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Alexander Borell und die photokina
Köln Köln -nur du allein...
behauptest, eine Messestadt zu sein. Und tatsächlich werden in Kölns weit vom Ideal entfernten Hallen Messen um Messen abgehalten, jahraus - jahrein. Aber ebenso wenig, wie die Schillerstraße in München, durch die sich täglich Tausende von Autos quetschen müssen, dadurch zur Autobahn wird, ebenso wenig wird man durch Zurverfügungstellung von überdachtem Raum eine Messestadt. Zu einer Messestadt gehören nämlich nicht nur sinnvolle und ausstellungsfreundliche Räume, (die Köln nicht besitzt!) sondern ebenso nötig die Möglichkeit, Aussteller und Besucher zu beherbergen. Jedoch in Köln sind alle Zimmer schon heute für die nächste photokina 1976 ausgebucht. Selbst in einem Umkreis von fünfzig Kilometern um den Kölner Dom ist es fast unmöglich, während einer wichtigen Messe ein Zimmer zu bekommen. Und wenn, dann zahlen Sie, lieber Fotofreund, für eine Schlafkabine ohne Kleiderschrank, in der Sie über Ihre Koffer stolpern, DM 25,- pro Nacht.
Ich hatte täglich gute sechzig Kilometer zur Messe und zurück zu fahren. Das sind, aufs Wohnen gerechnet, nochmal dreißig Mark pro Tag, so dass ich für eine Übernachtung in einer primitiven Koje rund DM 55,- hinblättern musste. Würden Sie aber in einem der großen Hotels in Messenähe nach einer Bleibe fragen, bekämen Sie noch eher ein Gastzimmer im Palais Schaumburg.
Die Stadt Köln baut zwar nirgendwo geeignete Hotels für den Messebetrieb, lebt aber trotzdem recht gut von ihren Messebesuchern.
Das haben auch die Parkwächter in der Nähe der Messehallen kapiert. Drückt man ihnen am ersten Tag einen Fünfziger in die Hand und sagt: „Schauen Sie mich an, schauen Sie meinen Wagen an - ich bekomme von jetzt an hier jeden Tag meinen Parkplatz!" - Dann ist er Ihnen sicher. Ohne diesen Fünfziger werden Sie kilometerweit bis zum nächsten Parkplatz geschickt.
Nun gut, solche Begleiterscheinungen treten von jeher immer da auf, wo sporadisch viele Menschen zusammenkommen: Schon 1414 - beim Konzil von Konstanz- regte sich ein Berichterstatter über die ungebührlichen Preiserhöhungen der Metzger, Herbergen und Huren auf.
Finden wir uns also damit ab und stecken uns für sieben Messetage in Köln ruhig soviel Geld ein, wie wir für vierzehn Urlaubstage im Palace Hotel in St. Moritz verbrauchen würden. Das Überraschendste aber - und sicherlich einmalig in der Welt - sind Straßenmarkierungen und Autobahnen in und um Köln!
Beim ersten Versuch, nachts mein Hotel über die Autobahn zu erreichen, sauste ich wie ein Satellit dreimal um Köln, und als ich endlich glaubte, die richtige Ausfahrt gefunden zu haben, steuerte ich lediglich die gleiche Bahn auf Gegenkurs. Also:
Sie entdecken irgendwo in Köln ein blaues Schild. Auf dem steht lapidar: Autobahn. Die Kölner setzen dabei voraus, dass ein Mensch aus Texas, Sydney, Mba-Mba, Usorgst oder Bad Tölz genau weiß, um welche Autobahn es sich dabei handelt. Sie fahren also vertrauensvoll diesem Schild nach, weil Sie in der Schule gelernt haben, dass Köln am Rhein liegt und man somit vermutlich entweder nach Norden oder nach Süden fahren kann, wenn man die Autobahn erst einmal gefunden hat. Sie finden sie schließlich auch, aber keinerlei Bezeichnung ob Nord oder Süd, nicht einmal Hamburg oder Salzburg - nein, ehe Sie sich versehen, sind Sie unterwegs nach Frechen. Haben Sie vielleicht eine Ahnung, wer oder wo Frechen ist? Jedenfalls fahren Sie dorthin, denn von der Autobahn kommen Sie ja nicht mehr herunter, und da Sie nicht nach Frechen wollten, probieren Sie ein anderes Stück Autobahn aus. Aber auch das bringt Sie weder nach Frankfurt oder Essen - nein, Sie sind endlich in Porz! Das macht Sie besonders glücklich, wenn Sie z. B. nach Burscheid wollen und nicht wissen, dass Sie da nicht bei Leverkusen rausfahren dürfen, sondern erst am Leverkusener Kreuz.
Nächtelang sind meine Freunde und ich so um Köln gefahren, sahen hin und wieder verheißungsvoll angestrahlt den herrlichen Dom, um an seiner Lage festzustellen, dass wir in der falschen Richtung fuhren. Mein Versuch zu erfahren, wie viele Menschen durchschnittlich während einer Messe auf dem Kölner Autobahnnetz verhungern, schlug fehl: das wird geheim gehalten.
Aber ich kam in diesen durchfahrenen Nächten zu einer historischen Erkenntnis, die den Erkenntnissen Herrn von Dänikens sicher nicht nachsteht:
Durch Familienzwist und ein paar Morde waren die Nibelungen finanziell derartig geschwächt, dass ihr Bankier Alberich dazu riet, den Familienhort an der Juwelenbörse in Amsterdam zu verkaufen. Die Nibelungen waren bereit, das zu tun. Sie rüsteten einen Rheindampfer aus und fuhren stromab, was ihnen auch bis Köln keinerlei Schwierigkeiten machte. Dort aber gerieten sie in ein so verwirrendes System von Kanälen, dass sie jegliche Orientierung verloren, und die Einheimischen wussten auch nur, wie man nach Porz, Deutz oder Frechen kommen konnte, nicht aber wie nach Holland. Eines Tages gaben die Nibelungen ihre Versuche auf - zumal die Lebensmittel knapp waren und die Kölner nur zu zehnfachen Preisen liefern wollten - sie luden ihr Schiff auf einen Tieflader und zogen es über Felder und durch Wälder, bis sie es wieder ins Wasser lassen konnten. Zu spät bemerkten sie, dass sie sich nicht mehr auf dem Rhein befanden, sondern auf der Donau, und ihr schreckliches Ende durch die Hunnen ist ja bekannt.
Zurück zum Kölner Autobahnsystem: Es ist völlig ausgeschlossen, dass eine so gigantische Verwirrung von einigen wenigen verantwortlichen Männern ersonnen worden ist. Dazu waren Generationen nötig, viele Generationen - etwa seit der gelungenen Umleitung der Nibelungen.
(Es existiert, wie man mir sagte, ein striktes Verbot für Kölner Verkehrsexperten, in die Schweiz zu reisen. Denn dort könnten sie unversehens auf den absurden Gedanken kommen, ihre Straßen und Autobahnen ebenso deutlich für Fremde und Gäste zu beschildern, wie das die Eidgenossen seit Wilhelm Tell tun.)
Alexander Borell in Color Foto 12/1974
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