Artikeltext

Fritz Meisnitzer: Kamera in Aktion Die Hasselblad 2000 FC: Optik-Konstruktion ohne Einschränkung Lang ist in der Geschichte des Kamera- und Objektivbaus die Liste der verschenkten Möglichkeiten. Mit der Hasselblad 2000 FC ist man in Göteborg genau den umgekehrten Weg gegangen: Man hat Möglichkeiten verwirklicht, die man dem Kunden erst nahe bringen muss. Liest man die Datenblätter, die Zeiss zu den neuen Objektiven für die Hasselblad 2000 FC herausgegeben hat, so schwingt verhaltener Jubel zwischen den sachlichen Zeilen mit: Es ist der verhaltene Jubel von Optik-Konstrukteuren, die - ausnahmsweise einmal nicht eingeschränkt durch Nebenbedingungen - Optimales verwirklichen konnten. Die Gelegenheit dazu hätten sie eigentlich schon lange gehabt, denn bereits vor 11 Jahren kam eine Kamera auf den Markt, die zumindest für zwei der drei Neukonstruktionen die gleichen Voraussetzungen bietet wie die Hasselblad 2000 FC. Der Hersteller dieser Kamera hat seine Chance vertan, Hasselblad dagegen hat sie genutzt. Beispielhafte Zusammenarbeit Zeiss und Hasselblad Im Grunde war nur Verzicht auf den Zentralverschluss erforderlich, um den Optik-Konstrukteuren die gewünschten Freiheiten zu verschaffen - der kameraseitige Durchgang für das Strahlenbündel war von der Grundkonzeption der Hasselblad her ohnehin gegeben. Darüber hinaus aber bedurfte es hervorragender Kommunikation zwischen Göteborg und Oberkochen, um drei Objektive entstehen zu lassen, bei deren Schaffung ganz offensichtlich an nichts gespart wurde und deren Leistung wirklich keinen vernünftigen Wunsch mehr offen lässt: das Distagon T* 1: 2,8/50 mm, das Planar T* 1: 2/110 mm und das Sonnar T* 1: 2,8/150 mm. Hier wollen wir uns zuerst mit den beiden Tele-Systemen beschäftigen. Eine neue Brennweite höchster Lichtstärke: Wer die Hasselblad 2000 FC und ihre neuen Objektive vor sich aufgebaut sieht, greift bei den Objektiven beinahe magisch angezogen zuerst nach dem Planar T* 1: 2/110 mm: Ein Objektiv dieser Brennweite und noch dazu gleich dieser Lichtstärke hat es bislang für die 6 x 6-Fotografie nicht gegeben. Das Datenblatt von Zeiss weist es als siebenlinsige Weiterentwicklung des Zeiss'schen Planar-Typs aus, der sich von Anbeginn durch ungewöhnlich hohe Bildfeldebnung auszeichnete. Weil keine erschwerenden Einbaubedingungen erfüllt werden mussten, so betont das Datenblatt, konnten die durch den Typ gegebenen Korrektionsmöglichkeiten für die Lichtstärke 1: 2 voll genutzt werden. Die sieben Linsen des Objektivs sind in sechs Gliedern angeordnet und ergeben eine tatsächliche Brennweite von 110,8 mm. Da die Öffnung mit 2 beginnt, reicht die Blendenskala bis 16. Das Objektiv erfasst diagonal einen Bildwinkel von 40xGradx und ist von < bis 0,8 m fokussierbar. Damit wird ohne zusätzliche Hilfsmittel ein Abbildungsmaßstab von 1: 5,2 erreicht, das kleinste, erfassbare Objektfeld misst 294 x 294 mm. Das Objektiv wird in Einstellfassung mit Hasselblad-Bajonett und Kupplung für automatische Springblende geliefert, der Filter- und Vorsatzanschluss ist ebenfalls als Bajonett ausgebildet und hat die Größe B 77. Die im Datenblatt veröffentlichten MTF-Kurven weisen für die Ortsfrequenz von 10, 20 und 30 Lp/mm bei „großen Objektentfernungen" und tageslichtähnlicher Spektralverteilung schon für die volle Öffnung sehr gute Ausgangswerte nach, die durch Abblenden auf 5,6 noch einmal deutlich verbessert werden. Die höchste (tonnenförmige) Restverzeichnung liegt unter 2% der Bildhöhe, erfüllt also sehr hohe Ansprüche. Viel zu zurückhaltend erscheint der Hersteller in seiner vorsichtigen Formulierung, dieses Objektiv sei vor allem für Sport, Freihandschüsse bei ungünstigem Ich habe mit dem Planar T* 1: 2/110 mm Personen von ganzer Figur bis zum eng angeschnittenen Porträt fotografiert, habe Landschaften und Architekturen aufgenommen, gegen das Licht gearbeitet und sogar während der ersten Dämmerung durch die offene Tür einer Kapelle die brennenden Kerzen mit ins Bild einbezogen. Darüber hinaus habe ich mit dem Zwischenring 32 den Auszug verlängert und Makro-Aufnahmen gemacht. Die Makro-Aufnahmen ließen tadellose Schärfe von Rand zu Rand erkennen. Die Kerzen blieben ohne „Heiligenschein". Die leuchtenden Zonen der Gegenlichtaufnahmen zeigen das feine Detail bis an die Leistungsgrenze des Filmmaterials einwandfrei definiert. Die Architekturen stehen augenrichtig im Raum, ohne den Zusammenhalt mit der Umgebung zu verlieren. Die Landschaften wirken auf angenehme Weise konzentriert, ohne dass man dem Zusammenhang zwischen Vorder- und Hintergrundelementen Gewalt angetan hätte. Die ganzen und halben Figuren haben bildhaft „Lebensraum". Und nur über die eng angeschnittenen Porträts kann man sich streiten -aber auch das nicht im Hinblick auf Objektiv-Leistung, sondern allenfalls im Hinblick darauf, dass der Fotograf wohl besser doch eine längere Brennweite hätte nehmen sollen. Was er anschließend ja auch tat. Hochauflösendes Material zeigt ausgezeichnete Wiedergabe Sämtliche Aufnahmen entstanden auf Kodak Ektachrome 64 Professional und Ilford Pan F, beides Materialien, die gerade durch ihre ausgezeichneten Zeiss belegt diese Ausführungen auch durch Messkurven Diese starken Worte werden durch ebenso überzeugende MTF-Kurven gestützt, die für die auch zuvor erwähnten Ortsfrequenzen und Bedingungen bereits bei voller Öffnung ungewöhnlich gute Werte zeigen, die durch Abblenden auf 5,6 zwar deutlich, für die praktische Anwendung aber gar nicht einmal wesentlich verbessert werden: Dieses Objektiv überträgt weit offen fast ebenso gut wie im abgeblendeten Zustand. Die höchste (kissenförmige) Restverzeichnung liegt knapp über 1 der Bildhöhe - hier werden also Ansprüche erfüllt, die man in der bildmäßigen Fotografie eigentlich gar nicht stellt. Aus fünf Linsen in vier Gliedern mit tatsächlicher Brennweite von 151,1 mm aufgebaut, erfasst das Objektiv diagonal einen Bildwinkel von 29,5xGradx und bei kürzester Einstellung auf 1,4 m ein Objektfeld von 400 x 400 mm. Die Blendenskala reicht bis 22, Fassung und Anschlüsse entsprechen denen des Planar. Wer - wie ich - Vergleichsaufnahmen mit dem neuen und dem alten Sonnar machen konnte, wird subtile Wiedergabe-Unterschiede erkennen. Sie mögen oftmals nicht entscheidend sein. Doch zwei Fakten überzeugen: Die eine Blende mehr gibt Ihnen ein Plus in gestalterischer Hinsicht. Aber selbst, wenn Sie dieses Plus nicht nutzen wollen: Die eine Blende mehr gibt Ihnen die bei Tele-Aufnahmen oft so bitter nötige, verdoppelte Einstellsicherheit. Und was die Leistung anbelangt - ich habe den zitierten Worten von Zeiss nichts hinzuzufügen. Fritz Meisnitzer in Color Foto 9/1977 {ewl Thnhlp32.dll,THIN,SKIN.LZH;STEIMERM.BMP}