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FOTOPRAXIS
Klassiker aufgefrischt
Kamerarestaurierung
Vor genau einem Jahr verriet COLOR FOTO-Leser Rolf Schade, wie man den handelsüblichen Rollfilm zum 4x4 Format für die alte „Baby” Rollei trimmt. Sein neuester Tip: die Restaurierung einer Leica M3.
Die Wiederherstellung alter Automobil-Veteranen begeistert eine wachsende Schar von Anhängern. Auch das Aufpolieren alter Kameras kann viel Spaß bringen und ist zudem eine interessante Wertanlage. (Vor allem im Fall von Leica-Kameras.)
Das Modell M3, welches von 1954 bis 1968 gebaut wurde, hatte erstmals die Bajonettfassung und die Möglichkeit, im Sucher die Entfernungseinstellung zu bestimmen. Vorher waren Sucher- und Entfernungsmesserinformation getrennt. Zwar waren viele Leitzianer von dem insgesamt voluminöseren Gehäuse etwas enttäuscht, doch ist die M3 für viele die schönste Meßsucher-Leica.
Der gute Fang
Wenn man als preiskundiger Sammler eine Leica M3, zudem mit dem 2/35-mm-Summicron (mit Suchervorsatz) und dem 4,5/135-mm-Hektor, für ganze 250 Mark angeboten sieht, ist man mehr als überrascht. Das Angebot aus einem der Anzeigenblätter hatte sicherlich irgendwo im Getriebe eine Null vor dem Komma verloren. Ein Anruf bei dem Interessenten brachte jedoch etwas anderes an den Tag: Die zurückhaltende Preisvorstellung beruhte auf der Tatsache, daß diese Kamera vor ca. 10 Jahren kurzzeitig im Brackwasser gelegen hatte. Danach wurde sie aufgegeben und geriet bis jetzt in Vergessenheit.
Die Leica war äußerlich in exzellentem Zustand, als ich sie bekam. Auch das Teleobjektiv sah sehr gut aus. Es hatte keinen Wasserkontakt gehabt und war somit technisch in Ordnung, und allein schon den Kaufpreis wert.
Die Hoffnung, auch das Gehäuse schnell wieder in einen gebrauchstüchtigen Zustand zu versetzen, wurde jäh gedämpft. Ich entschloß mich deshalb, auch auf das Risiko, noch mehr Schaden anzurichten, den Funktionsstörungen auf den Grund zu gehen. Immerhin boten sich auf Anhieb einige Schrauben an, die ein erfolgreiches Vordringen in das Innenleben verhießen. Erste Versuche, diese herauszudrehen, gaben einen kleinen Vorgeschmack auf das, was da auf mich zukam. Als Werkzeug setzte ich vornehmlich Uhrmacherschraubendreher ein. Für Schrauben mit zwei Löchern statt eines Schlitzes oder Kreuzschlitzes wurde eine sogenannte Rosenkranzzange zweckentfremdet. Diese Zange mit den spitz zulaufenden, runden Backen wird normalerweise von Gärtnern zum Binden von Kränzen und Sträußen verwendet.
Andere glatte Ringe sowie die Kappe zur Befestigung des Schnellschalthebels schützte ich vor dem Zangeneinsatz mit Klebeband. Die Drehung jedes Schraubenkopfes konnte nach der Vorgeschichte der Kamera nicht unbedingt gleichbedeutend mit der Drehung der gesamten Schraube sein. Ich fand mich mit dem Gedanken ab, daß unter Umständen auch die Schraube abgedreht wurde. Um den Schraubenkopf aus Gründen der Originalität wieder zu verwenden, hatte ich ihn im Zentrum aufgebohrt und dort ein neues Gewindestück eingearbeitet.
Der Rostlöser löst alles
Jede Schraube wurde vorsichtshalber immer vor dem Entfernen mit Rostlöser behandelt. Die erforderliche Einwirkzeit stellte mich immer wieder auf eine harte Probe. Bis das Gehäuse die Funktionsträger der Kamera preisgab, vergingen oft Tage. Immer wieder stellten sich Zweifel ein. ob etwas, was nicht abging, noch irgendwo befestigt sein konnte oder gar festoxidiert war. Den stärksten Widerstand leistete in dieser Hinsicht der Boden. Dies ist das ganze verchromte Oberteil, denn die Kamera stand seinerzeit während der Produktion auf dem Kopf. Nach vielen Versuchen ließ sich nun auch endlich der Boden vom übrigen Gehäuse trennen. Da der schwarze Überzug des übrigen Gehäuses, das von Leitz entwickelte „Vulcanit”, an einigen Stellen brüchig war, entschloß ich mich zur restlosen Entfernung.
Krokoleder fürs neue Outfit
Für die Neubelederung mußten Teile einer ausgemusterten Krokolederbrieftasche herhalten. Dieses Leder ist zu empfehlen, da es auf der einen Seite nicht so hart ist und auf der anderen Seite eine gewisse Griffigkeit mit starker Strapazierfähigkeit verbindet.
Vor dem Zuschneiden des Leders wurde auf das Gehäuse eine transparente Folie geklebt und hierauf die erforderlichen Zuschnitte aufgezeichnet. Abschließend habe ich die Folie auf das Leder geklebt und die Stücke mit einem Messer zugeschnitten.
Auch die „entblößte” Leica sah sehr gut aus, bei näherer Betrachtung zeigten aber Rost- und Salzspuren den Grund für das totale Versagen all der Funktionen, bei denen die Kamera etwas selbständig erledigen mußte. So wie beim Tuchverschluß und dem Vorlaufwerk des Selbstauslösers. Dieser und das Hemmwerk für die zeitgenaue Auslösung des zweiten Verschlußvorhangs wurden aus-gebaut und mehreren Tauchbädern im Rostlöser unterworfen.
Nachdem die gesamte Sucher-/Entfernungsmessereinheit demontiert war, bekam auch die übrige, nicht gefahrlos zerlegbare und deswegen weitestgehend unangetastete Mechanik ihr Rostlöserbad. Zur Endreinigung hatte ich die Munddusche zweckentfremdet.
Nachgeölt und gefettet wurde danach mit Kugellagerfett und sehr feinem, sogenanntem Weltraumöl. Dies entspricht sicherlich nicht ganz dem Leitz Standard, hat sich aber schon bei Temperaturen bis zu minus 20 Grad bestens bewährt.
Auch die zum Teil beschlagenen Gläser wurden aufgearbeitet. Hierfür polierte ich alle am Boden befindlichen Gläser mittels Stahlscheuermilch, wie man sie beispielsweise zur Reinigung von Küchenspülen verwendet.
Ersatzteile von Leitz
Die Einwirkung des Salzwassers nicht überstanden hatte eine für das Rückholen des Zählwerks erforderliche Feder. Sie befindet sich in einem kleinen, geschlossenen Gehäuse. Die Leitz-Techniker standen mir nach anfänglicher Zurückhaltung mit Rat und Tat zur Seite und lieferten prompt die Ersatzteile problemlos und sogar ohne Berechnung.
Endspurt: Der Zusammenbau
Schade Rolf in Color Foto 2/1989
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