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In Japan geht die Sonne auf Mavica: Fotografieren ohne Film! Die heißeste Nachricht des Jahres Lieber Leser, elektronisch bzw. elektromagnetisch aufgezeichnete Bilder werden uns seit vielen Jahren per Fernsehen in die Wohnstube projiziert. Seitdem gehört das klassische fotochemische Filmmaterial für dieses Medium der Historie an. Unter dem Zauberwort "Video" ist es seit einigen Jahren auch dem Filmamateur möglich, sich dieser Technologie zu bedienen, die noch ständig Verbesserungen bezüglich Ausstattung, Technik, Größe, Gewicht und Preis produziert. Das, was dem Filmamateur recht ist, soll nun auch dem Fotoamateur billig sein. Ab 1983 jedenfalls! Ab diesem Jahr will nämlich Sony, einer der japanischen Spitzenhersteller auf dem Sektor der Unterhaltungselektronik mit seiner revolutionären Fotokamera Mavica = Magnetische Video-Kamera auf den Markt kommen. Damit wird eine neue, sensationelle Entwicklung innerhalb der Fotografie Realität Ein Faktum, über das man bisher nur mit vor-gehaltener Hand gesprochen hat, denn dies ist doch wohl der Generalangriff auf den fotochemischen Film konventioneller Machart. Statt des Films wird künftig eine Kassette, einem Tonband oder Videoband vergleichbar, in die Kamera eingelegt. Dieser magnetische Bildträger hat die beachtliche Empfindlichkeit von 24 DIN, kann beliebig oft belichtet werden und nimmt 50 Bilder auf. Ein ganz großer Fortschritt besteht in der sofortigen Verfügbarkeit des Bildes. Mittels eines tragbaren Betrachters oder über einen Adapter am Fernseher kann nämlich die soeben gemachte Aufnahme sofort angeschaut werden, wie wir dies von der Videofilmerei nun auch schon kennen. Und Papierbilder? Man höre und staune: Sony arbeitet an einem Printer (Drucker), der es gestatten soll, die in der Kassette magnetisch gespeicherten bzw. aufgezeichneten Bilder sofort auf Papier zu übertragen. Natürlich in Farbe! Das eigene "Labor" ist immer dabei, natürlich ohne Chemikalien und unter Verzicht auf jeglichen Arbeitsaufwand. Das äußere Erscheinungsbild der "Mavica" ist dem heute üblicher Kameras ähnlich und verfügt über vollautomatischen Filmtransport, der zehn Bilder pro Sekunde schaffen soll. Die Kamera verfügt wie gewohnt über Wechselobjektive, so daß die aufnahmetechnischen Gestaltungsmöglichkeiten durch das neue System nicht eingeschränkt werden. Statt des direkten Weges des Lichts durch das Objektiv auf den fotochemischen Film wie bisher, wird nun das die Linsen passierende Licht in elektrische Impulse umgewandelt, um schließlich vom magnetischen Bildträger der Kassette aufgezeichnet zu werden. Was die Kamera betrifft, so wird von einem Preis von etwa 1.600 DM gesprochen, der Betrachter bzw. Fernsehadapter soll bei 600 DM liegen und die immer wieder verwendbare Magnetspeicherkassette für 50 Bilder soll nur etwa 7 DM kosten. Natürlich bleibt noch eine Anzahl von Fragen unbeantwortet. Wie gut ist beispielsweise die Bildqualität? Es ist kein Geheimnis, daß beispielsweise die per Amateur-Video-Kamera gedrehten Filme nicht an die Qualität von Filmen auf fotochemischer Basis herankommen. Qualität ist aber für den engagierten Foto- und Filmamateur das wichtigste Kriterium. Wird es möglich sein, Farbvergrößerungen in akzeptablen Größen und in zufriedenstellender Qualität herzustellen? Und was ist schließlich mit Schwarzweiß? Nun, neue Technologien machen fast beängstigend schnelle Fortschritte, das lehren jedenfalls die letzten Jahrzehnte. Und so heißt es auch schon bei Sony, daß man an einem Zusatzgerät arbeitet, mit dem es möglich sein wird, die aufgenommenen Bilder per Telefon zu übermitteln. In der Tat, die Zukunft hat schon begonnen. Wer aber glaubt, er müsse jetzt mit der gerade eben geplanten Kameraanschaffung warten, dem wird es wohl so gehen wie jenem, der heute noch seine Beethoven Platten in Mono hört, nur weil er ständig auf das neueste Modell von Stereogeräten wartet. Die Herausforderung an die Fotoindustrie hat jedenfalls begonnen. Auch sie wird erfinderisch bleiben und neue Wege gehen. Eines scheint aber sicher: Neben den klassischen Fotofirmen wie Leitz, Agfa, Canon, Nikon und vielen anderen werden wir uns an Sony und andere Namen branchenfremder Hersteller innerhalb der Fotoszene gewöhnen müssen. Und wenn ich abschließend eine Prognose wagen darf, so möchte ich meinen, daß das herkömmliche Aufzeichnungsverfahren fotografischer Bilder neben den magnetisch aufgezeichneten der Zukunft bestehen bleiben wird, wie es bei der Schallplatte der Fall war, als das Tonband seinen Siegeszug antrat. Herzlichst, Ihr Joachim F. Richter in Color Foto 10/1981 {ewl Thnhlp32.dll,THIN,SKIN.LZH;STEIMERM.BMP}