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OLDTIMER Eine besondere Gruppe der historischen Kameras stellen die „Photo-Jumelles" dar. Es handelt sich um eine Konstruktionsform, die aus Frankreich zu uns nach Deutschland kam. Deutsche Kamerahersteller haben sich allerdings mit diesem Typ kaum beschäftigt. Der Name „Jumelle" gibt schon den Hinweis auf das Opernglas: weil man solche Kameras zielend vors Auge nahm entstand die Gedankenverbindung zum Opernglas. Sein Vorbild hat dieser Kameratyp sicherlich in Geheimkameras, die tatsächlich aussahen wie Opern- oder Ferngläser, z. B. Jumelle de Nicour 1867, Le Physiographe 1898 oder Goerz Stereo-Binokel 1899. Später wich man in der Bauform der Juraelle von der Opernglasform ab, viele Kameras in Form einer stumpfen Pyramide wurden auch den Jumelles zugeordnet. Prototyp dieser neuen Bauart war die „Photo-Jumelle" von Jules Carpentier (Abb. 1), die dieser 1890 zunächst als Einzelstück für seinen persönlichen Gebrauch konstruiert hat. Dieses fand soviel Interesse, dass Carpentier sich 1892 zum Serienbau entschloss. Die „Photo-Jumelle" war keineswegs eine Stereokamera mit 2 Objektiven, sondern auf der einen Seite der Frontplatte war das Aufnahme-Objektiv, auf der anderen das Sucher-Objektiv angeordnet. Im Innern der Kamera war ein Magazin für 12 Platten 4,5 x 6 cm die durch einen seitlichen Schieber transportiert werden konnten. 1894 kam auch ein Modell für Platten 6,5 x 9 cm heraus. Die Belichtungszeit von 1/60 sek. reichte für normale Motive völlig aus (Abb. 2). Sie wurde durch einen horizontal angeordneten Guillotine-Verschluss geregelt. Der Erfolg von Carpentiers Jumelle machte auch andere Hersteller auf diese Bauweise aufmerksam. Um 1895 erschienen eine Reihe weiterer Jumelles von Mackenstein, Gaumont, Bellienil Joux u. a. 1895 erschien die „Steno-Jumelle" von L. Joux, Paris (Abb. 3). Sie ähnelte im Kamerakörper der Jumelle von Carpentier, hatte aber nur ein Objektiv. Dafür aber einen speziellen Sucher oben auf der Kamera. Sie war für 18 Platten 6,5 x 9 cm eingerichtet. Der Magazinmechanismus funktionierte anders als bei Carpentier: durch Auf- und Abbewegen des Kameraoberteils wurde die Platte gewechselt. Die Form der Jumelle eignete sich auch sehr gut zum Bau von Stereokameras. Oft genügte es, auf der Frontplatte in entsprechendem Abstand zwei Objektive zu montieren. Stellvertretend für die Vielzahl der Stereo-Jumelles sei hier die „Stereocycle" von Ch. Bazin und L. Leroy, Paris (Abb. 4) genannt, die 1898 zuerst in der Zeitschrift „La Nature" beschrieben wurde. Die „Stereocycle" hatte wieder die klassische Opernguckerform. Ihr Aufnahmeformat war 6 x 13 cm. Auch diese eigentümliche Kameraform verschwand - wie so manche andere - in den 20er Jahren. Der Boom der Rollfilmkameras und die aufkommende Kleinbildkamera hatten der Photo-Jumelle den Rest gegeben. Alle Aufnahmen: Agfa Gevaert Foto-Historama Klaus op ten Höfel in Color Foto 11/1976 {ewl Thnhlp32.dll,THIN,SKIN.LZH;STEIMERM.BMP}