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Klaus op ten Höfel: Foto Historica Urgroßvaters Spazierstock als Kamera Die Redakteure der Fotofachzeitschriften der Jahre 1903 und 1904 scheinen nicht sehr viel von einer Neuerscheinung des Jahres 1903 gehalten zu haben; sie ignorieren die neue Spazierstockkamera „Ben Akiba" fast völlig. Sogar Geheimrat Eder's „Jahrbuch für Photographie und Reproduktionstechnik" des Jahres 1904 widmet dem „Ben Akiba" ganze 4 Zeilen (allerdings mit Abbildung), während ansonsten über jede Neuerscheinung in ausführlicher Breite berichtet wurde. Die Zeitschrift „Apollo" (Jahrgang 1903) hat für die neue Kamera im Spazierstockgriff auch nur einen ironischen Bericht übrig und bemerkt neben einigen technischen Details, dass es nun ja Zeit würde, dass man - nachdem die Herrenwelt ihre Kamera im Spazierstock habe - auch für die Damen ein Pendant schaffen würde, indem man eine Kamera im Sonnenschirm einbaue. Tatsächlich hat der „Ben Akiba" seit seinem Erscheinen im Jahre 1903 keine allzu große Verbreitung gefunden, was ihn demzufolge zu einer heute von Sammlern außerordentlich gesuchten Rarität macht. Der „Ben Akiba" wurde von Emil Kronke, Dresden, konstruiert (englisches Patent vom 13. August 1902) und von A. Lehmann in Berlin hergestellt. Er war eingerichtet für Rollfilme mit 20 Aufnahmen im Format 17 x 25 mm. Es wurde ein Spezial-Rollfilm mit 18 mm Breite und 70 cm Länge benutzt. Die Rollfilmspulen konnten bei Tageslicht eingelegt werden, denn sie hatten einen entsprechenden Papiervorspann. Im hinteren Teil der Kamera, dem „Handgriff", konnten noch drei Reservespulen untergebracht werden. Die benutzte Vorratsspule saß am Beginn des Handgriffs und von ihr wurde der Film über eine flache Metallplatte (= Fokalebene) gezogen und auf eine weitere Spule aufgewickelt. Diese Spule war mit dem Filmtransportgriff auf der rechten Außenseite der Kamera verbunden. Hier war auch ein Zählwerk eingraviert. Der „Ben Akiba" besaß nur ein einfaches Objektiv, eine Meniskuslinse mit 38 mm Brennweite und einer Öffnung von 1: 11. Ein kleiner Momentverschluss, der selbstspannend arbeitete, war auf einer herausnehmbaren Platte hinter dem Objektiv angeordnet. Er arbeitete mit einer konstanten Belichtungszeit von etwa 1/25 sek. und konnte auch für Zeitbelichtungen eingestellt werden. Durch einen kleinen Knopf an der Unterseite des Handgriffs wurde er ausgelöst. Im oberen Teil des Spazierstocks selbst konnten auch noch einige Ersatzfilmrollen untergebracht werden, so dass für etwa zweihundert Aufnahmen Filmvorrat vorhanden war. Die Qualität der Aufnahmen konnte allerdings nur sehr gering sein, dafür war das Objektiv zu einfach und die Vergrößerungsfähigkeit der Negative wird daher auch mit Sicherheit begrenzt gewesen sein. Originalaufnahmen von „Ben Akiba" sind mir leider nie zu Gesicht gekommen, so dass man auf zeitgenössische Berichte angewiesen ist. Die Zeitschrift „Apollo" scheint auch nicht sehr viel von der Güte der Aufnahmen gehalten zu haben, denn sie bemerkt, dass bei der Vielzahl des Filmvorrats „schon etwas Brauchbares zutage kommen werde". Der „Ben Akiba" ist nicht die einzige Spazierstockkamera gewesen, aber als einzige heute noch erhalten und dies auch nur in ganz wenigen Exemplaren. Die hier abgebildeten beiden Ausführungen (seltene Stücke!) sind im Foto-Historama von Agfa-Gevaert in Leverkusen zu besichtigen. Nach Michel Auer wurde erstmals eine Spazierstockkamera in der „Photographic Times" vom 29. Mai 1892 erwähnt, die möglicherweise auf ein Patent des Engländers Champell aus dem Jahre 1891 zurückgeht. 1893 wird im Katalog des Fotohauses Wachtl in Wien ebenfalls eine Stockkamera angeboten, die zur Aufnahme rechtwinklig vom Stock abgeklappt werden musste. Im Ruhezustand bildete die Kamera den Knauf des Stockes. 1897 wurde dem Deutschen Albin Köhler aus Einsiedeln bei Chemnitz ein Patent für eine „Photographische Kamera in Stockform" erteilt. Auch bei ihr befand sich die Kamera im Stockgriff. Diese war allerdings nicht für Rollfilm, sondern für Platten eingerichtet, für die eine Wechselvorrichtung im Stock eingebaut war. Durch Umdrehen des Stockes fand der Wechselvorgang statt. Fotos: Agfa-Gevaert Foto-Historama. Klaus op ten Höfel in Color Foto 8/1977 {ewl Thnhlp32.dll,THIN,SKIN.LZH;STEIMERM.BMP}