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Automatik für die Fachkamera - Der Verschluss der Sinar Digital
Auf den ersten Blick erscheint die Großformat-Fachkamera mit ihren großen Verschlüssen kaum für eine fortgeschrittene Belichtungsautomatik prädestiniert. Normalerweise erfordern ja die mit dem Aufbau einer Studio-Aufnahme verbundenen Vorbereitungen weder eine schnelle noch eine automatische Belichtungseinstellung. Der Digital-Verschluss von Sinar ist daher eine ziemlich überraschende Entwicklung. Denn dieser Verschluss enthält einen Mikroprozessor, also Prozessrechner, eine Digitalanzeige der Verschlusszeiten- und Blendeneinstellungen, einen quarzgesteuerten Zeitenbereich von 1/500 bis 80 sek., verschiedene weitere Merkmale mit Möglichkeit der Programmierung selbst für den Schwarzschild-Faktor - und das mit einer Verschlussöffnung von 80 mm. Das Ganze geht zum Teil weit über das hinaus, was viele moderne elektronische Verschlüsse bieten.
Das Konzept des Sinar Digital-Verschlusses sollte zwei im Fachkameraeinsatz zunehmend hervortretende Forderungen erfüllen: Kürzere Verschlusszeiten und höhere Belichtungspräzision. Zur Verwendung mit Objektiven großen Durchmessers muss ein Fachkamera-Verschluss eine große Öffnung aufweisen - in der Praxis meistens ab 75 mm. Das bedeutet entsprechend große Bewegungselemente, die wiederum schwierig auf hohe Geschwindigkeit zu beschleunigen bzw. von hohen Geschwindigkeiten abzubremsen sind. Zentralverschlüsse dieser Art haben daher meistens eine kürzeste Verschlusszeit um 1/60 sek.
Das kann nun manchmal Überbelichtungsprobleme ergeben. Z. B. entspricht eine Außenaufnahme bei hellem Sonnenlicht einer Leuchtdichte von ca. 8000 cd/m2. Mit einer Filmempfindlichkeit 22 DIN - heute schon ein durchschnittlicher Schwarzweiß-Planfilm - entspricht dann bei einer kürzesten Verschlusszeit 1/60 sek. die richtige Belichtung einer Blende 32 bis 36. Mit einer großen Blende ist die Aufnahme also schon überbelichtet. Und selbst ein Negativ-Farbfilm um 19 DIN erfordert unter ähnlichen Verhältnissen eine größte Arbeitsblende um 1: 22. Will man zur Erzielung einer beschränkten Schärfentiefe mit Blende 11 oder selbst 8 arbeiten, so braucht man 1/250 bzw. 1/500 sek. Das gilt übrigens nicht unbedingt nur für Außenaufnahmen: Ähnliche kurze Verschlusszeiten sind auch im Studio nötig, wenn man z. B. zur Kontrolle der Lichtführung eine Probeaufnahme auf Polaroid-Sofortbildfilm machen will. Ferner setzt ein wirtschaftlicher Filmeinsatz und eine rationelle Verwertung von z. B. Belichtungsmessungen in der Filmebene eine hohe Verschlusszeiten-Präzision voraus. Die genaue Belichtung wird durch die Toleranzen unterschiedlicher Verschlüsse beim Einsatz verschiedener Objektive problematisch. Das Problem lässt sich z. T. durch den Einsatz eines universellen Hinterlinsen-Verschlusses lösen wobei aber die Grenze der kürzesten Verschlusszeit bei 1/60 sek. bleibt. Streuungen der effektiven Belichtung bei kurzen Zeiten und mit unterschiedlichen Blendenöffnungen erschweren ebenfalls eine genaue vorgegebene Belichtung. Fachfotografen verschwenden oft viel extra Film, nur um die richtige Belichtung mit zusätzlichen Aufnahmen einzukreisen.
Fig. 1: Der Digital-Verschluss von Sinar wird hinter der Vorderstandarte der Kamera eingesetzt und zeigt die Verschlusszeiten- und Blendenanzeige aus der Sicht des Fotografen hinter der Kamera, Die beiden Einstellräder oben wählen die Verschlusszeit (links) und Blende (rechts). Auf der Leiste darunter befindet sich der Schalter zum manuellen Öffnen und Schließen (links), der Schalter für die Mehrfachbelichtungssperre (Mitte rechts) und der Synchronisationswähler zum Zünden am Anfang oder am Ende einer längeren Belichtungszeit (rechts).
Kurze Zeiten in großen Verschlüssen
Kurze Verschlusszeiten erfordern in einem großen Verschluss eine Mechanik mit hoher und gleichmäßiger Beschleunigung der Verschlusslamellen. Ein konstanter Wirkungsgrad bei verschiedenen Blendeneinstellungen (und möglichst auch bei verschiedenen Zeiten) setzt andererseits eine gleich bleibende Ablaufgeschwindigkeit der Lamellen voraus - auf den ersten Blick kaum mit einer hohen Beschleunigung vereinbar. Die Firma Carl Zeiss löste dieses Problem schon vor Jahren mindestens teilweise mit einem motorangetriebenen dreifachen Verschluss für Luftbildkameras. Bei einer Öffnung von 10 cm erreichte dieser eine Höchstgeschwindigkeit 1/3000 sek. - aber für normale Aufnahmen war die Mechanik und das dazugehörige Antriebssystem viel zu groß und umständlich. Der Sinar Digital-Verschluss bringt seine Mechanik und Steuerung in einer Einheit unter, die kaum größer ist als der Hinterlinsenverschluss Sinar/Copal. Ähnlich wie der Sinar/Copal wird der neue Verschluss hinter der Vorderstandarte einer Sinar-Fachkamera eingesetzt. Ein Bedienungs- und Kontrollfeld über dem Verschluss selbst trägt die Bedienungsschalter und die Digitalanzeige (Fig. 1). Die Verschlussmechanik beruht auf zwei Lamellen zum Auf- bzw. Abdecken der Verschlussöffnung. Jede dieser Lamellen besteht aus einem Kreissegment von ca. 1100 und einem darauf abgestimmten Gegengewichtsarm (Fig. 2). Die Lamellen sind in Kugellagern um eine gemeinsame Zentralachse drehbar und kommen mit keinem anderen Teil der Mechanik oder dem Gehäuse in Berührung. Die Friktion ist daher minimal und die Ablaufgeschwindigkeit bleibt bei allen Lagen des Verschlusses bzw. der Kamera gleich. Neu in der Konstruktion ist, dass die Lamellen nicht auf ihrem ganzen Ablaufweg angetrieben werden - im Gegensatz zur Dauerbeschleunigung herkömmlicher Zentral- und Schlitzverschlüsse. Im letzteren Fall bedingt diese Beschleunigung z. B. die ständige Nachstellung der Schlitzbreite beim Ablauf. Im Sinar Digital-Verschluss werden die Lamellen nur etwa 10 millisek. lang (1/100 sek.) und durch einen Winkel von ca. 10 bis 15xGradx beschleunigt. Das entspricht der Ablaufzeit, bevor eine Lamelle anfängt, die Verschlussöffnung auf- oder abzudecken. Effektiv erhält jede Lamelle einen kräftigen Federstoß und läuft dann trägheitsbedingt mit einer konstanten Geschwindigkeit und minimaler Friktionsverzögerung weiter. (Vergleichen lässt sich das mit einer Billardkugel, die ihren Antrieb nur durch den momentanen Stoß des Billardstocks erhält.) Die hier aufgebrachte Beschleunigung ist erstaunlich hoch, denn die Umlaufgeschwindigkeit entspricht ca. 500 U/min. In der Mitte der Objektivöffnung beträgt die lineare Ablaufgeschwindigkeit ca. 2,5 m/sek. Die Sektorenlamellen haben einen Radius etwas über 90 mm; die Öffnungsmitte liegt ca. 50 mm von der Drehachse. Die erste Lamelle deckt die Verschlussöffnung in ca. 1/30 sek. auf und die zweite Lamelle deckt die Öffnung in einer gleichen Zeitspanne wieder ab. Bei kürzeren Verschlusszeiten läuft die zweite Lamelle schon vor dem Wegende der ersten Lamelle an. Hinter dem Objektiv läuft in diesem Fall eine Segmentwinkelöffnung vorbei - etwas ähnlich wie der Schlitz in einem Schlitzverschluss. Je kleiner der Winkel, desto kürzer die Verschlusszeit; bei 1/500 sek. beträgt der Segmentwinkel etwa 6xGradx. Die Belichtungszeit ist daher im ganzen Verschlussablauf konstant: Das Intervall zwischen dem Aufdecken durch die Hinterkante der ersten Lamelle und dem Abdecken durch die Vorderkante der zweiten Lamelle ist an jedem Punkt der Verschlussöffnung gleich. Die einzige Voraussetzung ist ein gleicher Beschleunigungsstoß der beiden Lamellen. Die Zeit selbst wird wie unten beschrieben über einen Quarz-Oszillator und den Mikroprozessor gesteuert. Durch eine Feinjustierung der Antriebsfedern lässt sich die Ablaufgeschwindigkeit der beiden Lamellen sehr genau aufeinander abstimmen; diese Abstimmung gehört zur Fertigungskontrolle. Bei gleichen Federstößen an die beiden Lamellen bleibt auch die Verschlusszeit gleich - selbst wenn die Umdrehungsgeschwindigkeit etwas von einem Verschluss zum nächsten variiert. Die effektive Belichtungszeit - also der zeitliche Abstand zwischen den beiden Lamellen - ist auch von der Blendenöffnung unabhängig. Wird dem Verschluss ein kleineres Objektiv vorgesetzt, decken die Lamellen die volle Verschlussöffnung bei einer kürzeren Zeit - z. B. 1/60 sek. (siehe Fig. 6) - voll auf. Es ist dann auch eine Blitzsynchronisation bei einer kürzeren Zeit möglich. Diese Unabhängigkeit der effektiven Belichtungszeit von der Blendenöffnung ist ein entscheidender Unterschied zwischen dem Sinar Digital-Verschluss und üblichen Zentralverschlüssen, wo sich die Lamellen von der Mitte nach außen öffnen und wieder zur Mitte zurück schließen. Ein 100%iger Wirkungsgrad wäre bei einer Lamellenlage in der Filmebene (Idealfall eines Schlitzverschlusses) gegeben; ein optimaler Wirkungsgrad sollte auch bei einer Verschlussfrage in der Ausgangspupille des Objektivs möglich sein. Die Firma Sinar liefert eigens für diesen Verschluss montierte Objektive (mit Druckblenden-Automatik zur elektrischen Blendenkupplung); es wäre also zu untersuchen, ob eine Montage mit der Austrittspupille in der Verschlussebene möglich ist bzw. den Wirkungsgrad beeinflusst. Nach den Angaben von Sinar soll die gegenwärtige Anordnung in ihrem Wirkungsgrad etwa jenem eines Schlitzverschlusses in einer Rollfilmkamera 6 x 6 entsprechen.
Fig. 2: Die wesentlichen Bestandteile des Digital-Verschlusses sind zwei gleichartige gewichtsausgeglichene Sektorenlamellen 1 (schraffiert) und 2, die in Kugellagern auf einer Achse 4 sitzen. Die Lamellen decken die Verschluss-Öffnung von 80 mm (3) nacheinander auf und ab und werden von kräftigen Federn angetrieben, die aber nur in den ersten 10xGradx der Drehung wirken. Dieser Stoß sichert eine gleichmäßige Ablaufgeschwindigkeit. Die Federn selbst (nicht eingezeichnet) werden zu verschiedenen Zeitpunkten des Verschlussablaufs von Elektromagneten 5, 6, 7 und 8 ausgelöst. Zwei weitere Elektromagneten 12 und 13 steuern je eine an den Lamellenkanten anliegende Bremse, die die Lamellen in ihrer End- bzw. Anfangsstellung festhalten. Die Positionswächter-Lichtschranken 9, 10 und 11 werden in verschiedenen Kombinationen von den Lamellen selbst bzw. der Gegengewichtsarmen abgedeckt und melden dem Mikroprozessor, wann welcher Elektromagnet zu aktivieren ist. Gezeigt ist hier die Anfangsstellung für den Verschlussablauf von links nach rechts (Pfeil 14). Die Lichtschranken-Signale (9 und 11 abgedeckt, 10 frei) bereiten die Magneten 5, 6 und 13 für die erste Ablaufphase vor. Bei Betätigung des Auslöseschalters hebt der Elektromagnet 13 seine Bremse von der Lamelle 1 ab und Elektromagnet 5 gibt die Feder frei, die die Lamelle 1 am Punkt 1 a anschlägt und sie in Pfeilrichtung (14) in Bewegung bringt.
Elektromagnetische Bremsen
Eine auf die schon erwähnte Geschwindigkeit beschleunigte Verschlusslamelle muss auch wieder abgebremst werden. Zum Einsatz kommen dazu zwei elektromagnetische Bremsvorrichtungen, die auf die Außenkante der Lamellen einwirken. Sie bremsen die Lamelle nicht nur ab, sondern verhindern auch ein Rückprallen. Unmittelbar vor der Verschlussauslösung wird durch einen 30 millisek. langen Stromimpuls die entsprechende Bremse von der Lamelle abgehoben und durch Federkraft wieder am Ende der Ablaufzeit angepresst. Da die Bremsen unabhängig voneinander funktionieren fließt während langen Belichtungszeiten kein Strom durch die entsprechenden Elektromagneten.
Automatische Verschluss-Spannung
Ein eingebauter Kleinmotor spannt die Antriebsfedern der Verschlusslamellen automatisch nach jeder Aufnahme bzw. nach jedem Schließen des Verschlusses (z. B. nach einer Bildbetrachtung auf der Mattscheibe). Der Motor wirkt aber nur auf die Antriebsfedern selbst. Man braucht den Verschluss nicht in seine Anfangsstellung zurückbringen, denn die Verschlussgeometrie ist symmetrisch ausgelegt, so dass die Lamellen bei abwechselnden Aufnahmen von links nach rechts und dann von rechts nach links laufen. Die zweite bzw. Schließlamelle der ersten Aufnahme wird bei der nächsten Aufnahme die erste bzw. Öffnungslamelle und die ursprüngliche erste Lamelle wird dann zur Schließlamelle. Diese Anordnung erspart einige Kupplungselemente, erfordert aber insgesamt vier Antriebsfedern - zwei (je eine pro Lamelle) für jede Richtung. Zwei Federn steuern also den Vorwärts-Ablauf und zwei weitere den Rückkehr-Ablauf. („Vorwärts" und „Rückkehr" sind hier lediglich relativ zueinander zu verstehen.) Jede Feder wird elektromagnetisch ausgelöst; es sind also vier Auslösungsmagneten vorhanden. Die Bremsmagneten funktionieren dagegen in beiden Richtungen; jeder Bremsmagnet wirkt auf eine Lamelle ein, bremst und sperrt sie aber nach dem Ablauf in der jeweiligen Richtung.
Der Spannmotor schaltet sich automatisch nach dem Ablauf der jeweiligen zweiten oder Schließlamelle ein. Die Federn sind daher praktisch ständig - auch beim Ablegen der Kamera und des Verschlusses - gespannt. Auf Grund ausgedehnter Ermüdungstests (mit ca. 10.000.000 Abläufen) behauptet Sinar, dass diese ständige Spannung die Federn nicht nachteilig beeinflusst, so lang sie nicht überspannt werden. Das läuft der üblichen Ansicht entgegen, dass man eine Kamera bzw. einen Verschluss nur entspannt lagern soll. Ganz neu ist aber die Theorie der ständigen Federspannung auch nicht - die Feder einer automatischen Armbanduhr ist ja auch dauernd gespannt.
Lichtschranken-Überwachung
Die Kontrolle der zu auslösenden Antriebsfedern für den jeweiligen nächsten Verschlussablauf und der zeitgemäßen Spannungs- und Bremsfunktionen erfordert eine ziemlich komplizierte Überwachung und Prozesssteuerung. Im Verschluss Sinar Digital erfolgt das über einen Mikroprozessor und drei Fotozellen-Lichtschranken (Sinar nennt sie „Positionswächter"), die die Position der Verschlusslamellen ständig überwachen. Die Lichtschranken kontrollieren, ob der Verschluss offen oder geschlossen ist und in welcher Richtung er für die nächste Aufnahme abzulaufen hat. Eine typische Ablauffolge (Fig. 2 bis Fig. 5) veranschaulicht diesen Vorgang.
In der Ausgangsstellung eines Ablaufs von links nach rechts (Fig. 2) deckt die Hinterkante der Verschlusslamelle 2 (die in diesem Fall als Schließlamelle funktioniert) die Lichtschranke 9 ab, während der Gegengewichtsarm der Lamelle 1 (erste bzw. Öffnungslamelle) die Lichtschranke 11 abdeckt. Die dritte Lichtschranke 10 ist frei. Beim Ein schalten des Verschlusses vermittelt diese Abgedeckt/Frei-Kombination der Lichtschranken der Prozessrechner-Logik die Information, dass für den nächsten Ablauf zuerst der Elektromagnet 5 (zum Anstoß der ersten Lamelle) und dann der Elektromagnet 6 (zum Anstoß der zweiten Lamelle) zu betätigen sind. Der Auslöseimpuls für die Belichtung setzt den Elektromagneten 13 unter Strom, der seine Bremse von der Lamelle 1 abhebt, worauf der Magnet 5 seine Antriebsfeder freigibt. Diese stößt die Lamelle 1 am Punkt 1 a an und betätigt so das Öffnen des Verschlusses. Sofort darauf gibt der Arm dieser Lamelle auch die Lichtschranke 11 frei. Nach Ablauf der ersten Lamelle (Fig. 3, also die Verschlussöffnung 3 aufgedeckt) deckt die Außenkante dieser Lamelle die Lichtschranke 10 ab und schaltet damit den Magneten 13 ab, der die Lamelle bremst und ein Zurückprallen verhindert. Nach der von der Zeitschaltung bestimmten Zeit betätigt der Prozessrechner den Elektromagneten 12, der dessen Bremse von der Lamelle 2 abhebt, worauf der Elektromagnet 6 seine Feder freigibt und die Lamelle 2 am Punkt 2 a anstößt. Das löst die Schließfunktion aus. Die Lamelle 2 gibt sofort danach die Lichtschranke 9 frei. Der Gegengewichtsarm dieser Lamelle deckt am Ende des Ablaufs (Verschluss wieder geschlossen) die Lichtschranke 11 ab (Fig. 4), was zum Bremsen der Lamelle 2 über den Magneten 12 führt.
Sofort darauf schaltet sich - ebenfalls über die Prozessrechnersteuerung - der Spannmotor ein und spannt wieder die von den Magneten 5 und 6 ausgelösten Federn. Der Verschluss ist nun (Fig. 4) wieder für eine neue Belichtung mit entgegengesetzter Ablaufrichtung (18) bereit. Die Lichtschrankensignale 9 (frei), 10 und 11 (abgedeckt) vermitteln dem Prozessrechner, dass für die nächste Aufnahme die Elektromagneten 8 und 7 (in dieser Reihenfolge) und die Bremsmagneten 12 und 13 (ebenfalls in dieser Reihenfolge) zu betätigen sind.
Fig. 3: Die Lamelle 1 hat die Verschlussöffnung 3 gerade freigegeben. Am Ende ihres Ablaufweges (Pfeilrichtung 15) deckt die Außenkante die Lichtschranke 10 ab, die den Magneten 13 stromlos macht und dadurch die Lamelle 1 abbremst und gegen Rückprallen sichert. Nach der eingestellten Verschlusszeit (die über den Quarz-Oszillator vom Auslösemoment der Lamelle 1 abgezählt wird) hebt der Elektromagnet 12 seine Bremse von der Lamelle 2 a, während der Elektromagnet 6 die zweite Feder auslöst. Diese stößt die Lamelle 2 am Punkt 2 a an und setzt sie in Pfeilrichtung 16 in Bewegung.
Mikroprozessor und Quarz-Steuerung
Die Zeit- und Ablaufsteuerung erfolgt über einen Quarz-Oszillator und Mikroprozessor. Der letztere ist eine LSI-Schaltung (Large Scale Integration) des Metalloxyd-Halbleitertyps (MOS) - ähnlich den Mikroschaltungen in vielen modernen Taschenrechnern. In solchen Prozessrechnern - wie auch in Taschenrechnern - wird der Logik-Ablauf und die Informationsvermittlung von einem elektronischen Taktsystem gesteuert. (Z. B. leuchten die Ziffern eines Taschenrechners 600 bis 700 mal pro Sekunde auf - die ständige Leuchtanzeige ist eine Illusion!). Steht ein Taktsystem zur Verfügung, so ist es logisch, dieses auch zur Zeitsteuerung der Belichtung einzusetzen.
Normalerweise unterliegt die Genauigkeit des Taktgebers in einem Prozessrechner bestimmten elektrischen Toleranzen. Das gilt auch für die herkömmliche Widerstands/Kondensator-Schaltung der heute schon „klassischen" Elektronikverschlüsse. In einem Taschenrechner kommt es weniger auf eine absolute Taktzeit an; sie muss nur gleich bleiben. Besonders genau wird die Taktzeit aber bei Steuerung des Taktgebers durch einen Quarz-Oszillator wie in den meisten modernen Digital-Armbanduhren. (Es gibt sogar Taschenrechner mit Quarz-Steuerung.) Die Taktgabe hängt hier von den physikalischen Eigenschaften des Quarzes und nicht von elektrischen Toleranzen ab; die Zeitsteuerung wird daher außerordentlich präzis. Bei einem mit z. B. 32.768 Hz schwingendem Quarz ist die Zeiteinheit ca. 30 Mikrosek. lang - bei einer Verschlusszeit 1/500 sek. entspricht das einer Toleranz von 1,5 %! Die Zeitsteuerung des Sinar-Verschlusses besteht aus dem Quarz-Oszillator und einem Komparator, der auf die erforderliche Zykluszahl der Belichtungszeit eingestellt wird, Z. B. entsprechen 64 Schwingungen 1/500 sek., 128 Schwingungen 1/250 sek. usw. Der Komparator fängt die Schwingungen beim Auslösen der ersten Verschlusslamelle zu zählen an. Sobald die vorgewählte Schwingungszahl abgezählt ist, löst der Prozessrechner die zweite Verschlusslamelle aus. Die Belichtungszeiten verlaufen in einer echten geometrischen Zeitenfolge von Zweierpotenzen: 1/512 sek. (2-9), 1/256 (2-8), 1/128 (2-7) usw. bis 64 sek. (26) und eine weitere Zeit von 80 sek. (genau genommen 80,6 sek.) als eine Drittelstufe nach 64 sek. Ähnliche Zwischenzeiten lassen sich in Drittelstufen mit der gleichen Genauigkeit im ganzen Zeitenbereich einstellen.
Letzten Endes hängt aber die Präzision der Zeitsteuerung nicht nur vom elektrischen Taktgeber, sondern auch von den mechanischen Toleranzen des Verschlusses ab (Reibung, Schwankungen der Federspannung bei verschiedenen Temperaturen usw.) Diese Toleranzen sind zeitenmäßig ziemlich konstant;' ihr prozentualer Einfluss auf die Verschlusszeit ist daher bei kurzen Zeiten am größten. Nach den Angaben von Sinar soll die Endtoleranz bei 1/500 sek. zwischen 20 und 256/o liegen. Das ist nur halb so groß wie die normgemäß zugelassene Toleranz bei viel kleineren Verschlüssen! Bei 1/250 sek. halbiert sich die Toleranz und bei 1/125 sek. liegt demnach die mögliche Abweichung der Verschlusszeit bei nur 6xGradx/o..
Der Einsatz eines Mikroprozessors erwies sich als erforderlich zur Steuerung der obigen Zeit gabe-, Überwachungs-, Auslösungs- und Spannungsfunktionen sowie weiteren Steuermerkmalen. Dazu zählen: (1) Die Digitalanzeige der eingestellten Verschlusszeit und Blende; (2) das automatische Abblenden des Objektivs bei der Aufnahme; (3) weitere Leuchtdioden-Signale zur Anzeige unerlaubter oder ungeeigneter Blenden- und Verschlusszeiteneinstellungen; (4) eine Belichtungsabzählung bei langen Zeiten; (5) eine Ein- und Ausschalt-Automatik der Digitalanzeige zur Stromersparnis; (6) Batterietest-Signale; (7) Blitzsynchronisation mit Früh- und Spätzündung; (8) Doppelbelichtungssperre und (9) automatische Verschlusssteuerung über die Filmkassette.
Betrachten wir uns diese Funktionen näher.
Fig. 4: Nach Ablauf der Lamelle 2 deckt deren Gegengewichtsarm die Lichtschranke 11 ab. Diese macht wiederum den Elektromagneten 12 stromlos, so dass dessen Bremse nun die Lamelle 2 abbremst und festhält. Gleichzeitig läuft durch ein Signal vom Prozessrechner der Spannmotor an und spannt die von den Elektromagneten 5 und 6 gesteuerten Federn wieder. Der Verschluss ist nun in einer dem Spiegelbild der Fig. 2 entsprechenden Anordnung geschlossen. Für die nächste Aufnahme läuft der Verschluss nun in der entgegengesetzten Richtung ab - also die Lamelle 2 dreht sich beim nächsten Auslöseimpuls von rechts nach links (Pfeilrichtung 18). Dieser Impuls hebt auch über den Elektromagneten 12 dessen Bremse von der Lamelle 2 ab, während der Magnet 8 seine Feder auslöst und die Lamelle 2 am Punkt 2 b anstößt. Die Kombination der Lichtschrankensignale (9 frei, 10 und 11 abgedeckt) meldet dem Prozessrechner, welche Elektromagneten bei diesem Ablauf zu betätigen sind.
Fig. 5: Der Verschluss ist wieder ähnlich wie in Fig. 3, aber mit entgegengesetzter Ablaufrichtung offen. Am Ende ihres Weges deckt die Lamelle 2 - jetzt die erste Lamelle - die Lichtschranke 9 ab und betätigt so die Bremse des Elektromagneten 12. Nach dem vom Quarz-Oszillator gesteuerten Zeitintervall gibt der Magnet 13 die Lamelle 1 (die jetzt die Schließlamelle ist) frei und die vom Magneten 7 gesteuerte Feder stößt diese Lamelle am Punkt 1 b an, um so den Verschluss wieder von rechts nach links zu schließen (Pfeilrichtung 20). Am Ende der Schließphase deckt der Gegengewichtsarm der Lamelle 1 wieder die Lichtschranke 11 ab, die ihrerseits über den Elektromagneten 13 die Lamelle 1 abbremst. Der Verschluss ist dann wieder im Zustand der Fig. 1 für die nächste Ablaufphase von links nach rechts bereit,
Digitalanzeige
Die Bezeichnung des Sinar Digital-Verschlusses beruht auf der Digitalanzeige der Verschlusszeiten und Blenden auf dem Bedienungsfeld über dem Verschluss. Die Anzeige besteht aus üblichen Gruppen zu je sieben Leuchtdioden. Sie sind 6-7 mm hoch (etwa doppelt so groß wie die roten Ziffern vieler Taschenrechner) und sind bei normaler Kamerabedienung bequem von der Mattscheibe her sichtbar. (Bei solchen Leuchtdiodengruppen wird eine Zahl - oder manchmal ein Buchstabe - durch das Aufleuchten von bis zu 7 Leuchtdioden in verschiedenen Positionen gebildet. Leuchten alle 7 Dioden, hat man die Zahl 8; mit 6 Dioden ergeben sich je nach deren Verteilung die Zahlen 0, 6 oder 9; 5 Leuchtdioden können die Zahlen 2, 3 oder 5 bilden usw.) Die linke Zahlengruppe zeigt die Verschlusszeiten die rechte die Blenden. Verschlusszeiten erscheinen in der Form '500, '500., .,'250, '250 usw. Die Punkte vor oder nach der Verschlusszeit zeigen Drittelwert-Zwischenstufen an. Ähnliche Zeichen markieren Drittel-Blendenintervalle an der Blendenanzeige. Die Verschlusszeiten- und Blendenwerte werden an zwei Einstellrädchen oben am Verschluss verstellt.
Die digitale Blendenanzeige ist über elektrische Kontakte mit dem Objektiv verbunden. Sinar baut Objektive für dieses Digital-Verschlusssystem entsprechend um, wobei neben den Kontakten auch ein Mikro-Servomotor eingesetzt wird. Dieser blendet das Objektiv unmittelbar vor der Aufnahme auf den vorgewählten Wert ab, ermöglicht aber die Bildbetrachtung und Scharfeinstellung auf der Mattscheibe bei Offenblende. Diese Einrichtung entspricht der mechanischen Steuerung der Objektive mit Druckblenden-Automatik. In der elektrisch gesteuerten Ausführung überwachen weitere Lichtschranken die Abblendefunktion des Servomotors und melden die Irisblenden-Position an den Mikroprozessor zurück. Zur Sicherung genauer Blendeneinstellungen will Sinar Objektive für dieses System nacheichen. Die digitale Blendenanzeige umfasst einen Bereich von Blende 4 bis Blende 45. Setzt man ein Objektiv mit einer kleineren Maximalblende ein (z. B. 5,6), so erscheint bei Einstellung auf Blende 4 am rechten Einstellrädchen weiterhin die 4 auf der Digitalanzeige. Gleichzeitig blinkt aber eine weitere Leuchtdiode als Warnsignal und sperrt die Verschlussauslösung. Man kann also bei dieser nicht verfügbaren Blende keine Aufnahme machen. Das gleiche Signal blinkt bei Einstellung auf eine kleinere Blende als am Objektiv vorgesehen - z. B. 32. Alle über Sinar gelieferten Objektive für dieses System sollen aber eine kleinste Blende 45 haben. Es lassen sich auch Objektive ohne elektrische Kupplung - also mit mechanischer Blendensteuerung - verwenden. Nur ist dann die Digitalanzeige bedeutungslos und es ist auch keine Verbindung zwischen der Blendeneinstellung am Verschluss und am Objektiv vorhanden.
Fig. 6: Die Ablaufzeit der Lamellen ist jeweils ca. 1/30 sek. zum vollen Auf- bzw Abdecken der Verschlussöffnung 3. Bei längeren Zeiten wird die zweite bzw. Schließlamelle erst nach dem Abbremsen der ersten Lamelle ausgelöst. Bei kurzen Zeiten erfolgt die Auslösung der Lamelle 2 schon vor dem beendeten Ablauf der Lamelle 1; effektiv läuft damit ein Sektorenwinkel an der Öffnung vorbei. Der hier gezeigte Winkel von ca. 45 bis 500 entspricht einer Verschlusszeit von 1/60 sek. Mit kleineren Objektiven wird deren Öffnung auch bei dieser kürzeren Zeit noch im gezeigten Ablaufspunkt voll aufgedeckt und ermöglicht so die Blitzsynchronisation bei kürzeren Zeiten. Bei der kürzesten Verschlusszeit (1/500 sek.) ist der von den beiden Lamellen gebildete Sektorenwinkel etwa 6xGradx groß. Die beiden Lamellen bewegen sich unabhängig, aber mit gleicher Geschwindigkeit. Im gezeigten Zustand stehen beide Elektromagneten 12 und 13 unter Strom und heben ihre Bremsen von den Verschlusslamellen ab. Die Bremse des Magneten 13 wird wieder wirksam, sobald der Außenrand dieser Lamelle die Lichtschranke 10 abdeckt; die Bremse des Magneten 12 tritt mit dem Abdecken der Lichtschranke 11 durch den Gegengewichtsarm der Lamelle 2 in Funktion.
Blitz-Synchronisation
Der Verschluss ist X-synchronisiert; die Zündung erfolgt also nach Ablauf der jeweiligen ersten Verschlusslamelle. Die kürzeste Verschlusszeit für die Elektronenblitzsynchronisation beträgt daher 1/30 sek. Bei kleineren Objektiven die nicht die volle Verschlussöffnung ausfüllen, ist eine Elektronenblitz-Synchronisation auch bei kürzeren Zeiten - z. B. bis 1/60 sek. - möglich. Mit Blitzlampen ist zur Berücksichtigung der Zündverzögerung eine etwas längere Zeit erforderlich. Ein Sondermerkmal der Synchronisation ist die Wahl der Früh- oder Spätzündung über einen Schalter hinten am Bedienungsfeld. Die Frühzündung entspricht der normalen beschriebenen Synchronisation. Bei Umschaltung auf Spätzündung schließt sich der Kontakt erst unmittelbar vor der Schließphase der zweiten Lamelle. Dieser Zeitpunkt liegt nur bei langen Verschlusszeiten merkbar später, ist aber nützlich, wenn man einen Blitz für Aufhellung bei längeren Belichtungen mit schwachem vorhandenen Licht (Tageslicht oder Kunstlicht) einsetzt. Eine Zündung unmittelbar vor Ende der Belichtungszeit hat hier den Vorteil, dass Personen im Bild während der längeren Offenzeit des Verschlusses nicht ungünstig auf den Blitz reagieren können.
Doppelbelichtungssperre und Kassettensteuerung
Bei den meisten Kleinbild- und Rollfilmkameras ist der Filmtransport zur Verhinderung von ungewünschten Doppelbelichtungen mit dem Verschlussaufzug gekuppelt. In einer Planfilm-Kamera ist eine ähnliche Verschlussaufzugskupplung weniger praktisch. Der Digital-Verschluss von Sinar bietet aber eine wiederum über den Prozessrechner gesteuerte elektrische Kupplung. Praktisch heißt das dass man nach einer Aufnahme nicht noch mal ohne Änderung einer Mikroprozessor-Eingabe auslösen kann - also nur nachdem man die Filmkassette entfernt oder neu eingesetzt, den Verschluss manuell zur Mattscheibenbetrachtung öffnet oder eine Verschlusszeiten- oder Blendeneinstellung ändert. Das entlastet den Fotografen, der sich sonst immer erinnern muss, ob er den Verschluss schon ausgelöst hat. Bei Aufnahmeserien im Studio können derartige Doppelbelichtungen auch erfahrenen Fotografen passieren - und mit dem motorisierten Verschlussaufzug des Sinar Digital vergisst man das noch leichter. Dagegen wird vorausgesetzt, dass der Fotograf normalerweise erst nach einer Aufnahme z. B. den Verschluss zur Mattscheibenbetrachtung öffnet.
Für absichtliche Mehrfachbelichtungen lässt sich diese Sperre über einen Schalter am Verschluss ausschalten. Die Aufnahmefolge solcher Serien hängt von der motorisierten Aufzugsgeschwindigkeit ab; maximal ist bis eine Aufnahme alle zwei Sekunden möglich. Das genügt für sorgfältig aufgebaute Trickaufnahmen aber nicht z. B. für eine Bewegungsanalyse.
Eine Kassetten-Automatik - Schließen des Verschlusses nach der Mattscheibenbetrachtung beim Einsetzen der Filmkassette - hatte Sinar schon seit einiger Zeit. Im Digital-Verschluss wird der gleiche Vorgang automatisch über ein Universal-Auslösekabel gesteuert. Zwei Stecker dieses Kabels werden in den Verschluss bzw. in die Kassettenhalterung eingesteckt (dort schließt das Einsetzen der Kassette einen Mikroschalter); am anderen Kabelende sitzt ein Auslöseschalter. Bei eingeschaltetem Verschluss kann man daher den Film nicht durch Einsetzen der Kassette und Herausziehen des Kassettenschiebers ruinieren.
Ein manueller Schalter hinten am Bedienungsfeld öffnet oder schließt die Verschlusslamellen zur Bildbetrachtung auf der Mattscheibe. Der Verschluss läuft hier ebenfalls - wie beim normalen Betrieb - elektrisch, aber mit unabhängig betätigten Öffnungs- und Schließphasen ab. Theoretisch könnte der Manuellschalter auch für lange Zeitaufnahmen dienen; in der Praxis umfasst die Zeitenreihe bis 80 sek., alles was man normalerweise unter Zeitaufnahme versteht. Während dieser langen Zeiten blinkt die Verschlusszeitenanzeige jede Sekunde als sichtbare Abzählung, z. B. für spezielle Trickaufnahmen.
Stromversorgung
Gespeist wird der Verschluss von einem anschließbaren NC-Akkumulatorenteil zu 10 Zellen, also 12 V (Schnelladung über ein Ladegerät in 3-4 Stunden). Verwendbar sind auch externe Gleichstromquellen von 12 V (z. B. Autobatterie) oder ein Netzgerät. Die Hauptbelastung kommt vom Spannmotor und den Auslöse- und Bremsmagneten. Die Elektromagneten nehmen 1-2 A, allerdings nur kurzzeitig, auf (jeweils 10 millisek. bei den Auslösemagneten). Die Bremsmagneten stehen nur während der Ablaufzeit der jeweiligen Lamelle unter Strom und nicht z. B. während der Offenzeit bei langen Zeitaufnahmen oder bei geöffnetem Verschluss zur Bildbetrachtung auf der Mattscheibe. Die Leuchtdioden-Anzeige braucht um 100 mA Dauerstrom. Sinar will den Digital-Verschluss mit einer automatischen Abschaltung der Dioden-Anzeige ausstatten, so dass die Leuchtdioden jeweils nur 30 sek. lang leuchten und dann - auch bei eingeschaltetem Verschluss - automatisch erlöschen. Jede neue Eingabe in den Mikroprozessor - Änderung der Blenden- oder Verschlusszeiteneinstellung - Kassettensteuerung usw. - schaltet die Dioden-Anzeige wiederum sofort ein. Eine weitere Leuchtdiode zeigt durch Blinken die kommende Erschöpfung der Batterien an - also, wenn die vorhandene Leistungsreserve nicht mehr für mindestens 20 Belichtungsfolgen (Öffnen und Schließen des Verschlusses) ausreicht.
Automatik mit Peripherie-Geräten
Der Mikroprozessor bietet die bequemste Steuerung der verschiedenen Funktionen in Abhängigkeit der entsprechenden Signale und Eingaben. Eine derartige programmierbare und signalgesteuerte LSI-Schaltung bildet auf diesem Gebiet auch den billigsten Einsatz einer Elektronik. Ähnlich wie ein Taschenrechner hat aber ein Mikroprozessor noch eine große zusätzliche nutzbare Kapazität für weitere Daten und Programme. Sinar will diese Extrakapazität über Peripherie-Geräte ausnützen und so die Automatik in der Fachkamera noch höher treiben.
Eine Vollautomatik im Sinn einer direkten Belichtungssteuerung in Abhängigkeit des auf eine Fotozelle einfallenden Lichts (z. B. mit Messung durch das Objektiv) kommt hier allerdings nicht in Frage, da eine Fachkamera selten für Schnappschussanwendungen eingesetzt wird: Meistens muss man das Bild zuerst auf der Mattscheibe betrachten und bestimmen. Mit dem Belichtungsmesser Sinarsix ist aber schon eine sehr spezialisierte selektive Messung in der Filmebene möglich. Und nach einer solchen Messung könnten alle anderen Einstellungen für die Belichtung automatisch sein.
Für diesen Zweck plant Sinar einen Belichtungsmodul mit Steckerverbindung an eine Steckleiste am Verschluss. In diesen Modul lassen sich verschiedene Daten - z. B. Filmempfindlichkeiten der gemessene Lichtwert vom Sinarsix-Belichtungsmesser oder anderen Messgeräten - und Werte des Reziprozitätsverhaltens für den Film eingeben. Der Prozessrechner rechnet dann die erforderliche Verschlusszeit bei der vorgewählten Arbeitsblende aus, stellt diese Zeit am Verschluss ein und steuert - nach Einsetzen der Filmkassette - die Belichtung. Abgesehen von der Übertragung des Lichtwerts vom Belichtungsmesser auf dieses Peripherie-Modul, entspricht der Vorgang also der Verschlusszeiten-Automatik mit Blendenvorwahl in einer Kleinbild-Spiegelreflexkamera.
Wenn schon von Automatik-Möglichkeiten die Rede ist, kommen auch gleich die bekannten Argumente zwischen Blenden- und Verschlusszeiten-Automatik, also Verschlusszeiten_ bzw. Blendenvorwahl. Hier ist man zweifellos mit der Blendenvorwahl am besten dran da in der Fachkamera die Blende eine viel größere Bedeutung für die Schärfenverteilung, Schärfentiefe usw. hat. Bei angeschlossenem Computer-Modul stellt sich bei einer Änderung der Blendeneinstellung die Verschlusszeitenanzeige (und natürlich auch die Zeit selbst) automatisch zur Sicherung einer gleich bleibenden Belichtung nach. Eine Programmsteuerung für das Reziprozitätsverhalten (Schwarzschild-Effekt) ist ein neuer Gedanke. Sinar will eine Anzahl solcher Programme auf Basis der Informationen der Filmhersteller erstellen. Bei Wahl des entsprechenden Programms am Belichtungsmodul verlängert das Programm dann die Verschlusszeit bei langen Zeiten noch weiter und soll so den Reziprozitätsfehler des Films bei der gewählten Verschlusszeit ausgleichen (dass bei einer Verlängerung der Zeit ein weiterer Reziprozitätsfaktor zu berücksichtigen ist, macht nichts - dazu ist ja der Rechner da).
Die Möglichkeiten solcher Peripherie-Steuergeräte sind vorerst praktisch unübersehbar; jedenfalls gehen sie weit über den von Sinar bereits geplanten Bereich hinaus. Der Digital-Verschluss entstand zur Erfüllung weitergehender moderner Forderungen in der Großbild-Fotografie. Die zur Erfüllung dieser Forderungen herangezogenen Mittel boten ihrerseits eine bedeutende zusätzliche Vielseitigkeit. Eine Ironie der Technik ist die meistens sehr konservative Einstellung des mit diesem Kameratyp arbeitenden Fachfotografen, während ihm der neue Verschluss weitgesteckte technische - und letzten Endes gestaltungsmäßige - Steuermöglichkeiten in die Hand gibt. Manche der hier verwirklichten Konstruktionen dürften früher oder später auch „herkömmliche" Belichtungsautomatiken beeinflussen. Gemeint ist damit natürlich die heutige Kleinbild-Spiegelreflex.
L. Andrew Mannheim in Color Foto 1/1977
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