Artikeltext
Was ist was bei SLR?
Stichwort: Blenden
Blendwerk
Wenn Zwei das gleiche sagen, meinen sie noch nicht dasselbe.
Es gibt viele gute Gründe, beim Fotografieren das Objektiv abzublenden. Sei es nun der richtigen Belichtung willen oder um mit mehr oder weniger Schärfentiefe die Bildgestaltung zu beeinflussen. Und da die Blende so zu den meist-benutzten Bauteilen einer Kamera gehört, haben sich schon vor langer Zeit kluge Köpfe Gedanken darüber gemacht, wie die Bedienung so zweckmäßig und bequem wie möglich zu gestalten ist. Das hat dazu geführt, daß der Kamera-Interessent, der sich über die Ausstattung eines Kameramodells oder eines Wechselobjektivs informieren will, mit den Begriffen Blendenautomatik, automatische Springblende, Offenblende, Arbeitsblende, Festblende, Vorwahlblende konfrontiert wird.
Hier gilt es, fein säuberlich auseinanderzuhalten, was oft - zum Teil auch bei Verkaufsgesprächen - miteinander vermischt wird. Deutlich werden die Unterschiede, wenn man sich einmal an der technischen Entwicklung orientiert. Die ersten abblendbaren Fotoobjektive verfügten über einen Blendenschieber - oder Ring. Neben den Markierungen für die einzelnen Blendenstufen wurden dann zusätzlich Raststufen bei den einzelnen Werten, teilweise auch bei Zwischenwerten, eingeführt. Damit sind bestimmte Einstellungen nun exakt ohne Abweichungen immer wieder einstellbar. Diese Blendeneinstellung wird bei Spiegelreflexkameras mit Wechselobjektiven am Objektiv vorgenommen, von wenigen Ausnahmen abgesehen, die hier aber unberücksichtigt bleiben sollen. Man spricht dann von "Objektiven mit Rastblende".
Für den SLR-Fotografen weisen diese Objektive aber einen gravierenden Nachteil auf. Mit zunehmender Abblendung wird auch das Sucherbild zunehmend dunkler. Ein erster Schritt zur Bequemlichkeit wurde hier schon in den Anfängen der Spiegelreflex-Fotografie getan. Die erste Hilfe hieß "Objektiv mit Vorwahlblende". Dabei handelt es sich im Prinzip nach wie vor um ein Objektiv mit Rastblende, das aber einen zusätzlichen Ring aufweist. An so einem Objektiv stelle ich erstmal, wenn ich angenommen mit f/8 fotografieren will, den Wert an der Rastblende ein. Dabei passiert noch garnichts, es wird nicht abgeblendet, der Sucher bleibt hell und ich kann ohne Schwierigkeiten scharfstellen. Erst bevor ich wirklich auslöse, greife ich zum zweiten Ring und drehe ihn bis zum Anschlag. Und das ist genau der Wert, den ich zuvor an der Rastblende eingestellt hatte. Objektive mit reiner Rastblende findet man nur noch wenige. Die Vorwahlblende ist weiter verbreitet, vor allem bei langbrennweitigen Objektiven. Bei diesen ist es durch die große Distanz zwischen Blende und Kameragehäuse nicht möglich, mit arbeitserleichternden Übertragungselementen zu arbeiten, auf die noch im folgenden eingegangen wird. Gleiches gilt übrigens auch für Makro-Objektivköpfe, wie sie mit einfachen Balgengeräten verwendet werden.
Der nächste Schritt war die Einführung der "automatischen Springblende". Nicht ahnend, wohin die Entwicklung der SLR-Technologie eines Tages führen würde, sprach man auch von "Objektiven mit Blendenautomatik". Dieser Begriff wird in diesem Sinn auch heute noch gebraucht, obwohl mit "Blendenautomatik" heute ein Prinzip der automatischen Belichtungsregelung bezeichnet wird, bei dem die Kamera zu einer eingestellten Zeit automatisch die richtige Blendeneinstellung wählt. Soweit war man damals noch nicht, und um Verwechslungen und Irrtümer zu vermeiden, sollte man die korrekte Bezeichnung "automatische Springblende" verwenden. Hier geschieht automatisch über einen Hebel oder Stößel, was bei Objektiven mit Vorwahlblende noch von Hand geschieht. Nachdem ein gewünschter Blendenwert am Objektiv eingestellt ist, bleibt erst noch alles hell. Erst im Moment der Auslösung wird die Blende geschlossen, nur diesmal eben automatisch. Die automatische Springblende setzte sich seinerzeit mit der weitgehenden Verbreitung des M 42-Gewindes als universeller Objektivanschluß durch. So weit, so gut. Nur war inzwischen für Spiegelreflexkameras die Lichtmessung durch das Objektiv erfunden worden. Und damit war das Problem fast wieder das alte. Denn zur Belichtungsmessung mußte die Blende schon vor der Auslösung geschlossen werden, die Messung er- folgte bei der eingestellten, der "Arbeitsblende", also dunklem Sucher- bild. Aber auch hier ließ eine Lösung nicht lange auf sich warten. Sie hieß ,;Offenblendmessung". Man kann damit bei größter Objektivöffnung, also hellstem Sucherbild, messen, welche Belichtungszeit für die am Blendenring eingestellte kleinere Blende, auf die sich das Objektiv im Moment der Auslösung schließt, richtig ist. Möglich wird das durch den Blendensimulator, der dem Belichtungsmeßsystem der Kamera mit- teilt, welche Blende am Objektiv eingestellt ist.
Automatische Springblende und Offenblendmessung machen, wie eingangs schon erwähnt, entsprechen- de Übertragungselemente notwendig. Bei mechanischer Übertragung kommt es hier bei langbrennweitigen Objektiven und auszugsverlängerndem Nahaufnahmezubehör zu Problemen. So besitzen viele "Automatik-Balgengeräte" in Wirklichkeit gar keine Automatik, sondern er- möglichen nur die Funktionserhaltung der automatischen Springblende über Doppeldrahtauslöser.
Die Festblende schließlich, von Box- und anderen Einfachst-Kameras bekannt, hat in der letzten Zeit wieder an Bedeutung gewonnen. Spiegel- Teles, die sich zunehmender Beliebtheit erfreuen, sind nicht abblend- bar. Ihre größte Blende ist gleichzeitig ihre einzige. Welche Blüten die Blendenverwirrung treiben kann, zeigte vor kurzem ein bekannter Objektivhersteller. Er attestierte seinem 600-mm-Reflex-Tele eine "vollautomatische Festblende".
Horst Gottfried in Color Foto 7/1981
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