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Oldtimer Nicht immer war die Farbfotografie ein Hobby für alle - also auch für die, die fototechnisch nicht so sehr bewandert waren. Vor der Entwicklung der modernen Farbmaterialien in den Jahren 1935/ 36 (Agfacolor und Kodachrome-Umkehrfilme) war die Farbfotografie ein Spezialgebiet für einige wenige, die sich hierin auskannten oder sich in dieses damals außerordentlich schwierige Gebiet eingearbeitet hatten. Es war in der Tat so, dass nicht einmal jeder Berufsfotograf sich an die vielen Spezialverfahren herantraute. Wer das Metier beherrschte, nannte sich stolz „Spezialist für Naturfarbenfotografie". Farbfotografie nach der additiven oder subtraktiven Farbmischung wurde möglich, als Professor H. W Vogel 1873 die fotografischen Schwarzweiß-Platten durch Hinzufügen gewisser Anilinfarbstoffe für fast alle Farben empfindlich machte. Bis dahin war es so gewesen, dass blaue Farben in den Grautönen zu stark wiedergegeben wurden; Grün, Gelb, Orange und Rot dagegen zu schwach. Die neuen orthochromatischen Schichten korrigierten die Tonwertrichtigkeit etwas. Grundsätzlich funktionierte die „Dreifarbenfotografie" damals so, dass man zunächst drei Farbauszüge hinter Grün-, Orange- und Violettfilter auf Schwarzweißplatten aufnehmen musste. Die drei Negative wurden dann über Pigmentfolien auf Papier zu einem Aufsichtsbild oder auf eine Gelantinefolie zu einem Durchsichtsbild (Dia) montiert. Gerade diese passgenaue Montage verlangte allerlei Kunstfertigkeit vom Fotografen. Jede kleine Verschiebung einer der drei Folien führte zu Farbsäumen und damit zu Unschärfen. Bis etwa 1900 verwendete man für die Aufnahme der Teilbilder meist noch normale Plattenkameras, bei denen die Auszugsfilter vor das Objektiv gesetzt wurden. Die drei Aufnahmen mussten nacheinander gemacht werden wobei zwischen den Aufnahmen ein großer zeitlicher Abstand durch das Plattenwechseln entstand. Es durfte sich daher zwischen den einzelnen Aufnahmen nichts bewegen, denn jede Verschiebung eines Motivteils hätte Unschärfe in bestimmten Bildteilen gebracht. Daher eigneten sich in dieser Zeit am besten Stillleben im Atelier für solche Dreifarbenbilder. Es ist daher gut verständlich, dass man sich bald bemühte, die zeitlichen Abstände zwischen den einzelnen Aufnahmen zu verringern. Es entstanden als Folge dieser Bemühungen in den Jahren 1904 bis 1936 in aller Welt eine Reihe von speziellen Farbauszugskameras, von denen hier die drei bekanntesten aus Deutschland vorgestellt werden sollen. Prof. Adolf Miethe beschäftigte sich als Fotochemiker sehr stark mit den Problemen der „Naturfarbenfotografie", er verbesserte nicht nur die Tonwertwiedergabe der Schwarzweißplatten auch für rote Farben (panchromatische Schichten), sondern konstruierte auch Kameras und Projektoren für farbfotografische Verfahren. Eine der ersten Spezial-Farbenkameras war sein 1904 vorgestellter Apparat (Bild 1). Der Hauptvorteil lag darin, dass am Rückteil ein Plattenmagazin befestigt war, in dem die drei Farbauszugsfilter und die drei Schwarzweißplatten übereinander angeordnet waren. Die Platten fielen nach jeder Aufnahme nach unten durch und wurden durch eine Pneumatik in der nächsten Aufnahmestellung gebremst. Aufnahmeformat der Einzelbilder war 8 x 9 cm, so dass sich alle drei Aufnahmen aus einer Gesamtplattengröße von 9 x 24 cm ergaben. Hergestellt wurde diese „Miethe-Kamera" in kleiner Serie in der Kameratischlerei von W. Bermpohl in Berlin. Der Dreifarbenschlitten am Rückteil der Kamera war auch einzeln lieferbar. Damit konnte jede normale 9 x 12-Kamera in eine Farbkamera umgebaut werden. Die „Miethe-Kamera" und auch der „Miethe-Farbschlitten" sind heute große Raritäten unter den fotografischen Sammelstücken. Ein weiteres Produkt der Zusammenarbeit zwischen Prof. Miethe und Bermpohl war die Bermpohl-Naturfarbenkamera (Bild 2). Sie wurde zur bekanntesten Farbkamera. Ihr Prinzip war bereits 1904 durch Miethe in seinem Buch „Dreifarbenfotografie nach der Natur" vorgeschlagen worden. Er stellte ein System teildurchlässiger Spiegel dar, das es ermöglichte, mit einer einzigen Aufnahme alle drei Farbauszüge zu machen und dabei ohne jegliche zeitliche Parallaxe. Die Spiegel waren in einem Winkel von 45xGradx angeordnet und filtern jeweils einen Teil des Spektrums aus. Da immer nur ein Drittel des Lichts auf der jeweiligen Platte ankam, war höher lichtempfindliches Material notwendig. Darum war der Serienbau dieser Konstruktion erst ab 1925 möglich, als die Empfindlichkeiten panchromatischer Schichten allgemein höher lagen. Miethe hatte 1904-1905 bereits einzelne Prototypen angefertigt, die aber heute nicht mehr existieren. Den Serienbau übernahm wieder Bermpohl in Berlin. Unter dem Namen „Bermpohl-Kamera" wurde sie bis 1936 das bekannteste Farbmodell. Sie war in den Formaten 6 x 9 und 9 x 12 cm erhältlich. Da sie für eine solche Spezialkamera in größeren Stückzahlen gebaut wurde, hat der Sammler heute hin und wieder das Glück, einem solchen Stück zu begegnen. Zur gleichen Zeit kam eine andere Farbkamera heraus, die „Jos-Pe-Kamera", benannt nach ihrem Fabrikanten Josef-Peter Welcker. Im Gegensatz zur Bermpohl-Kamera wurde hier die Umlenkung des Strahlenanteils nicht durch Spiegel, sondern durch Prismen vorgenommen, die direkt hinter dem Objektiv angeordnet waren. Die „Jos-Pe-Kamera" wurde in den Formaten 9 x 12 und 13 x 18 cm hergestellt. 2D2 Da sie in geringeren Stückzahlen als die „Bermpohl" auf dem Markt war, ist sie für den Sammler heute auch viel seltener anzutreffen. Klaus op ten Höfel in Color Foto 9/1976 {ewl Thnhlp32.dll,THIN,SKIN.LZH;STEIMERM.BMP}