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Foto-Historie
Deutsche 3-Farbenkamera in Amerika
An die Geschichte der Entwicklung der Farbenfotografie erinnert eine große Ausstellung bis zum 2. August in der Kölner Kunsthalle. Fachautor Gert Koshofer, der am Konzept mitgearbeitet hat, erzählt hier ein Erfinderschicksal: E. Reckmeier und seine Farbkamera.
I n den ersten Jahrzehnten der Farbfotografie mußten noch umständlich drei Aufnahmen durch rote, grüne und blaue Filter hintereinander gemacht werden, um die als Vorlage für farbige Kopien nach einem der damals existierenden "Druck"-Verfahren benötigten sogenannten Farbauszugsnegative zu erhalten. Diese Aufnahmetechnik änderte sich nur wenig, als um die Jahrhundertwende Prof. Adolf Miethe von der Königlich Technischen Hochschule Berlin-Charlottenburg und andere Techniker "Wechselschlittenkameras" konstruierten. Hier verringerte sich die Zeit von einer Teilaufnahme zur anderen, weil sie alle auf einer länglichen oder drei untereinander angeordneten Fotoplatte im Rahmen eines schlittenförmigen Kameraansatzes gemacht wurden. Zugleich wurden in England und Frankreich die ersten Typen eines Kameramodells entwickelt, das den Vorgang erheblich vereinfachen sollte, aber immer noch drei separate Fotoplatten für die roten, grünen und blauen Farbanteile im Motiv benötigte. Diese "Strahlenteilerkameras" verteilten das durch ein einziges Objektiv einfallende Licht über ein System teildurchlässiger Spiegel auf die drei jeweils mit einem Farbfilter verbundenen Schwarzweißplatten. Als erste deutsche Konstruktion dieser Art erschien 1924 die noch fehlerhafte Jos-Pe Kamera. Erst das gemeinsame Werk von Miethe, Reckmeier und einem Tischlereibesitzer namens Bermpohl in Berlin brachte durchschlagende Erfolge in Deutschland und wurde Vorbild für einige ausländische Kameramodelle. Hier beginnt unsere Geschichte.
Die Bermpohl Naturfarbenkamera ist die bekannteste der zwischen 1925 und 1950 von Berufsfotografen für großformatige Farbaufnahmen benutzten sogenannten Strahlenteilerkameras.Sie wurde nach Grundideen von Prof. Adolf Miethe von Emil Reckmeier für die Berliner Kameratischlerei Bermpohl konstruiert und von 1930 bis noch nach dem Zweiten Weltkrieg gebaut.
Der Heizungsingenieur und Luftbildfotograf des ersten Weltkriegs Emil Reckmeier besuchte nach seiner Entlassung aus dem Wehrdienst 1918 Prof. Adolf Miethe, um mit ihm über Möglichkeiten der Farbfotografie zu sprechen - ein Gebiet, das Reckmeier damals ebenso beschäftigte wie die Radio- und Funktechnik. Miethe zeigte ihm seine Wechselschlittenkamera und verwies den dank seines in den USA lebenden Vaters nicht unbegüterten Reckmeier an die Kameratischlerei von Wilhelm Bermpohl in der Berliner Kesselstraße, der bereits Apparate für Miethe baute. Bermpohl einigte sich schnell mit Reckmeier auf eine zunächst kostenlose Überlassung der Werkstatt zur Aufnahme von Konstruktionsversuchen mit Strahlenteilerkameras. Vor allem aber baute er zunächst Detektorhör- und Funkgeräte, um Geld einnehmen zu können. Den Prototyp der "Bermpohl" baute er nur "nebenbei". 1925 konnte er Miethe das erste Modell mit "paßrichtig justierten negativen Teilbildfarbsätzen", also einer Strahlenteilerkamera, zeigen. Miethe lobte den Apparat als "erste einwandfreie Dreifarbenkamera der Welt" und sprach die Vermutung aus, sie könne ein "Millionenobjekt" werden .. .
Es kam zu einer neuen Vereinbarung Bermpohl-Reckmeier, wonach ersterer die Kamera mit Holzgehäuse unter seinem Namen in seiner Werkstatt fabrizieren und auch zum Patent anmelden sollte. Reckmeier wollte frei davon sein. Und es kam zur Eheschließung Reckmeiers mit Bermpohls Tochter.
Die Reckmeier- unterschied sich von der Bermpohl-Kamera durch ein Metall-, statt Holzgehäuse und durch Folienspiegel statt Glasspiegel als Strahlenteiler. Das hier gezeigte Modell besitzt einen Sucheransatz (links) und trägt noch das Schild der Firma Farbenbild GmbH Reckmeier & Schünemann. Foto: Agfa-Gevaert Foto-Historama.
Reckmeier konzentrierte sich nun auf Verbesserungen seiner ersten Kamerakonstruktion. So baute er 1930 die eigentliche Bermpohl-Kamera, ausgestattet mit Dünnschicht-Lichtteilern, die er in einer Hochvakuumanlage erzeugte. Als Vorbild dafür hatte ihm eine Einrichtung bei Miethe gedient, mit der dieser versuchsweise die Goldgewinnung aus Quecksilber betrieb. Die erste Kamera kaufte der Fotograf Nickolas Muray aus New York auf Empfehlung von Miethes Nachfolger, Prof. Stenger. Muray war nach ersten Versuchsaufnahmen in der Berliner City begeistert und sandte nach einigen Wochen schon Farbdrucke aus amerikanischen Tageszeitungen, für deren Aufnahme er die Bermpohl-Kamera benutzt hatte. Später bezog er noch 6 weitere serienmäßig produzierte Farbkameras. Über Muray und weitere Fotografen wurde man in den USA auf die Bermpohl-Kamera so sehr aufmerksam, daß bis Anfang 1936 alle Kameras - bis auf zwei oder drei - ins Ausland geliefert worden sein sollen. Reckmeiers persönliche Ziele waren jedoch das Ersetzen des Holzgehäuses durch ein Metallgehäuse und der Glasspiegel durch Kollodiumfolien als Strahlenteiler. Schon 1930 schied er aus der Firma Bermpohl aus und begann mit dem Bau eigener Kameras - auch familiäre Verhältnisse bei Bermpohl, der sich (so Reckmeier) nach dem Tod seiner Frau "nach einer jugendlichen Altershilfe umsah, die bestimmend mitredete ..." hatten dazu geführt.
Im selben Jahr noch schickte Stenger einen amerikanischen Käufer zu Reckmeier, der seine Kamera nunmehr in den "Deutschen Industriewerken", Berlin-Spandau, fertigen ließ. Dann interessierte sich das Bremer Druck- und Verlagshaus Carl Schünemann für die Kamera, und es kam zur Gründung der "Farbenbild GmbH Reckmeier & Schünemann" in Bremen II, Schlachtpforte 7, zu gleichen Anteilen. Der Dreifarbendruck für Werbezwecke usw. war Angelegenheit von Schünemann, während Reckmeier sich um alle übrigen Farbbildprozesse kümmerte. Er baute die 13x18-Kameras exklusiv in Deutschland nur für Schünemann, der sie dann auch in den eigenen Studios einsetzen ließ. Bezeichnend für die damalige Lage ist das folgende anekdotenhafte Erlebnis Reckmeiers, zu dem er hier selbst zu Wort kommen soll: "Durch Vermittlung der Handelskammer Bremen (zur gesteigerten Devisenbeschaffung) wurde ich Ende 1937 von einem englischen Finanzier zum Besuch in London eingeladen. Etwa 6 Uhr Nachmittag in London, Grosvenor House, traf ich meinen Gastgeber und zwei Begleiter. Zur Farbenfotografie äußerte ich: ,Bilder habe ich nicht, jedoch eine Kamera zur Herstellung naturfarb- richtiger Fotografien mitgebracht.' Nach Zeigen und Erklären der Farbenkamera wurde ich gefragt: ,Können Sie heute nacht von einer Dame ein Farbenporträt fotografieren? Die Dame hat morgen Geburtstag, sie ist Schauspielerin, vor 12 Uhr Mitternacht nicht zu haben.' Ich äußerte: ,Allgemeinhin bin ich Nichtfotograf und im besonderen kein Porträtist. Jedoch ist die Lösung dieser Aufgabe durchaus möglich. Rufen Sie einen renommierten Porträtfotografen herbei, erwird die Aufnahme nach meinen Angaben machen.'
„In der Sauna”- eine Duxochrom Vergrößerung nach einer Aufnahme mit der Bermpohl Naturfarbenkamera von Hermann Harz (etwa 1940-44). Fotomuseum München.
Nach Telefonanruf erschien Londons Starporträtfotograf, ein gebürtiger Wiener. Farbenfotografie lehnte er entschieden ab, eine brauchbare gäbe es nicht, mit solchen Ver- suchen habe er viel Geld verloren. Ich sagte: ,Diese Kamera macht Farbenfotografie, und Sie verdienen Geld!' Im Atelier zeigte ich auch unseren Begleitern die einfache Einrichtung der Farbenkamera mit Aufnahmeformat 5x7 in. = 13x18 cm .. . Für dieses Format reichte der Filmvorrat des Fotografen nur für eine Aufnahme, so daß Probeaufnahmen entfielen.
Der Fotograf hatte die Aufnahme gemacht. Er zeigte mir am nächsten Morgen die drei schwarzen Negative und bemerkte: ,Daran ist doch nichts Farbiges, habe ich etwas falsch gemacht?' Ich sagte: ,Die Aufnahme ist gut gelungen, das Farbige kommt noch.' Mit dem Farbsatz besuchte ich das Labor von Direktor Dr. Spencer in einem Londoner Vorort. Die Adresse hatte ich von einem Amerikaner. Dr. Spencer begrüßte mich sehr freudig, er kannte meine Kamera. ,Was kann ich für Sie tun?', fragte er. Ich zeigte ihm meinen negativen Farbsatz und fragte wegen Herstellung eines Farbenbildes mit Farbpigmentkopien. Auch er hielt den Farbsatz für gut. Die Farbenbildkopie wollte er sofort (nach seinem Vivex-Verfahren) herstellen lassen und mich damit im Hotel besuchen.
Um 2 Uhr erhielt ich drei Farbenbilder von dem Farbsatz, zwei original-große 13x18 cm und eine vergrößerte 24x30 cm. Ich staunte über die natürliche Schönheit der Bilder und über die fotografierte Dame. Ich kannte sie als Berliner Operetten- und Filmdiva Gitta Alpar. Auf der Abendparty begrüßte Frau Alpar mich sehr herzlich: ,Du bist Berliner, Junge, das hast Du fein gemacht. Auf Schwarzweißfotos bin ich ein potthäßliches Mädchen, nun farbig, sehe ich jetzt, daß auch ich eine schöne Frau bin. Von diesen Bildern, meinem schönsten Geschenk, trenne ich mich nicht.' "
Nach diesem Erfolg kam es zur Gründung einer englischen Zweigfirma Reckmeiers mit einer dort lebenden Schwedin als Teilhaberin. Mit einer von ihr zugesagten Überweisung von 120.000 Goldmark an Reckmeier begannen seine großen Hoffnungen - und sein Scheitern im Dritten Reich. Der Überweisungsauftrag wurde von einem Sachbearbeiter im Wirtschaftsministerium gesperrt. Die Sperrung des Goldmarkguthabens machte einige interessante Expansionspläne Reckmeiers zunichte. Er hatte zwar die Übernahme der ihm in Hamburg angebotenen Jos-Pe Kamerafabrik abgelehnt, weil diese Kameras "theoretisch richtig - laufend unbrauchbare Farbenaufnahmen lieferten."
Jedoch interessierte er sich für die Fabrikation der Jos-Pe Kopiermaterialien. Ein zweites Angebot, das Reckmeier aus finanziellen Gründen nicht annehmen konnte, war die Mikut Kamerafabrik in Dresden. Oskar Mikut hatte dort, von "Führer-Stellvertreter" Rudolf Heß aus öffentlichen Mitteln gefördert, 2.000 Strahlenteilerkameras "auf Halde" fabriziert - sie ließen sich wegen technischer Mängel nicht verkaufen. Die NS-Gauleitung in Dresden war deshalb an Reckmeier herangetreten, den Lagerbestand zu übernehmen. Doch Reckmeier war nur an den umfangreichen Fabrikationsbetrieben und der Fachbelegschaft interessiert: "Mein Angebot: ,Übernahme der Mikut Farbenkamerafabrik mit vorhandenen Einrichtungen, . . . mitvollständiger Belegschaft an Fachpersonal zur Fabrikation meiner bewährten Farbenkamera ... zur Fabrikation investiere ich 120.000,- Mark Betriebskapital aus dem Honorarertrag einer Goldmarksumme. Der Gauleitung biete ich, ohne daß sie investiert, 49 % Beteiligung am Fabrikationsgewinn zur Tilgung der 400.000,- Mark Schulden und weiterhin für allgemeine Zwecknutzung. Mein größerer Auftragsbestand zur Zeit ist diese telegrafische Farbenkamerabestellung aus Amerika. Geboten werden für 100 Kameras 5x7 inch bare 90.000 Dollar. Meine Auftragsbestätigung mit verbindlicher Lieferzeitangabe steht schon länger an und bedrängt mich, aus diesen Zeitgründen befriste ich mein Angebot zur Fabrikübernahme bis auf diese Woche, Freitag, 12 Uhr mittags' .
Seinen Erinnerungen zufolge, wurde Reckmeier dann von jenem Sachbearbeiter mit seinen Beziehungen zu jüdischen Fotografen erpreßt, er solle englische Devisen beschaffen. Daraufhin zog er sein Angebot, das Mikut-Werk zu übernehmen, gegenüber der Dresdner Gauleitung zurück. Er wurde in Bremen von der Gestapo verhaftet und wegen seiner ihm vorgeworfenen Beziehungen zu jüdischen Kunden in England, Holland und in den USA verhört. So hatte er an den holländischen Fotografen Levison eine seiner Kameras verkauft, der damit die Hochzeit von Königin Juliana und Prinz Bernhard mit einer "Reckmeier" farbig fotografierte. Nach dem Verhör entließ Reckmeier seine Belegschaft an die Rüstungsindustrie. Im Ein-Mann-Betrieb baute er noch eine Kamera für Japan und eine Spezialausführung zur Lieferung als "kostenloses Geschenk an den Duce" nach Italien. Schließlich stellte er, noch einmal nach London reisend, dort den Löschungsantrag für seine englische Firma. Nach einem Bericht seines Bremer Anwalts soll die Nichtauszahlung der 120.000,- Goldmark an Reckmeier mit den folgenden beiden "wirtschaftlichen Gründen" verteidigt worden sein
"1. Der Empfänger ist Erfinder, ein bemerkenswert völliger Einzelgänger ... Seine Finanzgrundlage reichte ihm zielstrebig zum unabhängigen Weltmonopol der natur-farbrichtigen Fotografie. Beweise zum Monopol sind Gründung seiner englischen Firma, seine weltweiten Patentanmeldungen und Maßnahmen zur Großfabrikation seiner Kameras mit neuartigen Einrichtungen zur sicheren Herstellung naturfarbgetreuer Bilderzeugnisse. Und
2. als Einzelgänger war ihm unbekannt, daß auch die Deutsche Reichsregierung wirtschaftliche Interessen auf Gebieten der Farbenfotografie betreibt. Es sind bereits Millionenmarksummen in zwei Farbenfotoverfahren, der Entwicklung eines Farbrasterkinofilms (Siemens-Berthon) und eines Mehrfarbschichtverfahrens (Agfacolor) investiert. Die Großfabrikation der Dreifarbenkameras des Erfinders gefährdet den Erfolg dieser Investierungen, so daß Verhinderung der Farbenkamerafabrikation notwendig ist ..."
Das zweite Argument erscheint glaubhaft - letztlich wurde mit der Entwicklung des Agfacolor-Verfahrens auch der technisch richtige Weg verfolgt. Auch in den USA wurde mit dem Kodachrome-Mehrschichtenfilm der Anfang vom Ende der Spezialkameras eingeläutet, wenngleich sie dort noch bis in die fünfziger Jahre in vielen Fotostudios in Betrieb waren.
Reckmeier ließ sich in eine Elektromaschinenfabrik in Unkel am Rhein diensteinweisen. Als das "Tausend-jährige Reich" sein vorzeitiges Ende genommen hatte, schöpfte er wieder Hoffnungen. Angebote aus den USA und aus Paris zur Übersiedlung nach dort lehnte er ab, er wollte seine Kameras in Deutschland fabrizieren! Doch dort stand das Agfacolor Negativ-Positiv-Verfahren mit den nun recht einfach herzustellenden farbigen Papierbildern vor der Tür. So baute er nur eine "Vier-Farbenluftbildkamera" für die französische Besatzungsmacht und befaßte sich mit weiteren Konstruktionen - auf dem Papier: Geräte und Kameras bis hin zur Strahlenteilerkamera für Rollfilm. Die Bermpohl-Naturfarbenkamera, in deren Prospekten der Name des tatsächlichen Konstrukteurs Emil Reckmeier immer bewußt verschwiegen worden war, erlebte selbst nur ein kurzes Comeback, indem sie 1947-50 nochmals in Berlin gebaut wurde.
Gert Koshofer in Color Foto 7/1981
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