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Was ist was bei SLR? Stichwort: Mattscheibe Alles klar? Die meisten fangen an, über die Mattscheibe ihrer Kamera nachzudenken, wenn sie dunkel wird. Es gibt aber noch Gründe. Die Mattscheibe ist praktisch so alt, wie die Fotografie selbst. Es gab sie schon als noch niemand an Spiegelreflexkameras dachte. Aber eines hat sich in der ganzen Zeit nicht geändert. Die grundsätzlichen Probleme sind die gleichen geblieben. Allerdings bietet sich dem Spiegelreflexfotografen von heute eine Vielzahl von Möglichkeiten, diese Probleme so weit wie möglich zu umgehen. Die Mattscheibe erfüllt in der Hauptsache zwei Aufgaben. Zum einen erfüllt sie die Funktion des Suchers. Sie erlaubt die Motivbeobachtung und die Bildkomposition. Zum zweiten erlaubt sie die richtige Scharfeinstellung am Objektiv. Wie gut die Mattscheibe diesen Aufgaben gerecht wird, hängt von zwei im Widerspruch zueinander stehenden Eigenschaften ab. Eine gute Motivbeurteilung ist natürlich nur bei möglichst heller Mattscheibe gegeben. Die Heiligkeit der Mattscheibe hängt dabei wesentlich von der Lichtstärke des verwendeten Objektivs ab. Geringere Lichtstärke macht sich nicht nur in einer längeren Belichtungszeit bemerkbar, sondern auch in einem dunkleren Mattscheibenbild. Das ist ein Punkt, der bei der Objektivwahl für Spiegelreflexkameras oft vergessen wird. Wo kein Licht ist, kann auch die beste Mattscheibe keines hinzaubern. Wenig Licht ist auch oft in den Ecken der Mattscheibe, besonders bei Verwendung von Weitwinkelobjektiven. Hier müssen die Lichtstrahlen einen längeren Weg zurück legen. Das führt zu einem Lichtabfall in den Ecken, der auch bei manchen Motiven später im Bild sichtbar wird. Auf der Mattscheibe läßt sich dieser Lichtabfall weitgehend beseitigen. Deswegen ist sie bei praktisch allen Spiegelreflexkameras mit einer Fresnellinse kombiniert. Eine Fresnellinse kann man sich als zusammengedrückte dicke Linse vorstellen. Die einzelnen Kreisringzonen sind stufenförmig auf eine plane Fläche zusammengeschoben, wobei die Oberflächenneigung erhalten bleibt. Damit die Stufen zwischen den einzelnen Ringzonen sowenig wie möglich auffallen, werden die Zonen so klein wie möglich gehalten. Besonders geeignet für Spiegelreflexkameras, bei denen unterschiedliche Wechselobjektive zum Einsatz kommen, sind Fresnellinsen, die zwei Linsen unterschiedlicher Brennweite durch wechselweise Schachtelung kombinieren. Konstruktiv wird entweder eine Fresnellinse mit der Mattscheibe verklebt oder aber die eine Seite der Mattscheibe direkt als Fresnellinse gegossen. Die Abstufungen der Ringzonen sind inzwischen so fein, daß sie bei vielen SLRs schon gar nicht mehr auffallen. Aber auch die Struktur der Mattscheibe selbst hat einen großen Einfluß auf die Helligkeit des Bildes. Je feiner die Oberflächenstruktur ist, desto heller ist auch das Bild. Mattscheiben mit großer Oberfläche lassen, besonders mit lichtschwächeren Objektiven, ein mehr oder weniger deutliches Korn erkennen. Dadurch wird das Bild dunkler. Das ist natürlich ein Nachteil bei der Bildbeurteilung. Aber, und hier kommen wir zu dem Eingangs erwähnten Widerspruch, die richtige Scharfeinstellung wird besser erkennbar. Je gröber die Struktur ist, desto deutlicher springt die Schärfe ins Auge. Für den Konstrukteur steht also hier die Aufgabe, einen Ausweg aus diesem Dilemma zu finden. Der kann natürlich in einem Kompromiß einer mittleren Körnigkeit mit ausreichender Helligkeit und ausreichend gut erkennbarer Scharfeinstellung bestehen. Durchgesetzt hat sich aber eine andere Lösung, die Sie alle kennen. Die Mattscheibe wird mit zusätzlichen Einstellhilfen versehen. Zuerst kamen die Schnittbild-Entfernungsmesser auf. Sie sind bei lichtstarken Objektiven und Motiven mit deutlichen Kanten sehr wirkungsvoll. Bei Motiven ohne solche klaren Strukturen wird es aber schwieriger. Hinzu kommt, daß bei Objektiven langer Brennweiten der lange Tubus zu Vignettierungen der Randstrahlen führt, die beim Schnittbildentfernungsmesser aber gerade benötigt werden. Eine Hälfte dunkelt ab. Einen Ausweg boten die Mikroprismen. Auch bei ihnen zeigen gröber strukturierte besser den Unterschied zwischen scharf und unscharf als feinere, sind aber dunkler. Zudem wird es mit Weitwinkelobjektiven schwieriger, anhand von Mikroprismen die Schärfe einzustellen. So hat sich als Standardmattscheibe mehr und mehr die Kombination von zentralem Schnittbildindikator, umgeben von einem Mikroprismenring durchgesetzt. Obwohl sich daran grundsätzlich nichts mehr geändert hat, wurde in der letzten Zeit viel Feinarbeit geleistet, zum Teil mit großer Wirkung. So entwickelte Minolta eine Mattscheibe, die anstelle der unregelmäßig strukturierten körnigen Oberfläche eine aus 2,5 Millionen mikroskopisch kleinen Wabenlinsen bestehende Oberfläche aufweist. Dadurch wurde die Scheibe nicht nur heller, sondern auch die Fokussiergenauigkeit verbessert. Den gleichen Effekt erzielt Canon bei seinen neuen Modellen mit einer sogenannten Laser-Mattierung, die eine glattere und gleichmäßigere Struktur aufweist als konventionell sandgestrahlte Oberflächen. Einen dritten Weg geht Pentax mit einer Art Oberflächenvergütung, um So zum gleichen Ziel zu kommen. Leitz erreicht bei der Leica R4 die gleichmäßige Oberflächenstruktur der Mattscheibe nicht durch Mikrowaben, sondern durch kleinste, feinmattierte Dreiecks-Mikroprismen. Feinarbeit wurde aber nicht nur an den Mattscheibenoberflächen geleistet, sondern auch am Schnittbildentfernungsmesser - wenn auch bisher nur von Canon. Die abgeschrägten Prismenkeile sorgen dafür, daß das Schnittbild auch bei Teleobjektiven mit Blende 4 oder 5,6 nicht abdunkelt. Darüber hinaus ist der neuentwickelte Kreuzschnittbildindikator mit senkrechter und waagerechter Kante universeller einsetzbar als der herkömmliche mit nur einer Kante. Aber wir können sicher sein, daß die Konkurrenz auch nicht schläft. Lassen wir uns also überraschen. Die unterschiedlichsten Mattscheibentypen für die Spitzenkameras mit der Möglichkeit des Mattscheibenwechsels sind ein Kapitel für sich. Auf die einzelnen Typen und ihre Einsatzbereiche werden wir in einem der nächsten Hefte von Color Foto in einem speziellen Beitrag noch im Detail eingehen. Horst Gottfried in Color Foto 11/1981 {ewl Thnhlp32.dll,THIN,SKIN.LZH;STEIMERM.BMP}