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Oldtimer Der seitliche Schuss aus dem Fernglas Das Photo-Stereo-Binocle war eines der eigenartigsten Geräte. Es diente als Feldstecher, Opernglas und Kamera zugleich. Die "Argus" sah wie ein Fernglas aus, mit ihr konnte man um die Ecke fotografieren. Seit über 100 Jahren werden Kamera/Fernglas-Kombinationen hergestellt. Meist mit einfachen Kameras, manchmal mit Stereokameras, auch mit Monokularen oder mit Binokularen kombiniert. Früher benützte man diese Apparate als Geheimkameras - heute werden sie (jawohl, heute werden noch einige Kamera/Ferngläser fabriziert) nur noch von einer kleinen Schar von Liebhabern gekauft. Machen wir einen Sprung in die Vergangenheit und sehen uns einige dieser Kameras an, von denen es eine Vielzahl unterschiedlicher Konstruktionen gab; Wir schreiben das Jahr 1899. Die Optische Anstalt C. P. Goerz in Berlin lässt ein „Photo-Stereo-Binocle" patentieren (DR P Nr. 101 609), heute ein begehrenswertes Sammlerstück. Welche Motivation die Firma Goerz auf diese Erfindung brachte, lässt sich aus ihrem Katalog von 1900 entnehmen, dort heißt es: „Zwei Dinge sind es vor allem anderen, welche die Vergnügungsreisenden unserer Zeit gern mit sich führen: das Fernglas und die photographische Camera. Beide Instrumente sind durch die moderne Technik außer-ordentlich vervollkommnet worden, und beide sind in gleicher Weise geeignet, dem Touristen gute Dienste zu leisten - jedes auf seine Art. Aus Gründen der Bequemlichkeit entschied man sich bisher wohl meistens nur für eines dieser beiden Instrumente und ließ das andere zu Hause; beide mitführen ist in der Tat zu beschwerlich. „Möglichst wenig Gepäck" ist das Losungswort jedes Vergnügungsreisenden und mit Hinblick auf diese Devise ist sicherlich die photographische Camera oder das Fernglas schon einmal zu Hause gelassen worden. Zu einer voll-ständigen Reiseausrüstung gehört unbedingt Camera und Fernglas. Nimmt man nur eins mit, so wird man früher oder später das andere sehr vermissen. Das Fernglas erweitert unseren Blick, rückt uns Entferntes nahe und ermöglicht oft eine augenblickliche Orientierung; die Camera hält Gesehenes fest und führt es uns später wieder vor die Augen, angenehme Erinnerungen weckend. Beide Instrumente ergänzen einander in ihren Wirkungen; eins ohne das andere dient uns nur unvollständig. Das reisende Publikum wird daher sicherlich mit Freuden ein Instrument begrüßen, welches Camera und Fernglas in sich vereinigt, wie wir in Goerz' Photo-Stereo-Binocle auf den Markt bringen. Das Photo-Stereo-Binocle hat die Form eines gewöhnlichen Opernglases. Es ist klein, leicht, solid gearbeitet und sehr leistungsfähig; es ist Theaterglas, Feldstecher, einfache Camera und Stereoscop-Camera zu gleicher Zeit. Der Reisende ist durch dieses kleine Instrument für alle Fälle ausgerüstet: Befindet er sich im Freien, so dient es ihm als Feldstecher mit 3'/2facher Vergrößerung oder als Camera für Hand- oder Stativ-Aufnahmen; kommt er in die Stadt und besucht ein Theater, so dient ihm dasselbe Instrument mit 2 1/2 facher Vergrößerung als Opernglas. Das Photo-Stereo-Binocle ist ferner infolge seiner kleinen Dimensionen vorzüglich geeignet zur Mitnahme auf dem Fahrrade. Es nimmt sehr wenig Platz ein und kann unterhalb der Lenkstange bequem festgeschnallt werden, wo es in keiner Weise belästigt. Nur einige Jahre vergingen - da stellte die Sontheimer Firma Nettel Camerawerk 1909 ihre Version einer Kamera-Fernglas Konstruktion vor. Unter dem Namen „Argus" ging diese in die Foto-Geschichte ein. Auch das Nettel Camerawerk erwähnte bei der Einführung dieser Geheimkamera ihre Argumente für diese Neuheit: „Die Einführung von sehr handlichen kleinen Klapp-Apparaten des Formates 4,5x6 cm mit erstklassiger Optik hat die Möglichkeit gegeben, in vielen Fällen unbemerkt zu photographieren, in denen das Mitführen und Handhaben größerer Apparate die Aufnahme erschweren oder unmöglich machen würde. Eine weitere Erleichterung solcher Aufnahmen setzt sich die neue Arguskamera zum Ziel, die auf Zusammenlegbarkeit verzichtet, dafür aber dem Äußeren der Kamera eine Form leiht, die ihre Bestimmung völlig verbirgt. Wie das Inserat zeigt, ist dies die Form eines halben Fernstechers, etwa eines Trieder-Monokels, das äußerlich in keiner Weise an eine Kamera erinnert, und mit den Kassetten in einem unauffälligen Feldstecher-Etui getragen wird; damit nicht genug, ist der Apparat auch noch so eingerichtet, dass er beim Gebrauch nicht gegen das zu photographierende Objekt gerichtet ist, sondern den Beschützer scheinbar in einer Richtung blicken lässt, die einen rechten Winkel mit der wirklichen Richtung der Aufnahme einschließt. Dies ist dadurch erreicht, dass das Objektiv sich in der Seitenwand des Tubus befindet, und die Platte dort, wo der Apparat in der Handfläche ruht. Der Spiegelsucher hingegen ist in den Okularteil des nachgeahmten Feldstechers so eingebaut, dass man mit ihm „um die Ecke" sieht. Das nichts ahnende Objekt schaut daher, wenn es überhaupt von dem Photographierenden Notiz nimmt, direkt in den Apparat hinein, oder auch in die Richtung, in die er zu blicken scheint. Der Apparat ist mit einem guten Aplanat oder mit Anastigmaten von 50 mm Brennweite ausgestattet, hat einen in zwei Geschwindigkeiten (etwa 1/50 und 1/100 Sekunde) laufenden Momentverschluss mit Einstellbarkeit für Zeitaufnahmen, einen zweiten Sucher für geradsichtige Aufnahmen, Stativmutter, Mattscheibe und sehr saubere Metallkassetten. Ganz eigenartig und zweckmäßig ist die Art seiner Einstellung für verschiedene Entfernungen: mit Hilfe zweier im Rückteil der Kamera liegenden Einlagen ist es möglich gemacht, die Mattscheibe, bzw. die Kassetten in verschiedenen Einstellebenen einzuschieben, die einer Scharfeinstellung auf Objekte in einer Entfernung von Unendlich bis etwa 5 m, auf solche von 5-3 m und solche von 3-1 m entsprechen. Die Handhabung dieser ganz neuartigen Einstellvorrichtung sowie des Apparates überhaupt ist sehr einfach und verlässlich, und wir überzeugten uns durch Aufnahmen im Berliner Zoo-logischen Garten, in dem sonst jeder Apparat verpönt ist, dass man ganz unauffällig damit arbeiten kann. Das Jahr 1923 brachte noch eine monokulare Geheimkamera, dieses Mal aus dem „Land der aufgehenden Sonne". Die Japanische Firma Sone Syunsuido (für Exportzwecke Tokyo Camera Works genannt), stellte die-„Secrette" vor, eine deutliche Kopie der Nettel Argus. Sie wurde in zwei verschiedenen Ausführungen hergestellt. Zuerst in dem ungewöhnlichen Format 4x5 cm. Als Optik diente ein einfacher 50-mm-Achromat, als Verschluss eine 1 + T Einstellung. Die zweite Version erschien 1924 mit einem 1:4,5/50 mm Testar Objektiv und Verschlusszeiten 1/25, 1/50 und 1/75 sec. Das Format wurde auf 4,5x6 cm geändert. Diese letztere Variante wird oft in Standardwerken als das Modell „Secrette Special" bezeichnet. Dies ist nur zum Teil zutreffend - denn auf dem hier abgebildeten einfachen Modell steht die Gravierung „Secrette Special". Sammlerwerte: Photo-Stereo-Binocle DM 5.000,- Argus ca. 2.500,-, Secrette ca. 1.800,-. James E. Cornwall in Color Foto 9/1980 {ewl Thnhlp32.dll,THIN,SKIN.LZH;STEIMERM.BMP}