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Foto Historica
Es spricht für den Erfindergeist der Pioniere aus der Anfangszeit der Fotografie, dass bereits wenige Jahre nach Bekanntgabe der neuen Erfindung die ersten Panoramabilder in einem Aufnahmewinkel, der dem Sichtwinkel der Augen entsprach (etwa 160xGradx), gemacht werden konnten. Prof. E. Stenger berichtet in seinem Buch „Siegeszug der Fotografie" von einer „Camera für Rundumbilder", die der Wiener Optiker Wenzel Prokesch 1843 hergestellt habe. 1845 baute der in Parisc, lebende deutsche Kupferstecher Friedrich von Martens eine „Daguerreotyp-Kamera für Umsichtsbilder", mit der Aufnahmen auf gebogenen Daguerreotypieplatten mit einem Blickwinkel von 150xGradx gemacht werden konnten. Einige der Aufnahmen sind heute noch erhalten und werden bei der Societe Francaise de Photographie aufbewahrt. Nicht erhalten ist dagegen die Kamera, wir kennen sie nur aus Zeichnungen. Bei ihr war das Objektiv beweglich angeordnet und konnte um( eine vertikale Achse mittels einer Kurbel geschwenkt werden. Die an der Kamerarückwand befestigte gebogene Daguerrreotypieplatte wurde durch einen Schlitz belichtet, der im gleichen Tempo wie das Objektiv vor der Platte ablief. Dieses Konstruktionsprinzip sollte beispielgebend werden für viele Panoramakametag der folgenden Jahrzehnte. Würde heute die Martens'sche Kamera wieder entdeckt, wäre das eine große Sensation für alle Fotohistoriker. Ebenfalls äußerst selten, aber zum Glück noch in einigen Exemplaren vorhanden ist der „Cylindrographe", der ähnlich wie der Martens'sche Panoramaapparat funktionierte (Abb. 1). Er ist eines der seltenen Stücke, die jedes Sammlerherz schneller schlagen lassen. Vor etwa 2 Jahren wurde ein „Cylindrographe" für etwa DM 30.000,- verkauft. Sein Konstrukteur war der französische Colonel Moössard, der ihn 1889 herausbrachte. Er wurde in zwei Versionen geliefert: für fotografische Zwecke und für fotografische Aufnahmen. Dieser war zusätzlich mit einem Kompass und Wasserwaage ausgestattet. Beim Cylindrographen wurde bereits Planfilm benutzt, der halbkreisförmig an der Rückwand angebracht werden konnte. Das Objektiv war ebenfalls drehbar angeordnet und wurde mit Hilfe des Rahmensuchers an der Oberseite der Kamera von Hand geschwenkt. Der „Cylindrographe" war in 11 Versionen von 8 x 28 cm bis 48 x 168 cm Bildgröße erhältlich. Das hier abgebildete Modell stammt aus dem Fotomuseum Preus in Norwegen. Nur knapp 10 Jahre später erschienen zwei andere Panorama-Apparate, die heute durchaus nicht Wunschtraum für den Sammler bleiben müssen. Die „AI Vista" und die „Panoram-Kodak" sind beide in größeren Stückzahlen und über längere Zeit gebaut worden, so dass größere Chancen bestehen, ein solches Modell einmal zu entdecken. Beide ähneln sich in ihrer Bauart sehr und sind auch im Konstruktionsprinzip den beiden Apparaten von Martens und Moessard gleich. Die „AI-Vista" (Abb. 2), seit 1896 von der Multiscope & Film Comp. in Burlington, USA, hergestellt, war für Rollfilm eingerichtet. Sie war in den verschiedensten Größen lieferbar, das abgebildete Modell hat 9 cm breiten Rollfilm. Der Bildwinkel betrug lt. Prospekt „beinahe 180 Grad". Das Kuriose an dieser Panoramakamera ist die Tatsache, dass der Objektivschwenk durch ein Federwerk vorgenommen wird. Dabei kann die Geschwindigkeit (=Belichtungszeit) durch verschieden große Flügel, die am Boden der Kamera befestigt werden, variiert werden. Die Flügel arbeiten wie ein Propeller; die Luft bremst also die Geschwindigkeit. Weitere Verbreitung in Europa fanden die Kodak-Panoramakameras, die auf der Pariser Weltausstellung 1900 vorgestellt wurden. Zwei Modelle waren in Deutschland lieferbar: die No. 4 Panoram-Kodak (Abb. 3) für 4 Bilder 9,5 x 31 cm auf 9,5 cm breitem Rollfilm (Bildwinkel etwa 140xGradx) und die No. 1 Panoram-Kodak für 6 Bilder 6 x 18 cm auf 6 cm breitem Rollfilm (110xGradx). Die No. 4 erwies sich bald als das beliebtere Modell, weil ihr Aufnahmeformat so groß war, dass die Negative, im Kontakt kopiert, schon ein ansehnliches Bild ergaben. Die Konstruktion dieser Modelle glich der „AI-Vista" in vielen wesentlichen Teilen. Auch hier war der Rollfilm halbkreisförmig angeordnet. Der Objektivschwenk wurde allerdings nicht durch Federwerk, sondern durch Federspannung vorgenommen, daher waren nur 2 Belichtungszeiten möglich. Demjenigen Sammler, der Freude daran hat, seine alten Kameras wieder in Betrieb zu nehmen, sei das Modell No. 1 empfohlen, denn dort passt der 120er Rollfilm hinein. Mitarbeiter des Agfa-Gevaert Foto-Historama haben sich mit der „AI-Vista" versucht (Abb. 4). Das Ergebnis waren recht gute Aufnahmen - sogar in Farbe (hier in SW veröffentlicht), diese allerdings wegen der fehlenden Farbkorrektur der Optik mit einem Blaustich.
Klaus op ten Höfel in Color Foto 3/1977
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