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DAS COLOR FOTO-GESPRÄCH MASAHIRO TANAKA Wohin geht die Fotografie? INTERVIEW MIT CANON FOTOBOSS MASAHIRO TANAKA Wichtige Ereignisse werfen ihre Schatten voraus. Gespannt blickt die Branche auf die kommende photokina im Herbst dieses Jahres. Knapp ein Jahr vor dem 150. Geburtstag der Fotografie erwartet man, daß im Oktober 1988 in Köln die Weichen für das Fotografieren im Jahr 2000 gestellt werden. COLOR FOTO befragte in Tokio Canon Boss Masahiro Tanaka, den Herrscher über das größte Kamera-Imperium der Welt, zu den Trends der Fotografie im nächsten Jahrhundert. COLOR FOTO: Mr. Tanaka, im Herbst dieses Jahres wird Köln zum 20. Mal der Mittelpunkt der Fotowelt sein. Welche Bedeutung hat dieses Ereignis für den größten Kamera-Hersteller der Welt? MASAHIRO TANAKA: Die photokina hat in den letzten Jahren durch den ungünstigen Zeitpunkt für den Verkauf und die Einführung neuer Produkte für die Industrie gegenüber der in Amerika stattfindenden PMA an Bedeutung verloren. Sie ist aber nach wie vor für Canon die wichtigste Messe. In diesem Jahr kommt ihr durch die Entwicklung des amerikanischen Marktes auf Grund des Dollarverfalls wieder größere Bedeutung zu. Wir werden sie nützen, um unsere wichtigsten Innovationen zu zeigen. COLOR FOTO: Wie werden diese Innovationen aussehen? MASAHIRO TANAKA: Wir werden in allen Bereichen neue Produkte vorstellen. Zusätzlich zu den bereits in Amerika gezeigten Kompakt-Kameras werden wir in Köln weitere Modelle vorstellen. Wir werden die Linie der EOS-Autofokus-Kameras erweitern und wir werden erstmals neben unserer neuen Stillvideo-Kamera für Profis eine elektronische Kamera für Hobby-Fotografen vorstellen. COLOR FOTO: Sie beabsichtigen in Köln neue EOS-Kameras vorzustellen. In Deutschland sind aber viele Canon-Fans verärgert, weil sie noch immer vergebens auf einen Teil der angekündigten Objektive zur EOS warten. Ist es sinnvoll, neue Kameras auf den Markt zu bringen, für die es keine Objektive gibt? MASAHIRO TANAKA: Es stimmt leider, daß Canon bei einigen der angekündigten Objektive Lieferschwierigkeiten hatte, da bei den unter-schiedlichen, speziellen Motoren, die auf jeden einzelnen Objektivtyp abgestimmt sind, Probleme auftraten, die aber inzwischen behoben sind. Alle angekündigten Objektive werden in Kürze in ausreichender Zahl lieferbar sein. Im Augenblick bieten wir fünfzehn verschiedene Objektive an. Bis zum Ende dieses Jahres werden es dann schon 20 bis 22 sein. COLOR FOTO: Wie der abnehmende Markt für Diafilme und Spiegelreflex-Kameras zeigt, hat die Fotografie als Hobby weltweit an Attraktion verloren. Läßt sich diese Tendenz nur durch ständige Innovationen stoppen? MASAHIRO TANAKA: Es stimmt, daß andere Hobbies im Vergleich zur Fotografie stärker wachsen. Dennoch zeigen die Zahlen an belichteten Filmen und in Auftrag gegebener Bilder, daß das Interesse an Fotos nach wie vor wächst. Wenn das Interesse an der anspruchsvolleren Fotografie wachgehalten werden soll, dann müssen wir mehr mit der Software als mit der Hardware werben. Wir müssen stärker das Ergebnis, das Bild in den Vordergrund stellen und zeigen, wie es unseren Lebensstil beeinflußt. Die Kamera kann das Leben nicht beeinflussen. Viele Menschen sind von ihren Kameras enttäuscht, weil sie noch nicht das Foto gemacht haben, das Auswirkungen auf ihr persönliches Leben hat. Ihr Interesse an der Fotografie geht daher allzu leicht verloren. Wir müssen ihnen zeigen, wie Fotos das Leben verschönern. COLOR FOTO: Wie müßte das aussehen? MASAHIRO TANAKA: Ich hatte vor einigen Wochen die Aufgabe vor dem Rotarier Club in Tokio über die EOS zu sprechen. Ich habe dazu eine Reihe persönlicher Fotos aus-gesucht, die ich zum Teil selbst gemacht habe oder die von Fotografen stammten. Ich habe Bilder mit Weichzeichner gezeigt. Makroaufnahmen von Blumen, Szenen am Strand, Kinder, Schnappschüsse und so weiter. Ich habe erzählt, wie es zu diesen Fotos kam. Da waren zum Beispiel die Fotos von meinem Garten. Er ist das Lieblingskind meiner Mutter. Als Sie längere Zeit ins Krankenhaus mußte, habe ich ihr jede Woche neue Aufnahmen ins Krankenhaus gebracht. Der Doktor sagte mir, daß diese Bilder für ihr Befinden sehr wichtig waren. Es waren ganz alltägliche Bilder, die aber eine große persönliche Bedeutung haben. Solche Bilder habe ich also gezeigt und erst am Schluß meines Diavortrages, habe ich gesagt, daß mit einer EOS jeder solche Bilder selbst machen kann. Von den etwa hundert Gästen wollte anschließend ein Drittel die Kamera kaufen, obwohl ich überhaupt nichts über ihre Technik gesagt habe. COLOR FOTO: Bilder sprechen für sich. Aber macht nicht auch die Technik oder das Design eine Kamera attraktiv? MASAHIRO TANAKA: Wir haben immer besonderen Wert auf das Design gelegt und uns von bedeutenden Designern, wie etwa Colani in Deutschland beraten lassen. Im Design äußert sich der Lebensstil einer Epoche. Es ist Teil der Kultur. Ein neues Design vorstellen, heißt, den Lebensstil verändern. Wir möchten mit unserem Design möglichst viele Leute ansprechen. Deshalb wollen wir auch nicht die einzelnen Namen unserer Berater zu sehr strapazieren. Zu schnell ändert sich die Mode. Spätestens alle fünf Jahre müssen wir unser Design ändern. COLOR FOTO: Seit Jahren nimmt Canon die Spitzenposition unter den Kamera-Herstellern ein. Im eigenen Haus aber schrumpft die Bedeutung der Kamera-Produktion im Vergleich zum wachsenden Umsatz anderer Canon-Produkte. Wird dadurch das Interesse der Firma an fotografischen Produkten leiden? MASAHIRO TANAKA: Die Kameras sind noch immer das Gesicht von Canon. Obwohl wir bereits vor zwanzig Jahren mit der Diversifizierung begonnen haben, denken immer noch nur zehn Prozent der Leute an Büromaschinen, wenn sie das Canon-Logo sehen. Solange also Canon das Firmenlogo bleibt, wird es auch Canon-Kameras geben. Außerdem gehört auch umgekehrt der Benutzer von Canon Büromaschinen zur Zielgruppe für Canon-Kameras. Zusätzlich wachsen durch die modernen Kommunikationstechniken Fotografie und Video stärker mit dem Büromaschinensektor zusammen, wie das Beispiel unseres Laser-Farbkopierers zeigt. Wahrscheinlich werden wir sogar auf der photokina einen neuen Laser-Farbkopierer präsentieren. COLOR FOTO: Canon will zur photokina eine Stillvideo-Kamera für den Verbrauchermarkt präsentieren. Wie schnell, glauben Sie, wird sich die elektronische Fotografie durchsetzen. MASAHIRO TANAKA: In etwa zwei bis drei Jahren nach seiner Markteinführung, also etwa 1992/93, wird Stillvideo gegenüber der herkömmlichen Fotografie nicht mehr als 2 bis 3 Prozent erreichen. Es wird die herkömmliche Fotografie nicht ersetzen, sondern als zusätzliches Medium neben ihr existieren. COLOR FOTO: Sind denn Stillvideo-Kameras überhaupt noch notwendig. Wird man in Zukunft nicht auch einfach mit den Camcordern und ihren High-Speed-Verschlüssen Fotos machen können? MASAHIRO TANAKA: Ich halte Stillvideo-Kameras aus mehreren Gründen für notwendig. Wer Fotos machen will, nimmt nicht eine ganze bewegte Szene auf und sucht sich dann ein Bild aus. Fotografen und Videofilmer haben andere Ziele. Auf Filme muß man sich als Zuschauer konzentrieren. Bei der Betrachtung von Bildern kann man seine Gedanken schweifen lassen. Man kann sich an die Umstände erinnern, unter denen sie entstanden sind, darüber reden und in Erinnerungen schwelgen. Das geht mit dem bewegten Bild nicht. Ein anderer, praktischer Grund ist die Größe. Wie zum Beispiel der Walkman zeigt, lassen sich Geräte nicht kleiner bauen als die Software, die sie benötigen. Die Video-Floppy läßt theoretisch Kameras zu, die man in jede Westentasche stecken kann. Die kleinste Video-Kassette ist noch immer viel größer als die Floppy. In Bezug auf die Kameragröße stecken in Stillvideo also mehr Möglichkeiten. COLOR FOTO: Mr. Tanaka, vielen Dank für das Gespräch und Aufwiedersehen auf der photokina. Zur Person Masahiro Tanaka, seit Januar letzten Jahres "Chief Executive of Camera Operations" ist 54 Jahre alt und seit 32 Jahren bei Canon. Er studierte Wirtschaftswissenschaften auf der Doshisha Universität in Osaka. Bereits 1979 wurde er General Manager der Foto-Division bei Canon Inc. und ist seit fünf Jahren Managing Director der Firma. Heute ist er der Herrscher über das größte Kamera-Imperium der Welt. Masahiro Tanaka ist verheiratet und Vater von zwei Töchtern. Seine Hobbies sind neben der Familie, wie sollte es anders sein, Fotografie und Golf. Michael Tafelmeier in Color Foto 4/1988 {ewl Thnhlp32.dll,THIN,SKIN.LZH;STEIMERM.BMP}