Artikeltext
Fritz Meisnitzer
Foto-Professional
Positive Aussichten für Rollei und Voigtländer
Auf Grund der langen Vorbereitungszeit einer Zeitschrift ist nicht mehr ganz neu, was ich Ihnen zu berichten habe - trotzdem wird es Sie interessieren. Denn es geht um zwei Namen, die in der Fotografie Weltgeltung haben, um Rollei und Voigtländer. Und den Hintergrund, der dabei sehr zum Nachdenken anregt, bilden ein paar Zahlen aus der internationalen Fotowirtschaft, aus der Konkurrenzsituation zwischen unseren und japanischen Herstellern. „Auch heute sehen wir noch keinen Anlass, mit einem Triumphmarsch zu beginnen", leitete Peter C. J. Peperzak, der Vorsitzende der Rollei Geschäftsführung am 20. Mai das Pressegespräch ein, bei dem er einen Überblick über die Unternehmensentwicklung des Jahres 1975 gab. Er erinnerte damit an die geschäftlichen Schwierigkeiten, mit denen Rollei in den letzten Jahren zu kämpfen gehabt hatte. Auch das Ergebnis für 1975 weist rote Zahlen auf. Trotzdem konnte ein Umsatz von 180 Millionen DM und damit gegenüber dem Vorjahr eine 12%ige Umsatzsteigerung erzielt werden. Hatte das Rollei-Sanierungskonzept für das vergangene Jahr Verluste in Höhe von 90 bis 100 Millionen DM eingeplant, so konnte Peperzak nicht ohne Genugtuung feststellen, dass die tatsächlichen Verluste mit 89 Millionen nicht nur innerhalb der Planung geblieben waren, sondern ungefähr 25 Millionen enthielten, die für notwendig gewordene Bereinigungsmaßnahmen aus den Jahren 73/ 74 stammten und in der Planung gar nicht vorgesehen waren. Noch vor einem Jahr bangten die Mitarbeiter bei Rollei um ihre Stellungen. „Wir werden um jeden Arbeitsplatz kämpfen", versprach damals Peperzak. Er hat sein Versprechen gehalten, der Gesamtpersonalstand der Rollei-Unternehmensgruppe blieb um mehr als 1000 Mitarbeiter über dem Soll des Krisenplanes. Und: „Wir gehen davon aus, dass 1.600 Arbeitsplätze in Braunschweig und Uelzen und 4.400 Arbeitsplätze in Singapore auch in absehbarer Zeit als gesichert betrachtet werden können."
Bereits vor einem Jahr hatte Peperzak, damals erst wenige Wochen neuer Chef der Rollei-Gruppe, die Gründung neuer Vertriebsfirmen angekündigt, um dadurch die Marktaktivitäten des Unternehmens zu verstärken. Inzwischen haben die Rollei South East Asia und die Rollei Far East als gemeinsame Unternehmungen mit dem Handelshaus Jebsen und Jessen die Arbeit aufgenommen. Rollei of America Inc. wurde reorganisiert. Am 1. Juli 1976 eröffnete Rollei of Japan in Tokio die Büros, und am 1. August 1976 nahm Rollei Nederland B. V. den Vertrieb der Rollei Produkte in den Niederlanden auf. „Ich glaube, es wäre verfrüht, heute bereits behaupten zu wollen, dass Rollei damit die bestehenden Schwierigkeiten gemeistert hat. Aber es waren die unserer Meinung nach notwendigen Voraussetzungen für das Überleben dieses Unternehmens."
Bekanntlich ist Rollei auch Hersteller aller Produkte, die unter dem Namen Voigtländer angeboten werden. Die Neubelebung der Marke Voigtländer wurde bei uns mit einiger Zurückhaltung beobachtet. Dazu Peperzak heute: „Welche guten Zukunftschancen der Marke Voigtländer international gegeben werden, können Sie vielleicht daran ermessen, dass in den USA die wohl größte und erfolgreichste Foto-Importorganisation, Ehrenreich Photo Optical Industries (Epoi), sich für eine langjährige Zusammenarbeit mit Voigtländer entschieden hat.
Entsprechend ist die Palette neuer Produkte, die zum Teil bereits vorgestellt wurden, zum Teil voraussichtlich auf der kommenden photokina gezeigt werden. In Serienfertigung sind der Überblendprojektor Rollei P 3800, die KB Spiegelreflex Rollei SL 35 M und die erste vollelektronische 6 x 6-Kamera der Welt, die Rolleiflex SLX. Für die Rollei E 110, die Rollei SL 35 ME, die Voigtländer Kamera VSL 2 und Vito 110, so wie für das neue Rollei Vergrößerungsgeräte-Programm wird die Serienfertigung vorbereitet. Auf der photokina voraussichtlich erstmals gezeigt, werden eine von Rollei selbst entwickelte Super-8-Tonfilm-Kamera und zwei Kleinbild-Spiegelreflex-Kameras der gehobeneren Klasse, die Rollei SL 35 OE und die System-Kamera SL 2000.
Dies alles berechtigt zu realistischem Optimismus. Dabei verliert Peperzak keineswegs die Konkurrenz und die schwierige, internationale Marktlage aus dem Auge: „Die gewaltigen Anstrengungen Japans beziehen sich nicht nur auf den Bereich der Fotobranche, sondern ebenso auf den Bereich neuer Technologien. auf Elektronik, Informationstechnik, auf den Automobilbau und die Schwerindustrie. In welch atemberaubendem Tempo Japan seine Stellung im Weltfotomarkt ausgebaut hat, mögen vier Zahlen für den wohl größten Fotomarkt dieser Welt, nämlich die USA, verdeutlichen: 1963 betrugen die Importwerte für Fotoprodukte aus der Bundesrepublik Deutschland US $ 26,2 Mio. gegenüber Fotoimporten aus Japan in Höhe von US $ 24,5 Mio. In 1974 wurden für US $ 60,5 Mio. Fotoprodukte aus Deutschland importiert gegenüber US $ 313,3 Mio. aus Japan. In 10 Jahren erreichte die Bundesrepublik Deutschland also gerade etwas mehr als eine Verdoppelung der Fotoexporte, Japan jedoch erzielte den zwölffachen Wert. Diese Ergebnisse wurden nicht ermöglicht durch Billig-Produkte oder wie immer man auch sonst den japanischen Fortschritt verniedlichen möchte, sondern durch die wohl größten Investitionen, die - gemessen am Bruttosozialprodukt pro Kopf - jemals von einem Land dieser Welt gemacht wurden. Auch hier mögen einige Zahlen das Gesagte verdeutlichen: In den Jahren 1966 bis 1970 betrug die durchschnittliche, jährliche Investitionszuwachsrate in Japan jeweils 16,1%, in der BRD nur 4,8%. In den Jahren 1971 bis 1975 lauten die gleichen Zuwachszahlen für Japan plus 4,9% und die BRD minus 1,2%."
Aus dieser Lage zieht die Rollei-Geschäftsführung die erforderlichen Konsequenzen. Für das Jahr 1976 sind unter anderem Investitionen in Höhe von 28 Millionen DM vorgesehen, die neben der geplanten Fertigungsrationalisierung vor allem der Produkt-Neuentwicklung zu gute kommen sollen.
Peperzak: „Ich bin gerade von einer dreiwöchigen Ostasienreise zurückgekommen, und die rasanten Fortschritte der Industrieentwicklung Japans sind für uns Ansporn, unsere sicher erheblichen Anstrengungen des Jahres 1975 noch weiter zu forcieren. Damit sowohl Rollei als auch Voigtländer die Plätze auf dem Weltmarkt wieder einnehmen, die Ihnen dem Namen und der Tradition nach zustehen."
Bitte, vergleichen Sie in diesem Zusammenhang auch das Interview mit Peter C. J. Peperzak „Die Stunde der Wahrheit", das Color in seiner nächsten Ausgabe bringen wird.
Fritz Meisnitzer in Color Foto 8/1976
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