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Pocketkameras
Besser als ihr Ruf
Die Kameras mit den Miniabmessungen fassen manche Fotofachverkäufer nur mit Widerwillen an. Sie genügen nicht ihren Vorstellungen. Dennoch sind alljährlich über 40 Prozent der verkauften Fotoapparate in der Bundesrepublik Pocketkameras. Worauf beim Kauf zu achten ist und wodurch die einzelnen Preiskategorien sich unterscheiden, untersuchte Color Foto.
Fotoverkäufer sind häufig nicht besonders "pocketfreundlich". Das mußte auch Bärbel Beerenbruch in Kieler Fotogeschäften feststellen. Permanent wurde der Versuch unternommen, nur die Nachteile, aber nicht die Vielzahl von Vorteilen aufzuzählen. Da wurde von schlechten Bildergebnissen durch Verwackeln oder von besonders grobkörnigen Abzügen geredet, die, so argumentierten die Verkäufer, bei Pocketfotografien zur Tagesordnung gehören.
"Immer wieder versuchte man mir eine Kleinbildkamera, mitunter sogar eine Spiegelreflexkamera, schmackhaft zu machen", erinnert sich die Lehrerin aus Schleswig-Holsteins Landeshauptstadt.
Gleichwohl kann die gebremste Begeisterung mancher Verkäufer nicht verhindern, daß in den letzten drei Jahren über 4,5 Millionen Stück dieser Minikameras in der Bundesrepublik verkauft wurden.
Viele dieser Kameras sind tatsächlich besser als der Ruf, der ihnen von Seiten des Handels verpaßt wird. Die Technik wurde permanent verbessert, das Bedienen der Kamera weiter vereinfacht.
Die Filmhersteller taten ein übriges: Das Filmmaterial ermöglicht Aufnahmen, die oft den Vergleich mit dem größeren Negativformat bequem standhalten.
Für den Laien scheint das Angebot an Kameras kaum durchschaubar. Da tummeln sich Kameras in den Auslagen der Fotogeschäfte in den Preislagen von 20 bis über 400 Mark. Preisvergleiche sind auch hier durchaus lohnenswert. So werden die Pocketkameras von Quelle von Agfa gebaut, und die in den Porst-Geschäften angebotenen Geräte kommen aus dem Schwarzwald von der Firma Regula.
Hauptaugenmerk sollte wie bei jeder anderen Kamera auch, auf das Objektiv gelegt werden.
Daß die Plastiklinsen der "Made in Hongkong" oder "Made in Taiwan" gefertigten Billigstmodelle allenfalls bei strahlender Sonne in südlichen Gefilden akzeptable Resultate auf den Film bringen, leuchtet auch den preisbewußtesten Käufern ein. Die durchschnittliche Lichtstärke dieser Knipskästen beträgt meist f/9 oder f/11.
Meistens nur recht einfache Objektive
Ausnahme im Angebot bleiben noch immer Kameras mit lichtstarken Objektiven. Geräte mit den Werten 2,8 oder 3,5 sind kaum vertreten. Da 85 Prozent der verkauften Pockets in Deutschland in der Preislage um die 100 Mark liegen, kann dies auch nicht verwundern. Die technisch besonders üppig ausgestatteten Kameras kosten 300 Mark und mehr.
Das Gros der kleinen Taschenkameras ist mit Objektiven bestückt, die eine Lichtstärke von 5,6 besitzen.
Die Brennweite variiert bei den Kameramodellen zwischen 23 und 27 Millimeter. Das entspricht der vergleichbaren Brennweite von 50 Millimetern bei einer Kleinbildkamera mit dem Format 24 x 36 Millimeter.
Rapide auf dem Vormarsch bei den Miniapparaten mit dem Negativformat 13x17 Millimeter, sind die Telepockets, sowie die Kameras mit fest integriertem Elektronenblitzgerät. Bei den sogenannten Telepockets wird durch einfaches Vorschalten der Telelinse ein Effekt erzielt, der etwa einem 85 Millimeter Objektiv an einer Spiegelreflexkamera entspricht. De Vorteil bei Geräten mit eingebautem Elektronenblitzgerät, spürt man am Geldbeutel: Es entfällt der Kauf teurer Blitzschienen- oder Würfel.
Achten Sie auf das Belichtungssystem
Dem Innovationstrieb der Kamerakonstrukteure hielt auch die Pocketfotografie nicht Stand. Es wurden Apparate mit motorischen Filmtransport kreiert. In aller Regel verführt diese Ausstattungsvariante den Fotoamateur jedoch nur zum verstärktem Filmverbrauch.
Anstelle solcher Spielereien sollte beim Kauf Augenmerk auf das Belichtungssystem gelegt werden. Simpel ausgestattete Geräte verfügen über keine Belichtungsautomatik. Die den Wetterverhältnissen angepaßte Belichtung wird anhand von Symbolen an der Kamera manuell vorgenommen. In der Praxis ist dies denkbar einfach. Bei herrlichem Sonnenwetter muß das Symbol "Sonne" herhalten, bei schlechtem Wetter stellt der Hobbyfotograf das Symbol "Wolken" an seiner Kamera ein.
Teurere Geräte verfügen über eine Belichtungsautomatik. Hier hat der Fotograf nichts mehr einzustellen. Erscheint im Sucher ein grüner Punkt, ist genügend Licht vorhanden, erscheint ein roter Punkt, kann nur mit Blitz fotografiert werden.
In der Praxis erweist sich auch ein Leuchtrahmensucher als wertvoll. Diese Sucher sind besonders hell und erleichtern den Laien die exakte Motivfindung.
Die Topmodelle sind Reflex-Pockets
Die am üppigsten ausgestatteten Kameras mit den Miniabmessungen kommen wieder einmal aus Japan. Die Pentax 110 und die Minolta 110 Zoom SLR Mark II führen wohl die Pocketparade unangefochen an. Die Namensgeber verzichteten bewußt auf den Pockethinweis im Typenschild. Sie gehen davon aus, daß ihre Kameras mit den Ausstattungsmerkmalen mit vielen "normalen" Kleinbildkameras mithalten könne. Dennoch muß nicht auf die bedienungsfreundlichen und mühelos einzulegende Filmkassette verzichtet werden. Selbst hochempfindliche Farbnegativfilme mit 27 DIN/400 ASA kann der Pocketfotograf für seine Kamera erhalten.
Die Minolta-Kamera ist eine Spiegelreflex-Kamera mit fest eingebautem Zoomobjektiv. Die Lichtstärke des Objektivs beträgt 3,5. Mit dem Brennweitenbereich sind Fotos vom leichten Weitwinkel bis hin zum kleinen Tele möglich. Die vollautomatische Belichtungsmessung deckt einen Zeitenbereich von 1/4 bis 1/1000 Sekunde ab.
Die Pentax-Techniker schafften es gar, eine Systemkamera mit Zwergendimensionen zu bauen. Auch bei der Pentax 110 erfolgt die Lichtmessung vollautomatisch. Die Zeitenskala reicht von 1/750-1 Sekunde. Das Einstellen der Entfernung ist denkbar einfach. Als Hilfe dient eine große Mattscheibe mit Schnittbild in der Mitte des Suchers.
Dennoch: Ohne das zahlreiche Zubehör wäre der Pocketzwerg weniger interessant. Es gibt eine ganze Reihe von Wechselobjektiven. Das Normalobjektiv hat die Lichtstärke 2,8 und eine Brennweite von 24
Millimeter. Das Weitwinkel hat eine Brennweite von 18 Millimeter. Auch auf Tele und Zoomobjektiv muß nicht verzichtet werden. Es gibt ein 50 und ein 70 Millimeter Tele, sowie ein Vario-Objektiv mit dem Bereich von 20 bis 40 Millimeter. Was bei Kleinbildreflex-Kameras vom Käufer als wichtiges Zubehör verlangt wird, der Winder für den motorischen Filmtransport fehlt auch bei der Pentax 110 nicht im Zubehörprogramm. Darüber hinaus gibt es noch zwei automatische Blitzgeräte, die einfaches Fotografieren garantieren.
In Testzeitschriften wird über die schlechte Qualität der Pocketabzüge gern lamentiert. Aber ebenso wie im Kleinbildbereich, gibt es gute und schlechte Labors. Da heute fast jedes Fotogeschäft als Service dem Kunden die sogenannte "Okay-Bildgarantie" einräumt, geht man kein Risiko ein. Sind die Bilder nicht so wie erwartet, sollte sofort reklamiert werden. Hat das Labor es auch beim zweiten Mal nicht geschafft, ein-wandfreie Vergrößerungen herzustellen, lohnt sich der Versuch bei einem neuen Labor. Pocket ist bei sachgerechter Verarbeitung für den Durchschnittsamateur durchaus zufriedenstellend. Hat man ein vernünftiges Labor ausfindig gemacht, darf auch nicht ein eventuell höherer Preis abschrecken.
Harald Nitz in Color Foto 10/1981
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