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Fritz Meisnitzer - Foto Professionell Rollei-Boss Peter C. J. Peperzak im Color Interview: Die Stunde der Wahrheit „Ich glaube, dass Rollei wie auch Voigtländer in der fotografischen und in der kinematografischen Branche ihr Wort mitsprechen können und auch mitsprechen werden. Das ist unser gewähltes Ziel, und ich glaube, wir sind auf dem besten Wege, es zu verwirklichen. Wir haben außergewöhnlich hart und außergewöhnlich intensiv gearbeitet. Ich glaube auch, dass wir alle außergewöhnlich gut zusammengearbeitet haben. Ich meine aber, dass wir uns davor hüten sollten, jetzt auch nur den Eindruck erwecken zu wollen, technisch unsere Konkurrenten eingeholt oder gar überrundet zu haben. Exzellent bauen können andere auch, das wissen wir und vergeben uns nichts dabei, wenn wir das auch einmal offen aussprechen. Uns geht es um etwas ganz anderes. Wir sind überzeugt, dass es eine Schande wäre, wenn Namen wie Rollei und Voigtländer verschwinden würden. Wir setzen alles daran, dem vorzubeugen. Und wir sind überzeugt, dass wir auf dem besten Weg sind, Erfolg damit zu haben. Für Rollei-Verhältnisse haben wir einen gewaltigen Schritt nach vorne getan - in unserer Technik, in unserer Entwicklung und auch in unserer Produktion, das steht fest. Im Vergleich zu unseren Wettbewerbern möchte ich trotzdem stärkstens und härtestens davor warnen, das zu einer Art Selbstüberschätzung führen zu lassen." Geradezu leidenschaftlich kamen diese Worte von Peter C. J. Peperzak auf die einfache Frage: „Wie geht's bei Rollei heute?" Ein Glaubensbekenntnis? Vielleicht. „Und wie wird es wirtschaftlich weitergehen, Herr Peperzak?" Peperzak: „Wie es weitergeht, ist bereits im Dezember 1974 von unseren Gesellschaftern bekannt gegeben worden. Wir sind mit unseren Aktivitäten, vor allem mit unseren Ergebnissen gut im Plan. Ich glaube sogar, dass wir mit unseren Aktivitäten erheblich besser im Plan sind, als unsere Bilanz wiedergibt. Aber ich glaube auch, dass die photokina 1976 für Rollei mehr oder weniger die Stunde der Wahrheit sein wird. Sie wird zeigen, ob nun alles, was wir uns vorgenommen haben, realisiert worden ist oder nicht. Davon wird abhängen, in wieweit wir 1977 schwarze Zahlen beziehungsweise ein ausgeglichenes Ergebnis vorlegen können." Color: „Dazu werden Ihre ausländischen Märkte wesentlich beitragen müssen. Besonders Ihre amerikanische Tochterfirma war immer ein Sorgenkind für Sie." Peperzak: „Das ist in der Tat so, ist jetzt aber erheblich weniger der Fall als früher. Sie wissen, dass ich mich Anfang 1975 sogar mit dem Gedanken befasst habe, Amerika ganz aufzugeben, weil ich meinte, dass es zuviel verlangt wäre, neben den anderen Sorgen, die wir in diesem Unternehmen haben, auch noch die Eroberung des amerikanischen Marktes in Angriff zu nehmen. Ich bedauere jetzt nicht, dass letzten Endes der Beschluss gefasst wurde, die Tochter am Leben zu lassen - ich bin recht zuversichtlich, dass auch sie 1976 ein zumindest annähernd ausgeglichenes Ergebnis vorzeigen kann." Color: „Wie funktioniert heute die Zusammenarbeit zwischen den Werken hier und denen in Singapore?" Peperzak: „Das eine kann nicht ohne das andere sein. Diese deutschen Fabriken - und darüber sollen wir uns wirklich klar sein - würden wir ohne unsere Werke in Singapore nicht mehr erfolgreich und wettbewerbsfähig halten können. Dafür sind die Lasten, die inzwischen in der Feinmechanik und der optischen Industrie entstanden sind, zu hoch. Dafür ist der Wettbewerb aus Ländern, wo diese Lasten aus vielerlei Gründen noch nicht dieselbe Höhe erreicht haben, viel zu groß. Der Schritt nach Singapore war also richtig. Die Größenordnung war falsch und vor allem die Zeitspanne, in der alles gemacht worden ist, überdreht. Im Hinblick auf die technische Zusammenarbeit zwischen Braunschweig und Singapore meine ich, dass unsere Leute, unsere deutschen Mitarbeiter und zum Teil unsere singaporischen Mitarbeiter chinesischer Herkunft in der Schulung und der Vermittlung technisch-optischen Knowhows eine unheimliche Leistung erbracht haben. Im Hinblick auf Produktentwicklung findet naturgemäß in Singapore nichts statt. Die Entwicklung ist in Deutschland, sie bleibt in Deutschland, eine Verlagerung halte ich nicht nur nicht für sinnvoll, ich halte sie auch nicht für möglich. Da Singapore heute durch Rollei über eine beträchtliche Anzahl an Industrie-Fachkräften verfügt, haben wir einen deutlichen Abbau an europäischen Fachkräften durchgeführt und sie durch lokale Fachkräfte ersetzt. An dieser Politik möchte ich festhalten." Color: „Die Rolleiflex SLX wird in Braunschweig gefertigt. Werden Sie alles, was hochpräzise Fertigung verlangt, in Deutschland produzieren?" Peperzak: „Es wäre falsch, wenn hier der Eindruck entstünde, als wären wir nur in Deutschland in der Lage, hochpräzise Instrumente zu bauen, und als wäre alles, was in Singapore gebaut wird, nicht präzise und daher irgendwie minderwertig. So können Sie das nicht sehen, und so ist es nicht. Die SLX ist eine Kamera, die hier in Deutschland von einer starken Mannschaft mit viel Erfahrung zu einem sehr beträchtlichen Preis entwickelt worden ist. Die Produktion muss letzten Endes aus der Entwicklung heraus zum Anlauf gebracht werden, was bei einem hochkomplizierten, technisch sehr avancierten Präzisionsgerät eine Menge Schwierigkeiten mit sich bringt. Das ist ein beträchtlicher Aufwand, der durch eine Kamera, wie es die SLX nun mal ist, nie verdient werden kann. Das haben wir bewusst in Kauf genommen und haben uns gesagt, dass wir aus dieser SLX-Technik sicherlich eine Menge anderweitig benutzen können. Auf der photokina werden wir vielleicht eine weitere Spiegelreflex-Kamera haben, eine Kleinbild-Spiegelreflex. Und das ist natürlich eine andere Hausnummer, die wir sicher in größeren Stückzahlen werden verkaufen können." Color: „Die SLX ist also Ihr Mutterschwein und wird Ferkel bringen?" Peperzak: „Das ist genau das, was wir von dieser Kamera erhoffen. Als Pferdeliebhaber hätte ich es etwas anders gesagt, aber es kommt wohl auf das gleiche heraus." Color: Früher hat Rollei seine Filmkameras nicht selbst gebaut. Jetzt wird von Ihnen eine Tonfilmkamera aus eigener Produktion erwartet." Peperzak: „Wir haben, wie Sie richtig bemerkten, zwar immer Filmkameras gekauft und verkauft - aber nicht aus eigener Herstellung. Ich meine, das war ein Fehler. Und diesen Fehler haben wir beschlossen zu korrigieren. Unsere sehr sorgfältig durchgeführte Marktanalyse hat klar gezeigt, dass die Zukunft beim Tonfilm liegt. Wir gehen also ins Tonfilmgeschäft und werden diese Kamera auf der photokina 1976 vorstellen. Ich glaube, dass die Fachwelt überrascht sein wird - es ist eine in der Qualität hervorragende Kamera, es ist eine Rollei mit einem erstaunlichen Vario-Objektiv und einer erstaunlich guten Tonwiedergabe." Color: „Sie bringen auch einen Vergrößerungsapparat. Wo sehen Sie Ihre Marktlücke?" Peperzak: „Wir streben keine bestimmte Marktlücke damit an. Der Markt ist groß, und auf diesem Sektor nicht gerade dick besetzt. Der Vergrößerungsapparat passt in unsere Fertigung, in unseren Vertrieb. Er ist eine interessante und attraktive Ergänzung unserer Produktpalette." Color: „Eine Frage, die mir sehr am Herzen liegt - wie wird es künftig bei Rollei mit dem Studio-Sektor aussehen?" Peperzak: „Vom Fabrikations- und Entwicklungs-Knowhow würden wir sicher keine Schwierigkeiten haben, auf dem Sektor Studio-Licht, Profi-Fotografie und Vergrößerungs-Technik mitzusprechen. Ich bin aber dagegen, dass wir uns verzetteln. Wir bauen einen Vertrieb auf, der in erster Linie darauf ausgerichtet ist, Amateur-Erzeugnisse von Rollei und Voigtländer auf dem Weltmarkt abzusetzen. Das ist die erste Phase. Für eine erfolgreiche Bearbeitung des professionellen Sektors muss man - da man den Profi- und den Amateur-Sektor nicht in einen Topf schmeißen kann - ebenfalls einen geeigneten Vertrieb schaffen. Ich glaube, dass wir falsch beraten wären, wenn wir jetzt versuchen würden, den einen Schritt vor dem anderen zu tun. Ich glaube, wir sollten es bei unserer heutigen Aktivität auf dem Gebiet Studio-Licht, SL 66, SLX und auch dem Gebiet der zweiäugigen Rolleis belassen und erst nachdem unsere erste Phase erfolgreich abgeschlossen ist, den zweiten Schritt machen und uns einen Vertrieb zurechtlegen, der auf professionelle Verbraucher ausgerichtet ist." Color: „Was den deutschen Markt anbelangt, sind Sie demnach weitgehend auf den Fotohandel angewiesen. Wie sehen Sie die Entwicklung des Fotohandels?" Peperzak: „Ich habe vom deutschen Fotofachhandel immer ziemlich viel gehalten. Markenartikel wie Rollei und Voigtländer sind auf den Fotofachhandel angewiesen. Er hat sicher eine Reihe von schwachen Seiten, er hat aber auch enorm starke Seiten. Wir haben in Deutschland in den letzten Jahren Zusammenschlüsse gesehen, die zum Teil sehr erfolgreich funktionieren. Es findet eine Umstrukturierung statt. Dem Mittelstand - und dazu gehört nun mal der Fotofachhandel - wird es außerordentlich schwer gemacht, als Einzelunternehmer zu überleben. Ich glaube, dass Zusammenschlüsse eine sinnvolle Lösung des Problems sein könnten, vorausgesetzt, dass seitens der Zusammenschlüsse von Fotohändlern und den jeweiligen Industriepartnern ein Modus sinnvoller, für beide loyaler und ehrlicher Zusammen arbeit gefunden werden kann." Fritz Meisnitzer in Color Foto 9/1976 {ewl Thnhlp32.dll,THIN,SKIN.LZH;STEIMERM.BMP}