Artikeltext
Alexander Borell:
Warum ich nicht mehr teste:
Tests müssen objektiv, müssen unantastbare Messergebnisse zur Aussage haben. Alexander Borell wird auch künftig über Kameras, Objektive usw. seine kritischen Bemerkungen machen. Er und die Redaktion wollen diese Beiträge aber nicht als Test verstanden wissen. Deshalb werden ab sofort seine Artikel die Überschrift „Der Alexander-Borell-Kommentar" tragen. Lesen Sie selbst, wie er dazu steht! Red.
Wie Sie vielleicht wissen, bin ich von Beruf Schriftsteller. Ich glaube, man sollte nur aus Zorn schreiben, wenn man sich also über etwas ärgert: nur dann schreibt man produktiv, denn man will ja etwas besser machen helfen.
So schrieb ich auch, vor rund fünfzehn Jahren beginnend, böse und kritische Artikel unter dem Pseudonym „Nörgelmann" - ich musste meinen Zorn über vieles auf dem Gebiet der Fotografie loswerden.
Damals gab es bei uns schon „Tests" - in einer Autozeitschrift hauptsächlich. Und eines Tages schrieb ich auch „Tests" - über Fotokameras. Aber die anderen mit den Autos waren besser dran: man konnte das Drehmoment, den Benzinverbrauch bei bestimmter Leistung, die Geschwindigkeiten in den Gängen und die Höchstgeschwindigkeit sehr genau messen. Und weil mir das bei Kameras unmöglich schien, erklärte ich von Anfang an, meine Tests wären „subjektiv" - es könne gar keine objektiven Kamera- oder Fotogeräte-Tests geben.
Inzwischen ist viel Zeit vergangen, die Worte „Test" und „testen" haben eine Entwicklung durchgemacht, haben heute eine andere Bedeutung - ich aber habe mich nicht geändert. Und als ich im letzten Color von unserem Boss das Wort „subjektive Testberichte" las, war das für mich ein Schlag mit dem Holzhammer vors Hirn. Denn inzwischen kann man sehr wohl Kameras, Objektive und andere Fotogeräte objektiv testen: in gut ausgerüsteten und mit allen modernen Messgeräten versehenen Spezial-Labors, wie z. B. Color Foto-Journal eins zur Verfügung steht. Nur hier können objektive Tests durchgeführt werden. Meine Berichte hingegen, verbunden mit dem Wort „Test", wären eine Art von „gläsernen Holzpantoffeln".
Ich will aber subjektiv bleiben, wie ich es bisher war und nicht schlecht damit fuhr. Und deshalb werde ich künftig nicht mehr „testen", sondern meinen sehr persönlichen und absolut subjektiven „Kommentar" zu einer Kamera, zu Objektiven oder anderen Fotogeräten abgeben. Wer mir also von Seiten der Industrie oder der Importeure ein Gerät zur Verfügung stellt, muss meinen Kommentar akzeptieren.
Oder man schickt mir auf meine Bitte hin nichts, dann kann ich auch diese Tatsache als Kommentar veröffentlichen.
Alexander Borell in Color Foto 9/1975
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