooms mit Innenfokussierung sowie der Asphärentechnologie. Auch in der Konstruktionstechnologie gab es große Fortschritte durch CAD (Computer Aided Design) und die Einführung von Festigkeits-, Schwingungs- und Strömungsberechnungen. Das erlaubt, Form und Größe von Komponenten zu optimieren, was zu kleineren und leichteren Objektiven beiträgt. Ein weiterer Faktor waren neue Verfahren zur Herstellung von Asphären und deren Massenproduktion sowie die Einführung der Mehrschichten-Vergütung. Darüber hinaus gab es bei den Nikon-Objektiven wesentliche Änderungen, die deren Funktionalität betreffen. Verbesserte Signalübertragung und Blendensteuerung ermöglichten automatische Belichtungssteuerungen über die Kamera (AI-S, Al). Mit der Einführung des Autofokus entwickelte Nikon Objektive mit mechanischer AF-Kupplung (Steuerung durch einen Motor im Kameragehäuse) sowie später AF-I- und AF-S-Objektive mit eingebautem Silent-Wave-Motor oder VR-Objektive mit Bildstabilisator. ColorFoTo: Was hat sich bei den Materialien und Fertigungstechnologien geändert? Nikon: 1968 brachte Nikon das erste Fotoobjektiv mit asphärischer Linse auf den Markt. 1972 kam dann das von Nikon entwickelte ED-Glas mit anomaler Teildispersion im Nikkor 2,8/300 mm ED erstmalig zum Einsatz. Allerdings war die technische Realisierung von Asphären, ED-Gläsern und Mehrfachschichten vor 30 Jahren noch mit erheblichen Schwierigkeiten und einem extrem hohen Kostenaufwand verbunden. Heute, 30 Jahre später, werden all diese Technologien selbst in preisgünstigen Produkten eingesetzt. Nikon verwendet drei verschiedene asphärische Linsen. Die teuerste, aber qualitativ hochwertigste Variante sind geschliffene asphärische Linsen. Sie sind in hochlichtstarken Weitwinkelobjektiven wie dem AF Nikkor 1,4/28 mm D oder dem AF Zoom-Nikkor 2,8/20-35 mm D enthalten. Asphärische Verbundlinsen bestehen aus einer auf einen Glaskörper aufgetragenen gepressten Kunststoffschicht (hybrid Aspherical). Sie können sehr preisgünstig hergestellt werden und finden in Standard-Zoom-Nikkoren Verwendung. Gepresste asphärische Linsen entstehen durch Pressen eines bestimmten optischen Glases in speziellen Metallformen. Sie werden in AF-Nikkore wie dem 2,8/18 mm D, dem 3,5-5,6/24-120 mm D und dem 3,5-5,6/28-200 mm D verwendet. ColorFoTo: Ist die Abbildungsqualität heutiger Objektive generell besser als bei den älteren? Nikon: Bei Nikon gibt es einige Objektivtypen, die immer noch auf denselben optischen Rechnungsdaten basieren wie bei ihrer Markteinführung und die immer noch gut verkauft werden. Die grundlegende Bildfehlerkorrektur wurde bei diesen Objektiven nicht modifiziert. Wie aber schon erwähnt, wurde die Vergütung bei allen Objektiven optimiert. Nikons exklusive Mehrschichten-Vergütung reduziert Streulicht sowie Blendenreflexe und vermindert Überstrahlungen, was für schärfere Bilder sorgt. Dies wirkt sich besonders bei viellinsigen Systemen, wie Zooms aus. Zu der Reihe kompletter Neurechnungen zählen lichtstarke Objektive, Weitwinkelobjektive und Zooms, die im Vergleich zu ihren Vorgängern eine wesentlich bessere Farbwiedergabe und Bildqualität bieten. ColorFoTo: Wie sieht es im Vergleich mit der mechanischen Qualität aus? Nikon: Früher bestand der Objektivtubus aus gefrästem oder gedrehtem Messing, dann aus Aluminiumlegierungen, später wurde er aus Aluminium oder anderen Metalllegierungen im Spritzgussverfahren hergestellt und schließlich aus hochwertigem gepresstem Kunststoff gefertigt. Die gravierendste Veränderung war der Übergang zu Kunststoff, welcher bei geringerem Gewicht eine ähnliche Festigkeit wie Metall bietet. Kürzlich wurde bei großen Objektiven eine starke Gewichtsreduzierung durch den Einsatz von Magnesiumlegierungen erreicht. Ebenso führen die kontinuierlichen Optimierungen der in den Objektiven verwendeten Fette, Kleber und ähnlichen Materialien zu Verbesserungen der Haltbarkeit, Temperatureigenschaften und Bedienbarkeit der Objektive. ColorFoTo: Was hat sich konkret bei unseren Testkandidaten bezüglich der Abbildungsfehler getan? Nikon: Wir möchten hier keine expliziten Bildfehlerdaten der einzelnen Objektive präsentieren. Ohne ein gründliches Verständnis des Lesers für die verschiedenen Fehlertypen wie Seidelsche Bildfehler und chromatische Fehler ist es unmöglich, den Einfluss auf die Bildqualität und die Wiedergabe korrekt abzuschätzen. Es wäre möglich, dass der Leser falsche Schlüsse zieht. ColorFoTo: Wo sind in Zukunft noch Fortschritte denkbar? Nikon: Wir sind ständig bemüht, die aktuelle Anwendungssituation nachzuvollziehen und Produktkonzepte aus Kundensicht zu formulieren. Gabi Nellessen in Color Foto 1/2003 {ewl Thnhlp32.dll,THIN,SKIN.LZH;STEIMERM.BMP}