Artikeltext
Spezialreport
Das Objektiv der Kodak Disc Kameras
Maßstäbe gesetzt
In der teilweise heftig geführten Diskussion um die Disc-Fotografie kam ein Aspekt zu kurz: Das Objektiv. Branchenkenner sind sich darüber im Klaren, daß bei Disc Kameras die Qualität des Objektivs einer der entscheidenden Punkte ist.
Alle Modelle der Kodak Disc Kamera haben ein vierlinsiges Glasobjektiv der Lichtstärke 2,8. Das Objektiv wurde etwa ein dutzendmal verändert, ehe die richtige Kombination gefunden war und das Objektiv in Serie so gefertigt werden konnte, daß die Qualität nicht beeinträchtigt wurde. Um ein solches Objektiv zu einem annehmbaren Preis herstellen zu können, wendet Kodak außerordentlich komplizierte, automatisierte Produktionsverfahren an. So ist es möglich, die Krümmungstoleranzen der Einzellinsen in einem Bereich von plus minus weniger Bruchteile einer Wellenlänge des Lichts zu halten. Dies ist eine beträchtliche Leistung, bedenkt man, daß eine Wellenlänge etwa 1,25 x 10-6 mm mißt. Was die Spiegelung des Objektivs anbelangt, von der die Streuung des Lichts abhängt, sind die Toleranzen noch enger. Die Spiegelung richtet sich danach, wie stark ein Objektiv geschliffen ist. Kodak ist es gelungen, die Mikrostruktur der Linsenoberflächen innerhalb der Grenzen weniger Angström zu halten. Ein Angström, die Einheit, mit der im allgemeinen die Wellenlänge des Lichts gemessen wird, entspricht dem zehnmilliardsten Teil eines Meters.
Die Brennweite von 12,5 mm entspricht dem Abstand zwischen dem inneren optischen Mittelpunkt des Objektivs und dem Brennpunkt für einen in unendlicher Entfernung befindlichen Aufnahmegegenstand, doch mißt das gesamte Objektiv lediglich 15 mm von der Vorderseite der ersten Linse bis zur Filmebene. Trotz dieses kompakten Aufbaus kann das Objektiv einen Bildwinkel von 58xGRADx einfangen.
Eine besonders kurze Brennweite und ein relativ großer Bildwinkel sind keine Konstruktionsvorgaben, die unbedingt miteinander vereinbar sind. Viele kompakte Kleinbildkameras haben ein vierlinsiges Objektiv, doch die vier Linsen der Kodak Disc Kameras sind Teile eines auf spezielle Erfordernisse zugeschnittenen Konzepts.
Die vier Elemente bestehen aus drei verschiedenen Glassorten, die sowohl unter optischen Gesichtspunkten als auch im Hinblick auf ihre physikalischen Qualitäten oder Bearbeitungskriterien ausgewählt wurden. Die Objektivglieder sind zu einem Triplet zusammengefaßt. Das Objektiv besitzt außerdem als viertes Element eine große Streulinse, die am hinteren Ende des Objektivs angeordnet ist und ein Abbild des Motivs auf das 8 x 10 mm große Negativ des Kodacolor HR Disc Films projiziert. Dank des vierten Elements wird das Bildfeld ohne Auftreten eines nennenswerten Astigmatismus plan und der Gesamtabstand zwischen dem vorderen Scheitelpunkt und der Brennebene ganz gering gehalten.
Die entscheidende Rolle spielt jedoch bei diesem Objektivbau das zweite Glied, das im Gegensatz zu den meisten Linsen statt mit einer sphärischen mit einer asphärischen Oberfläche aus-gestattet ist. Eine der Hauptaufgaben dieses asphärischen Elements besteht darin, die sphärische Aberration zu korrigieren, eine der häufigsten Ursachen für optische Abbildungsfehler, die bei einem hochwertigen Objektiv nicht auftreten dürfen.
Bei der Triplet-Konstruktion des Objektivs der Kodak Disc Kameras korrigiert das asphärische Glied die durch die erste Linse des Objektivs verursachte sphärische Aberration und bewirkt gleichzeitig einen gewissen negativen Koma-Effekt, um das positive Koma, das an einer anderen Stelle innerhalb des Linsensystems entstanden ist, zu korrigieren. Das Koma ist ein weiterer, häufig auftretender Abbildungsfehler, der zu Verschlechterung des Abbildungsverhaltens optischer Systeme führt.
Durch den Einsatz von Computern konnte die Berechnung asphärischer Linsen beschleunigt und die Genauigkeit verbessert werden. Außerdem hat der technische Fortschritt auf anderen Gebieten dazu geführt, daß Produktionswerkzeuge und für die Massenfertigung bestimmte Verfahren einen bisher nicht gekannten Präzisionsstandard erreicht haben. Und schließlich hat die Entwicklung von Laser-Geräten und ihre Verwendung in Zusammenhang mit Interferometern dazu geführt, daß die Krümmung asphärischer Oberflächen bei der Qualitätskontrolle in einem Toleranzbereich von 0,00012 cm gemessen werden kann.
Die Objektivkonstrukteure von Kodak haben festgestellt, daß man, um die Vorteile der neuen Optik voll ausschöpfen zu können, die Objektivfassung genauso sorgfältig und präzise herstellen muß wie die einzelnen Glaslinsen.
Der Objektivfassung kommt ohnehin eine Schlüsselfunktion zu. Bei mit Hilfe von Computern angefertigten Konstruktionszeichnungen für Objektive geht man immer davon aus, daß die Einzellinsen horizontal und seitlich sorgfältigst ausgerichtet sind und so zueinander stehen, daß die Krümmungsmittelpunkte genau entlang der optischen Achse liegen. Um in der Praxis diesen theoretischen Anforderungen gerecht werden zu können, müssen bei der Herstellung der Objektivfassung Toleranzen von ± 0,025 mm eingehalten werden. Zu den weiteren Merkmalen der neuen Objektivkonstruktion gehören die Filmführung im Objektivkörper und die Anordnung von Blende und Verschluß zwischen dem ersten und zweiten Objektivglied.
Normalerweise ist die Filmführung ein separates Kamerabauteil. Im Falle unseres Objektivs jedoch bleibt die Einheit des optischen Systems erhalten. Jedes Bildfeld des Films wird vor der Belichtung exakt ausgerichtet und plan in die Brennebene gedrückt. Da also genau feststeht, wo sich der Film während der Belichtung befindet, kann das Fixfokus-Objektiv von vornherein auf die mittlere Magenta-Emulsionsschicht des Films fokussiert werden, d. h. nur wenige Mikrometer hinter der festliegenden Brennebene.
Nicht nur die Objektive der Kodak Disc Kameras waren eine Herausforderung an das Know How von Kodak, sondern auch die mehrlinsigen Glasobjektive, die in die Printergeräte eingebaut werden, die speziell für die Farbbild-Produktion von Kodacolor HR Disc Film Negativen konstruiert wurden. Die optischen Systeme, die für Printer entwickelt wurden, besitzen im allgemeinen vier Linsen. Die Objektive für die neuen Geräte haben sechs. Und ebenso wie das Objektiv für die Kodak Disc Kameras reichen auch die Printer-objektive nahezu an die Grenzen des Machbaren heran. Die qualitativ hochwertigen Objektive der Disc Kameras und Printer von Kodak tragen also ganz entscheidend dazu bei, daß sich die Ausbeute an guten Bildern wesentlich erhöht hat.
Anonym in Color Foto 3/1983
{ewl Thnhlp32.dll,THIN,SKIN.LZH;STEIMERM.BMP}