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Trends der Wissenschaft
Top aktuell: Tendenzen und Neuheiten von Japans kleiner Photokina (1)
Japanische Fotomessen sind im Westen, wo die photokina alles überragt, praktisch unbekannt. Noch weniger bekannt ist die größenmäßige Bedeutung, Dauer und Besucherzahl. Die wichtigste japanische Fotomesse ist die Japan Camera Show, die diesmal am 2. März 1978 in Tokio ihre Tore öffnete. Größenmäßig ist die Ausstellung ganz winzig: In Tokio belief sich die gesamte Standfläche auf kaum 1300 m2. Die photokina ist damit etwa 75 x so groß! In Tokio dauerte die Messe sechs Tage und startete dann eine Rundreise in ganz Japan. Besucherzahlen für 1978 sind noch nicht bekannt; im Vorjahr hatte aber die Messe in Tokio allein 230.000 Besucher - also fast doppelt so viel wie die letzte photokina (als Fachmesse) und immerhin noch mehr als die früheren öffentlichen photokina-Messen. Dieser phantastische Unterschied im Standflächen- und Besucherverhältnis beruht zum Großteil darauf, dass die Japan Camera Show (JCS) ausschließlich eine Verbrauchermesse ist. Sie hat nichts mit der Rolle einer Fachmesse im Sinn der photokina gemein: Die Besucher sind nur die die Öffentlichkeit und nicht und nicht Fotohändler, die ohnehin ihre ständigen Beziehungen zu den Fabrikanten das ganze Jahr aufrecht erhalten. Der andere Grund für die große Besucherzahl ist natürlich die riesige Bevölkerung von Tokio, selbst im Vergleich mit dem ganzen Umkreis von Köln. Organisatorisch ist die JCS viel einfacher aufgezogen, wie eine photokina. Organisiert wird die Messe von der Japan Camera Industry Association (JCIA), diese entspricht ungefähr dem Deutschen Fotoindustrie-Verband, und wird von der japanischen Regierung und von anderen Organisationen (darunter dem Japanischen Fotoverband) unterstützt. Eine Messegesellschaft als solche gibt es aber nicht: Die Japan Camera Show war auf einem Teil eines Stockwerks im Kaufhaus Takashimaya - eines der vornehmsten in Tokio - untergebracht. Nach der Veranstaltung in Tokio reist dann die Messe durch das ganze Land, von Sapporo auf der Nordinsel Hokkaido bis Fukuoka auf Kyuschu im Süden. Besucht werden dabei fast ein Dutzend Städte, darunter die Großstädte Osaka, Nagoya, Hiroshima usw. In jeder Stadt tagt die Messe sechs Tage lang und die ganze Rundreise dauert - mit entsprechenden Unterbrechungen (darunter eine Sommerpause von zehn Wochen) bis Ende November. Die Ausstellung erfolgt jeweils in den führenden Kaufhäusern der Besuchsstädte, ist aber ziemlich flexibel, da die Messe nicht überall gleich groß ist und nicht alle Aussteller unbedingt in jeder Stadt mitmachen. Andererseits ist es durchaus möglich, dass eine Firma auch im Laufe des Jahres Neuigkeiten bringt, so dass z. B. in Matsumoto im Juni Sachen zu sehen sind, die bei der ersten Eröffnung in Tokio im März noch nicht vorhanden waren.
In Tokio nahmen 29 Aussteller - der Großteil der Mitglieder der Japan Camera Industry Association - teil. Ausländische Erzeugnisse werden da von japanischen Importeuren gezeigt, z. B. Rollei-Geräte. Rollei war dabei durch die eigene Tochtergesellschaft Rollei Japan Company vertreten. Unter ihren japanischen Tochtergesellschaften nahmen auch Polaroid und Bell & Howell teil.
Nur Geräte, die lieferbar sind, werden gezeigt
Die Japan Camera Show umfasst ziemlich scharf umrissene Produktgruppen: Fotokameras verschiedener Typen (Kleinbild-Messsuchermodelle, Reflexkameras, Pocketkameras, Sofortbild- und Mittelformatgeräte), ferner Schmalfilmkameras und Projektoren (Super-8), Diaprojektoren, Blitzgeräte, Objektive und Vergrößerer. Insgesamt wurden ca. 10.000 verschiedene Produkte ausgestellt. Zubehör ist dagegen kaum vertreten, da diese Produktgruppen in einer weiteren Fotomesse zur Ausstellung gelangen: Die 1978 Photo Accessories Show (PAS). Diese wird von der Japan Photographic Equipment Industrial Association (JPEIA) organisiert, deren fast 80 Mitglieder hauptsächlich Kleinfabbrikanten sind. Einige der größeren Kamerahersteller (z. B. Asahi, Minolta, Nikon, Fuji, Konishiroku) gehören ebenfalls neben der JCIA auch zur JPEIA. Die Photo Accessories Show geht ebenfalls auf Reisen, aber begrenzter: Zwischen März und Mai gastiert sie in Tokio, Osaka, Nagoya und Sapporo. Wiederum nehmen nicht alle der in Tokio ausstellenden Firmen die ganze Zeit teil - z. B. waren in Sapporo Ende Mai nur 18 Firmen dabei. Ausländische Erzeugnisse werden wiederum durch die Importeure vertreten; z. B. sah man Vergrößerer und Zubehör von Durst, Materialien von Ciba und Ilford sowie Dunkelkammergeräte und Entwicklungsdosen von Paterson. Interessante Teilnehmer-Vorschriften in beiden Messen sichern einen fairen Wettbewerb und werden auf der Japan Camera Show besonders streng eingehalten. Z. B. dürfen normalerweise nur in der Produktion laufende und lieferbare Erzeugnisse ausgestellt werden. Ausnahmsweise können Hersteller auf der JCS Prototypen zeigen, wenn diese deutlich als solche gekennzeichnet werden. Ferner entfällt die ganze Papiersammelei: Aussteiler verteilen keine Broschüren, Kataloge usw. Anstatt dessen führen Aussteller ihre Erzeugnisse ausführlich - mit dem empfohlenen Listenpreis - in einem detaillierten Katalog auf. Der Listenpreis wird natürlich in Fotogeschäften weit und breit unterboten, bildet aber für die verschiedenen Kameramodelle und Geräte einen guten Vergleichsstandard. Die Kataloge sind verständlicherweise nur japanisch vorhanden, aber die JPElA veröffentlichte auch einen Werbekatalog auf englisch mit den wichtigsten Erzeugnissen der JPEIA-Mitglieder.
Japanische Industriedaten: Zu dieser 19. Japanischen Camera Show veröffentlichte die JCIA eine Zusammenfassung der Industriedaten für 1977. Die Produktion von Fotokameras belief sich z. B. auf 9,67 Mio Stück zum Wert von ca. 224 Milliarden Yen (ca. 2 Milliarden DM). Die Hälfte davon (stückmäßig) bzw. 2/3 (wertmäßig) waren Kleinbildkameras mit Schlitzverschluss, also einäugige Spiegelreflex-Modelle. Die Stückzahl von Schmalfilmkameras Super-8 betrug 1,6 Mio im Wert von DM 432 Mio; die Industrie fertigte ferner mehr als 5 Mio Objektive im Gesamtwert von ca. DM 800 Mio. Die gesamte Kamerafertigung entspricht einem stückmäßigen Zuwachs von 19% und einem wertmäßigen Zuwachs von 24% gegenüber dem Jahr 1976. Exportiert wurden ca. 8,2 Mio Fotokameras im Gesamtwert von 147 Milliarden Yen bzw. 1,3 Milliarden und 1,47 Mio Schmalfilmkameras im Gesamtwert von DM 365 Mio. Die Exportquote für Schmalfilmkameras liegt daher wertmäßig über 83% und für Fotokameras um 67%. Eine Analyse der Bestimmungsländer für Fotoexport weist die USA als den größten Markt (35%) der gesamten Exporte der japanischen Fotoindustrie aus.
USA und BRD: Japans Foto-Exportmärkte Nr. 1!
An zweiter Stelle kommt die BRD (15%), dann die Niederlande (11,6%), Hong Kong (4,4%) und Kanada und Frankreich (je 3,8%). Für den Binnenmarkt wurde ferner festgestellt, dass 1977 etwa 78% aller japanischer Haushalte mindestens eine Fotokamera und einen Diaprojektor besaßen; die Quote belief sich auf 108,6 Kameras pro 100 Haushalte. Ferner besaßen 10,1 % aller japanischen Haushalte (praktisch also Familien) eine Schmalfilmkamera und einen Projektor, wobei pro 100 Haushalte 10,8 Kombinationen von Kamera plus Projektor entfielen.
Fotokameras und Mehrfachautomatik: Der Schlager der Japan Camera Show war zweifellos die schon in COLOR FOTO ausführlich beschriebene Canon A-1 mit ihrer mehrfachen Automatik. Integriert im Zubehörsystem ist das ebenfalls in die Automatik einbezogene Elektronenblitzgerät Speedlite 199A sowie ein neuer Motorantrieb Modell MA. In seiner Form und Abmessungen ähnelt dieser Antrieb dem Motorantrieb der Olympus OM und besteht aus einem am Motor selbst enthaltenen Handgriff sowie einer verhältnismäßig dünnen Grundplatte mit den eingebauten Steuerelementen und dem Anschluss an den Kameraboden. An die Grundplatte lassen sich ferner verschiedene Batteriegehäuse bzw. Kraftteile ansetzen. Zu den Steuerelementen gehört eine integrierte Schaltung, die die Motorfunktionen mit dem eingebauten Prozessrechner der Kamera verbindet.
Canon A-1 im Mittelpunkt des Besucher-Interesses
Die Motorsteuerung hat 3 Einstellungen für fünf Bilder/sek., ca. 31/2 Bilder/sek. und für Einzelaufnahmen. Bei der letzteren Einstellung kann man aber durch Druck auf einen Knopf direkt auf kurze Serien bei der höchsten Aufnahmegeschwindigkeit umschalten. Motorantriebe beeinflussen unterschiedlich die bevorzugte Kamerahaltung verschiedener Benützer, so dass der Motorauslöser einem Fotografen gerade recht liegt, einem anderen aber nicht bequem ist. Der Motorantrieb MA hat daher gleich drei Auslöseknöpfe in verschiedenen Lagen - eine etwas extravagante aber vielseitige Lösung. Als Zubehör für den Motorantrieb gibt es einen drahtlosen Fernauslöser für Aufnahmen im Atelier und auch in einem beschränkten Entfernungsbereich im Freien. Es handelt sich um eine impulsgesteuerte Infrarotquelle mit drei wählbaren Impulscharakteristiken und daher drei Kanälen. (Es ist daher auch keine Genehmigung der Postbehörden erforderlich). Der Empfänger passt in die Zubehörklemme der Kamera und wird mit einem Kabel an die Fernbedienungsbuchse des Motorantriebs angeschlossen. Mit seinen drei Kanälen kann der Sender bei Bedarf unabhängig voneinander auch drei getrennte Kameras ansteuern. Die Canon A-1 ist in Japan schon auf dem Markt und hat dort mit Tasche und Objektiv 1:1,4 einen Listenpreis von 119.000 Yen (ca. DM 1060,-) oder etwa 40% mehr als die Canon AE-1. In dieser Preislage dürfte sie daher stark mit der Minolta XD-7 konkurrieren, der die AE-1 weitgehend in Vielseitigkeit und Merkmalen aber nur geringfügig im Preis überlegen ist. Anfänglich soll die Produktion um 10.000 bis 15.000 Kameras pro Monat betragen, bei entsprechender Nachfrage ist aber Canon durchaus bereit, die Produktion schnellstens hochzuschrauben. Die Nikon FE wurde angekündigt, aber nicht auf der JCS gezeigt. Die Kamera ist im wesentlichen eine in das kompakte Gehäuse der Nikon FM eingebaute System der EL-2, also Nikon's erste kompakte Automatikkamera. Auf die Frage, warum denn Nikon die FE nicht gleichzeitig mit der FM herausbrachte (anstelle der großen EL 2) erklärte die Firma, dass damals die FE nicht rechtzeitig fertig war und Nikon unbedingt ein Zwischenmodell mit der neuen Objektivfassung Al und Belichtungsautomatik brauchte. Selbstverständlich löst die FE die EL 2 ab.
Der Trend geht zu Automatik plus Miniaturisierung
Konishiroku stellte erstmalig die Autoreflex T4 dem japanischen Markt vor, wo die Kamera unter der Bezeichnung Acom-1 bekannt ist. Die T4 entspricht weitgehend dem Modell TL, ist also ebenfalls eine Kompaktkamera mit Belichtungsautomatik und Zeitenvorwahl, ist aber jetzt für den Anschluss eines Motoraufzuges (Auto Winder) eingerichtet. Weitere neue Merkmale sind eine vereinfachte Einrichtung für Mehrfachbelichtungen, elektronischer Selbstauslöser mit wählbarem Vorlauf und Batterietest-Leuchtdiode (siehe auch „NORMTEST" in COLOR FOTO 6/78!)
Ricoh stellt die Modelle XR-1 und XR-2 als preisgünstige und verhältnismäßig kompakte Kameras vor. Sie bieten zwar keine ausgesprochen neuen Konstruktionsmerkmale, übernehmen aber viele Vorteile der am weitesten verbreiteten einäugigen Spiegelreflexkamera. Die XR-2 hat eine Belichtungsautomatik mit Blendenvorwahl, die XR-1 Halbautomatik mit Nachführzeiger. In beiden Fällen erscheinen im Sucher der Messzeiger, die Verschlusszeitenskala und Blendeneinstellung. Zu weiteren Merkmalen der XR-2 zählen eine Belichtungskorrektur (±2 Blendenstufen) für Automatikbetrieb und ein Okularverschluss im Sucher. Der Verschluss der XR-2 ist elektronisch gesteuert mit einem Zeitenbereich von 4 sek. bis einschließlich 1/1000 sek., sowie einer einzigen nichtelektronischen Geschwindigkeit (1/90 sek.); die XR-1 hat einen vollmechanischen Verschluss mit Zeiten von 1 bis 1/1000 sek. Abgesehen von diesen Einzelheiten sind die beiden Modelle praktisch identisch und haben eine Einrichtung für Mehrfachbelichtungen, Selbstauslöser, Filmempfindlichkeitsbereich von 12 bis 3200 ASA (12 bis 36 DIN) und ein Messsystem mit drei das Sucherokular umgebenden Cadiumsulfidzellen. Bei dieser Zellenanordnung dient eine CdS-Zelle zur Messung bei normalen Lichtverhältnissen, während die Leistung der zweiten und dritten Zelle bei schwachem Licht dazugeschaltet wird. Dadurch ergibt sich nach den Angaben von Ricoh eine genauere und mehr lineare Durchschnittsleistung. Auch erfordert diese Einrichtung weniger Batteriestrom, so dass eine Batterie für 7000 Aufnahmen ausreichen soll. Die Tokio Optical Co. zeigte die Topcon RE 300. Diese entspricht im wesentlichen der RE 200, ist aber wiederum für den Anschluss eines Auto Winders eingerichtet. Das neue Modell löst die RE 200 mit einer Preiserhöhung von ca. 5% ab. Tokio Optical Co. ist eine der wenigen Firmen vorläufig ohne Automat,ikkamera, es ist aber ein Modell mit Belichtungsautomatik über elektronisch gesteuerten Verschluss und Blendenvorwahl in Vorbereitung. Übrigens verwenden die Topcon RE Kameras noch immer das Wechselbajonett des Typs Exakta; Ricoh hat sich dagegen jetzt auf die K-Fassung des Systems Asahi umgestellt (mit Asahi-Lizenz) und gewinnt somit Anschluss an die Objektivreihe der Pentax und der entsprechenden unabhängigen Fabrikanten.
Chinon mit Winder und Intervall-Timer
Verhältnismäßig neu für Japan ist auch die Memotron CE-3 der Firma Chinon, praktisch eine CE-2 in erheblich kompakterer Form und mit einem besonders vielseitigen Motorantrieb. Dieser trägt die Chinon-Bezeichnung Power Winder und ermöglicht nicht nur die Vorwahl der beabsichtigten Aufnahmenanzahl (nach Ablauf dieser Bildzahl bleibt der Motor automatisch stehen), sondern hat auch einen eingebauten Zeitschalter für Serienaufnahmen in vorbestimmbaren Zeitabständen. Das Messsystem der CE-3 beruht weiterhin auf Blendenvorwahl mit einem elektromagnetischen Ganzmetallverschluss. Wie bisher bei Chinon üblich, erfolgt die Messung selbst im Sekundenbruchteil vor der Aufnahme, nachdem sich das Objektiv auf die Arbeitsblende geschlossen hat. Die Chinon CM 3 ist ähnlich (und ebenfalls mit dem Power Winder verwendbar), hat aber eine manuelle Belichtungseinstellung mit drei Leuchtdioden als Anzeige der richtigen bzw. Unter- und Überbelichtung. Zum Einsatz kommen die gleichen Siliziumzellen wie in der CE-3. Yashica zeigte die FR 1 und FR II: Im einzelnen entfällt bei der FR 1 die doppelte Messschaltung der Contax RTS und die Leuchtdioden werden im Sucher durch einen Messzeiger ersetzt, der über eine Verschlusszeitenskala ausschlägt. Die FR II ist ein einfacheres Modell mit Belichtungsautomatik, aber ohne Manuellbetrieb. In der FR II erscheint die Verschlusszeitenskala nur im Sucher und es ist keine Blendenanzeige vorhanden - diese Anordnung ähnelt jener der Pentax ME. Die beiden neuen Yashica-Modelle haben das gleiche Gehäuse wie die früheren FR, aber ersetzen die Cadiumsulfidzellen durch Silizium-Fotodioden. Die beiden Kameras sind mit praktisch allen Contax-Zubehörteilen verwendbar; die einzige Ausnahme bildet der Motorantrieb, da hier etwas unterschiedliches Gerät von Yashica zum Einsatz kommt.
Reflexkameras mit Programmsteuerung? Eine bedeutende Entwicklung auf dem Gebiet der Reflexkamera ist in den letzten zwei bis drei Jahren bekanntlich die rapide Ausbreitung von Modellen mit Belichtungsautomatik. In manchen Fällen, z. 8. Canon und Fuji, kommen dabei hochgezüchtete Elektroniksysteme zum Einsatz. Das muss aber nicht sein; z. B. stellt Konishiroku schon seit Jahren preisgünstige Spiegelreflexkameras mit Belichtungsautomatik aber ohne viel Elektronik her. Die Tendenz zur Automatisierung wird aber jetzt besonders stark. Nach ein Schätzung der Japan Camera Industry Association (dem japanischen Fotoindustrieverband) hatten 1977 ca. 53% aller in Japan verkauften Kleinbild-Spiegelreflexkameras Belichtungsautomatiken in irgendeiner Form. Canon schätzt, dass dieser Anteil 1978 75% erreichen dürfte. Nichtautomatische Reflexkameras dürften daher einen Absatz nur im Niedrigpreismarkt (besonders Versandhäusern, Kaufhäusern usw.) finden, wenn solche Kameras nicht andere außerordentliche Fachvorteile aufweisen. Andererseits kann die Automatikkamera nicht auf ihrer jetzigen Preisstufe weiterleben. Viele Hersteller untersuchten jetzt Möglichkeiten preisgünstigerer Automatikkamera: indem - abgesehen von der Automatik - möglichst viele nicht unbedingt wichtige Merkmale weg bleiben sollen. Von Bedeutung ist auch eine Marktuntersuchung des Zubehörabsatzes durch einen führenden Hersteller: Erstkäufer einer Reflexkamera kaufen vor allem ein Blitzgerät mit, während Fotografen, die von einer Reflex auf eine neue umsatteln, vor allem einen Motoraufzug bzw. -antrieb fordern - denn meistens haben sie schon ein Blitzgerät.
Aus diesen Betrachtungen geht das Bild einer preisgünstigen automatischen Reflexkamera mit Programmautomatik oder Blendenvorwahl aber ohne manueller Verschlusszeiteneinstellung hervor. Auch soll eine derartige Kamera möglichst wenig Information im Sucher bieten - höchstens ein Warnsignal für lange Verschlusszeiten und ohne Motorantrieb sowie ohne andere Sonderfinessen. Herstellungskosten lassen sich auch sparen, indem man ein Kameragehäuse wählt, das dem billigsten Normalgehäuse des gleichen Fabrikats entspricht. Dem Konzept soll der amerikanische Begriff „Go/Nogo" unterliegen, also eine Kamera, die nur signalisiert, ob eine Aufnahme möglich ist oder nicht, und die damit einen großen Anhängerkreis von Fotografen erobern soll, die heute praktisch nur mit Pocketkameras oder Sofortbildkameras fotografieren. Einbezogen in diese Kalkulation ist natürlich auch die Hoffnung, dass solche Newcomer-Fotografen später auf vielseitigere Systemkameras umsatteln. Die ersten Modelle dieser vereinfachten Kameras werden möglicherweise schon auf der photokina dieses Jahres erscheinen; 1980 ist eine wahre Flut zu erwarten.
Das andere Ende des Reflexkamera-Marktes stellt die Entwicklung der Mehrfach-Automatik dar. Die meisten Konkurrenten von Canon und Minolta untersuchen oder arbeiten an Automatik-Systemen mit Blenden- sowie mit Verschluss-Vorwahl. Das Konzept der Canon A-1 kann gut als Vorbild für andere Hersteller dienen, da sich eine mehrfache Automatik auf lange Sicht am preisgünstigsten mit Digital-Progammierung erreichen lässt. Wo Hersteller schon entsprechende integrierte Schaltungen entwickelt haben, wird es natürlich noch derartige Kameras mit teils Digital- und teils Analogprogramm (z. B. wie die Minolta XD-77 geben. Das ist aber eine Zwischenphase: Die Zukunft gehört zweifellos der hochgezüchteten Programmautomatik mit gesteuerter Digitalfolge -ähnlich der Logik eines programmierbaren Taschenrechners. Wie schon anderseitig erwähnt, ist das der erste Schritt einer neuen Automatik-Generation, da die Programmkapazität eines derartigen Systems bald zahlreiche Faktoren berücksichtigen kann, auf die der Fotograf bis jetzt noch persönlich aufpassen muss: Stabile Kamerahaltung, Objektentfernung und Einstellung usw. Als Ideal schwebt schon mehreren Kamerakonstrukteuren ein Gerät vor, das dem Fotografen alle mechanischen und instinktiven Entscheidungen abnimmt, so dass er sich ausschließlich der Aufnahme und evtl. absichtlicher Übersteuerungen widmen kann. Der schon vielseitig abgedroschene Slogan der „denkenden Kamera" nähert sich einer echten Verwirklichung.
Kompaktkameras mit Blitzgerät
Der am weitesten verbreitete Kameratyp nach der einäugigen Spiegelreflexkamera ist anscheinend die kompakte Sucherkamera 24 x 36 mm, meistens mit eingebautem Elektronenblitz. Viele dieser Kameras kommen trotz verschiedener Herstellermarken aus derselben Fabrik: Aus dem Werk der Nitto Kogaku in Suwa, das als einer der größten Kamera- und Objektivhersteller einen riesigen Hausmarken-Markt und auch andere führende foto-optische Firmen beliefert. Dieser Kameratyp kann sich auch in verschiedenen Richtungen weiterentwickeln: Auf der Japan Camera Show stellte Fuji als Prototyp die Flash Fujica Zoom Date vor, die als Weiterentwicklung der Flash Fujica Date (mit eingebauter Einbelichtung des Datum bzw. anderer Zahlen- und Buchstabenkombinationen) mit einem Vario-Objektiv Fujinon Z 1:3,5/ 37-55 mm ausgestattet ist. Der enorm beschränkte Variobereich dieses Objektivs (ein Verhältnis 1:1,5) entspricht anscheinend der japanischen Einstellung, nach der eine Vario-Optik zur genauen Bestimmung des Bildausschnittes und weniger als Ersatz für zwei oder drei bedeutend unterschiedliche Brennweiten dienen soll. Bekanntlich wurde die Reflexkamera Fujica AZ-1 seinerzeit ebenfalls mit einem Vario-Objektiv als Normaloptik (allerdings hier mit einem Brennweitenverhältnis 2: 1) vorgestellt. Wahrscheinlich erhofft sich Fuji von dieser Kamera eine wegweisende Marktuntersuchung; eine Kompaktkamera ist dieses Modell aber schon nicht mehr. In ihre Halbbildkamera 18 x 24 mm Auto-Half hat Ricoh jetzt ebenfalls ein Blitzgerät mit Blitzfolgezeit 3'/2 sek. eingebaut. Die Auto-Half (die übrigens noch weiterhin einen Selenzellen-Belichtungsmesser enthält) ist einige der wenigen verbleibenden Halbbildkameras und auch Kameras mit Federmotorantrieb auf dem Markt. Die Größe dieses Marktes geht aus Ricoh's Angabe hervor, dass diese Firma mit einer Monatsproduktion von 7000 Kameras etwa 30% aller in Japan verkauften Halbbildkameras deckt. (Olympus ist die andere wichtigste Herstellerfirma auf diesem Gebiet.)
Wie geht es mit dem Autofocus-System weiter?
Autofocus-Aussichten: Bis jetzt steht die Konica C 35 AF als einzige Fotokamera mit Einstellautomatik auf dem Markt da. Andere Hersteller, darunter auch Nitto - planen allerdings ähnliche Modelle mit dem Visitronic-Baustein von Honeywell. Das ist aber nicht das einzige System einer Einstellautomatik, an dem gearbeitet wird. Z. B. soll Polaroid angeblich ein Entfernungsmesssystem auf Basis von Ultraschallsignalen in Vorbereitung haben, das von der eingebauten Batterie des Filmpacks SX-70 gespeist wird. Andererseits ist eine Einstellautomatik in einer Kleinbildkamera mit fest eingebautem Weitwinkelobjektiv eine interessante Finesse, aber technisch durchaus entbehrlich. (Ironischerweise werden schon seit der erstmalig vor 15 Jahren demonstrierten Canon Autofocus-Kamera automatische Entfernungsmesssysteme meistens an Kameras vorgestellt, die derartige Vorrichtungen am wenigsten brauchen.)
Unter Fotokameras ist eine Einstellautomtik offensichtlich am nützlichsten in einer Spiegelreflexkamera 35 mm, wo allerdings die technischen Probleme schwieriger werden. Man könnte einen Visitronic-Baustein in eine Reflexkamera einbauen, wobei die Einstellscheibe dann nur zur Bestimmung des Bildausschnittes dient und eine Einstellmechanik das Objektiv verstellt. (In der Demonstration vor 2 Jahren für Kamerahersteller zeigte Honeywell auch eine derartige Anordnung.) Diese Lösung ist aber kaum elegant - besser ist es noch, die Einstellautomatik in das Objektiv selbst einzubauen. (Diesen Gedanken führte Asahi ebenfalls als Prototyp auf der letzten photokina vor.) Als andere Möglichkeit kann eine Schärfenmessvorrichtung mit einer entsprechenden Elektronik lediglich als Schärfeindikator bzw. elektronischer Entfernungsmesser dienen. Ebenfalls auf der photokina 1976 demonstrierte Leitz ähnliches mit dem System Correfot. Eine solche Einrichtung ist einfacher und kompakter als der Visitronic-Baustein zusammen mit Servomotor; die Zelle kann ferner auch zur Belichtungsmessung dienen. Wichtig ist, dass in diesem Fall das gleiche System die Entfernungseinstellung mit allen Wechselobjektiven einer Kamera steuern kann, obwohl der Benützer die Mechanik aber manuell bedienen muss. (Ein automatischer Servomotor für Objektivbrennweiten von z. B. 21 bis 500 mm wäre ungemein schwer und groß). Eine einäugige Reflexkamera ließe sich aber mit einem fest eingebauten Vario-Objektiv eines größeren Brennweitenbereichs verwirklichen, z. b. wenn dieses Objektiv die einzige Optik einer verhältnismäßig einfachen Reflexkamera wäre. Selbstverständlich werden diese Möglichkeiten schon ausgiebig von allen größeren Kameraherstellern untersucht. Einige Lösungen können eventuell als Prototypen auf der nächsten photokina zu sehen sein.
Den 2. Teil unseres Berichts über Japans kleine „Photokina" lesen Sie im nächsten Heft!
Hier berichten wir über zahlreiche, weitere Neuheiten, die in Japan vorgestellt wurden. Wenn auch vielleicht nicht feststeht, wo und in welchen ausländischen Märkten diese Neuheiten ebenfalls vertrieben werden, so kann betont werden, dass sich hier ein neuer Trend manifestieren wird, der für Europa sehr wichtig ist. Dies gilt nicht nur für Zubehöre und Gehäuse, sondern ebenso für Objektive jeder Brennweite und für jeden Zweck.
L. Andrew Mannheim in Color Foto 7/1978
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