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Japan Trends
Comeback für Spiegelreflex
Japan setzt wieder auf Spiegelreflex. Nachdem Canon, Minolta und Nikon kräftige Zuwachsraten verbuchten, wollen auch andere Hersteller vom Trend profitieren. COLOR FOTO sprach mit Entwicklungsingenieuren und Marketing-Strategen.
Etwa 800 000 Spiegelreflexkameras sollen im vergangenen Jahr in Japan verkauft worden sein. Eine Zahl, von der nicht einmal die optimistischsten Marketing-Experten des Landes zu träumen wagten. Innovationen bei den "Großen Drei", Canon, Minolta und Nikon, haben das neue Wachstum ermöglicht. Kein Wunder, daß plötzlich das vielgeschmähte Wort Spiegelreflex für alle Kamerahersteller wieder neuen Glanz erhielt. Schließlich ist es in Japan so etwas wie Tradition, sich an die sich abzeichnenden Erfolge anderer anzuhängen. Schwor noch zur PMA Ernst-Jürgen Schönborn, Division Manager von Consumer Products International, Olympus Europe, an die Wiederbelebung von Spiegelreflex würde zur Zeit bei Olympus nicht gedacht, so behauptet Star-Designer Yoshihisa Maitani, der zum Vorstandsmitglied anvancierte frühere Entwicklungschef, das glatte Gegenteil. Der Vater des "Eies von Olympus", der legendären, überaus kompakten XA-Sucherkameras und der beliebten Olympus OM-Spiegelreflexreihe, versichert, daß sich Olympus auf keinen Fall aus dem Spiegelreflex-Geschäft zurückziehen wird. "Im Gegenteil, wir arbeiten seit Jahren intensiv an der Entwicklung einer konkurrenzfähigen Spiegelreflexkamera, die den Bedürfnissen der Verbraucher entspricht. Daß sich in der jüngsten Vergangenheit unser Geschäft mehr auf die kompakten Kameras konzentrierte, war einerseits eine Reaktion auf den Markt, andererseits verlangt es auch einen sehr viel größeren Aufwand, Spiegelreflexkameras zu entwickeln, die den heutigen Ansprüchen standhalten. Auch wenn es nach außen momentan nicht sichtbar wird: Wir entwickeln auf allen Gebieten der Fotografie, von der recht einfach zu bedienenden Sucherkamera bis zum Spitzengerät für anspruchsvollste Fotografen."
Geradezu unwillig reagiert Yoshihisa Maitani auf die von der Deutschen Niederlassung so gern verwendete Bezeichnung "New Concept-Camera" für die Zoom-Kameras von Olympus. "In den letzten Jahren haben Autos, Möbel, Fernseher oder Telefone ihr Aussehen und ihre Technik ständig verbessert. Niemand kommt deswegen auf die Idee, von einem neuen Konzept zu sprechen. Es ist eine Entwicklung. Nicht mehr und nicht weniger. Autos wechseln Jahr für Jahr ihr Aussehen und verbessern ihre Technik. Deshalb ist doch nicht gleich von einem neuen Konzept die Rede." Auch von dem gern benutzten Ausdruck "all in one", der die Alles-in-Einer-Kamera beschreibt, hält das Vorstandsmitglied herzlich wenig. "Es ist eine Illusion, alle Bedürfnisse mit nur einer Kamera befriedigen zu wollen. Deshalb wird es auch von Olympus stets eine ganze Palette von Kameras geben, die von der einfachen Sucherkamera bis zum SLR-Topmodell reichen." Wann allerdings Olympus seiner nun doch in die Jahre kommende OM-4 Ti eine moderne Top-Kamera an die Seite stellen wird, wollte Maitani nicht verraten. "Wir hoffen bald, aber es ist noch keine Entscheidung gefallen", war als einziger Kommentar zu erhalten.
Auf dem Sektor der Zoom-Kameras will Olympus schon sehr bald mit einer neuen Variante überraschen. Noch vor der photokina Ende August sollen Einzelheiten darüber bekanntgeben werden. Von Yoshihisa Maitanis Traumkamera wird vermutlich auch diese Neuheit meilenweit entfernt sein. Der berühmte Kamera-Designer träumt davon, einen Weg zu finden, Bilder so in Erinnerung behalten und vermitteln zu können, ohne daß dazu eine Kamera nötig wäre.
Doch gar so weit, wie es zunächst den Anschein hat, sind Maitanis Träume von der Wirklichkeit gar nicht entfernt. "Intersensing" heißt das Zauberwort in den Labors des neu errichteten Forschungs- und Entwicklungszentrums von Olympus am Fuße des Kanto-Gebirges bei Tokio. Als "Intersensing" bezeichnen die Olympus-Forscher die von ihnen entwickelten Technologien auf dem Gebiet der Sensorsteuerungen. Einige dieser Zukunftstechnologien, von denen die meisten zunächst vor allem in der Medizin, der Wissenschaft, Forschung und Industrie zur Anwendung kommen werden, sind auch in den Kameras der nächsten Generation zu erwarten. Neuartige AF-Systeme mit Ultraschallantrieben wären dafür ebenso ein Beispiel wie elektronische Bildstabilisierung zur Vermeidung von verwackelten Aufnahmen. In dem Forschungszentrum zählen zum Thema "Intersensing" auch neue Technologien der elektronischen Bildaufzeichnung, -speicherung und -weiterverarbeitung. Mit seiner Optical Memory Card zählt Olympus zu den Vorreitern auf dem Gebiet optischer Speicher. Die scheckkartengroße Speicherkarte besitzt eine Kapazität von 2,5 Megabyte, das entspricht etwa einem Umfang von 1 000 Schreibmaschinenseiten. Befragt, wo Olympus nun die Zukunft der Fotografie sehen würde, sei es nun Still-Video oder Digital Card, gab Yoshihisa Maitani ein ganz persönliches Votum für die Optical Memory Card ab. "Diedigitale Bildaufzeichnung hat gegenüber der Still-Video-Floppy so viele Vorzüge, daß es aus technischer Sicht nicht schwerfällt, sich für diesen Weg zu entscheiden. Aber wir haben auch die Gesetze des Marktes zu bedenken, und Olympus möchte interessante Produkte für möglichst große Verbraucherschichten schaffen. Hier kann es sein, daß die Digitaltechnik noch zu teuer ist, um sie in einem Produkt zu verwirklichen, das sich jeder leisten kann. Aus diesem Grunde kann es sein, daß sich die preiswertere Still-Video-Floppy zunächst schneller durchsetzen wird. Wir haben uns noch nicht entschieden, auf welche der beiden Technologien wir uns konzentrieren werden. Wir besitzen auf beiden Gebieten ein umfangreiches Know-how, das wir durch die ständige Basisforschung laufend erweitern." Auch bei Kyocera hofft man, auf der photokina für alle Bereiche der Kameratechnik - von der kompakten Sucherkamera über AF- und Non-AF-Spiegelreflexkameras bis hin zu Still-Video-Geräten und Kamkordern - neue Produkte vorstellen zu können. Als sicher gilt, daß Kyocera seiner AF-Spiegelreflexkamera-Reihe eine Verjüngungskur verordnen will. Nach der Vorstellung des neuen Contax Topmodells, der RTS III, soll eventuell noch zur photokina der zweite Paukenschlag folgen. "Wir halten die photokina für eine hervorragende Gelegenheit zu zeigen, daß Kyocera noch immer eine wichtige Rolle auf dem Fotomarkt spielt", erklärte Yoshizo Yasuda, Senior Managing Director der Optical Equipments Division der Firma. "Wir werden versuchen, so viele neue Produkte zu zeigen wie nur möglich. In den letzten Jahren haben wir verstärkt unser Samurai-Konzept verfolgt. Jetzt werden wir zeigen, daß wir auch auf den anderen Sektoren nach wie vor aktiv sind. Es wird von uns neue Kompaktkameras, SLR-Kameras und Kamkorder geben. Außerdem sind wir sehr weit in der Entwicklung von Still-Video-Kameras. Wir werden in der Zukunft unsere Hauptaktivitäten auf drei verschiedene Bereiche verteilen: erstens konventionelle Kameras der Topklasse, zweitens Kamkorder und drittens Still-Video. In Japan haben bereits 87 Prozent aller Haushalte eine Kamera. Trotz dieser hohen Sättigung besteht nach wie vor eine große Nachfrage an innovativen High-Tech-Produkten. Wir sehen diesen Trend zu starkem Wachstum übrigens auf der ganzen Welt."
Aus der Gerüchteküche um Kyocera stammt die Information über ein neuentwickeltes Sensorsystem für die Autofokus-Steuerung. Ein Infrarot-Meßsystem im Sucherokular soll die Augenbewegung des Fotografen verfolgen und auf Grund dieser Messung eines der sechs Meßfelder für Autofokus und Belichtungsmessung aktivieren. Genauer kann man sich eine AF-Messung kaum vorstellen. Bleibt jedoch abzuwarten, wie reaktionsschnell das neue Sechsfeld-AF-System arbeitet. Mehr als ein Prototyp dieses sensationellen Modells wird allerdings auf der photokina wohl nicht zu sehen sein. Da Kyocera in Zukunft auch alle Zeiss-Objektive für die Contax selbst bauen wird, erwartet die Branche, daß auch die Contax-Kamera-Reihe unterhalb der RTS III nochmals Zuwachs erhält. Es liegen auch Vorschläge von neuen Zeiss-Objektiven aus Oberkochen vor, über deren Produktion demnächst entschieden werden soll. Doch zunächst ist das Objektivprogramm von Zeiss erst einmal gestrafft worden. Einige weniger gefragte Objektiv-Typen wurden aus dem Programm genommen, darunter das lichtstarke 2/28 mm Distagon, das 2/100 mm Planar und das 2,0/135 mm Planar. Leider sind es gerade die lichtstärkeren Versionen, die in Zukunft nicht mehr gebaut werden sollen. Auch von einer neuen Contax T wird gemunkelt. Zwar war keine Bestätigung darüber zu erhalten, aber es wurde auch kein Dementi geäußert. Sie soll nicht größer sein als ihr Vorgänger-Modell, aber einen eingebauten Blitz besitzen. Sie soll über Autofokus verfügen, aber auch die Möglichkeit bieten, manuell über Mischbildsucher wie beim berühmten Vorgängermodell die Entfernung einzustellen.
Der dritte Spiegelreflexhersteller, von dem neue Produkte längst überfällig sind, ist Pentax. Die Spekulation, Pentax würde darüber nachdenken, den weniger lukrativen SLR-Markt ganz und gar den anderen zu überlassen, weist Minoru Suzuki, Vater der bahnbrechenden Pentax Spotmatic und heute Managing Director der Firma, weit zurück. "Wenn Pentax die Entwicklung und Produktion von Spiegelreflex aufgibt, müßte es die Produktion von Kameras überhaupt aufgeben", versichert er. "Solange es Menschen gibt, werden diese auch Bilder machen wollen. Das gilt sowohl für Lauf- als auch für Stehbilder. Diese Tatsache sichert innovativen Kameraherstellern auch in Zukunft einen interessanten Markt."
Auch bei Pentax wird bei der Entwicklung von Kameras nicht nur auf den Markt geschaut. Es ist kein Geheimnis, welche Bedeutung ein Spitzenmodell, auch wenn es sich nur in geringen Stückzahlen verkauft oder sogar ein Zusatzgeschäft ist, für das Image der Marke hat. Schon deshalb wird bei Pentax intensiv an der nächsten Generation von AF-Kameras gearbeitet. "Die Entwicklungskosten für Spiegelreflexkameras sind durch die hinzugekommenen elektronischen Steuerungen enorm gestiegen, wohingegen die Lebenszyklen der Kameras und damit die zu erwartenden Umsätze pro Modell geringer geworden sind. Das wird es kleineren Unternehmen schwer machen, auf diesem Markt mitzuhalten, und das erklärt die ständige Schrumpfung der Zahl der Hersteller. Kämpften vor 20 Jahren noch über zehn gleichwertige Hersteller um den SLR-Markt, so tut dies ernstzunehmenderweise heute nur noch gerade die Hälfte."
Daß Pentax mit dabei ist, will man auf der photokina beweisen. Nicht von einer neuen AF-SLR-Kamera wird gemunkelt, sondern von einer ganzen Serie. Ein Profi-Modell wie die Pentax LX mit Autofokus wird jedoch kaum zu erwarten sein. Als einen Schwachpunkt moderner Kameras sieht Minoru Suzuki noch immer das Laden der Filmpatrone. "Trotz aller Einfädelautomatiken, DX-Kodierungen und motorischer Transportmöglichkeiten halte ich die Filmpatrone für einen Anachronismus in der Spiegelreflexfotografie", erläutert er. "Das ist keine Aufgabe, die ein Hersteller allein lösen kann", erklärt Minoru Suzuki, "aber es wird daran gearbeitet."
Auch auf dem Gebiet von Still-Video und Kamkordern will Pentax sich verstärkt engagieren. Bei der elektronischen Stehbildaufzeichnung gibt man zunächst Still-Video die größere Chance. "Die Floppy ist ein sehr preiswertes Speichermittel.
Andere Verfahren sind noch zu teuer für den breiten Markt", erläutert Minoru Suzuki seinen Standpunkt.
Obwohl Minolta vorher bereits durch seine Rückwände zur 7000 und 9000 sein Know-how auf dem Gebiet von Still-Video unter Beweis stellte, setzt man hier für die kommenden Jahre doch mehr auf die konventionelle Fotografie. "Wir haben mit innovativen Produkten dazu beigetragen, den SLR-Markt wiederzubeleben", sagt Toshio Kobori, Chef der Planung. "Mit guten Produkten wird sich die konventionelle Fotografie noch sehr lange halten und gute Geschäfte machen können."
Doch im Gegensatz zu ihm sieht man bei Minolta im Marketing die Dynax-Reihe momentan als abgeschlossen an, und Masakazu Itakura von Minolta Deutschland versichert: "Ich garantiere Ihnen, daß es in den nächsten zwölf Monaten keine neue Profikamera geben wird".
Bei Sigma, dem größten unabhängigen Anbieter für die moderne AF-Kamera-Generation, fühlt man sich von den Mitbewerbern allein gelassen. "Ich wünsche mir wirklich, daß sich Firmen wie Tamron und Tokina wieder verstärkt um diesen Markt kümmern würden und wir als Verbündete gemeinsam den Schwierigkeiten begegnen könnten, die den Unabhängigen von den Kameraherstellern häufig bereitet werden", sagt Michihiro Yamaki, Präsident des Unternehmens. Seiner Meinung nach hat sich der Markt der Markt für die Hersteller von Fremdobjektiven grundlegend geändert. "War es früher der günstigere Preis, über den wir verkaufen konnten, so sind es heute hochwertige Produkte, die Lücken ausfüllen, die von den Kameraherstellern selbst vernachlässigt wurden. Wir haben heute das Handicap, daß wir andere Brennweiten und eine bessere Qualität als die Originalhersteller anbieten müssen. Und das möglichst zu einem guten Preis." Die Anforderungen, die heute an unabhängige Objektivhersteller gestellt erden, sind so hoch, daß nur wenige von ihnen eine Chance haben zu überleben. "Wir müssen sowohl in der Mechanik und Optik als auch in der Elektronik und Softwareherstellung Spitze sein. Hinzu kommt die ständige Auseinandersetzung mit Patenten, die beachtet werden müssen." Um diesen gewaltigen Anforderungen entsprechen zu können, sind hohe Investitionen nötig, die nur durch ständiges Wachstum finanziert werden können.
Die Firma Sigma versucht dieses Wachstum verstärkt durch Diversifizierung zu erreichen. "Wir haben unser Know-how dazu genutzt, selbst Zoom-Kompaktkameras zu entwickeln und zu vermarkten. Zwei Modelle, die 35 AF Zoom und die 50 AF Zoom, wird es demnächst auch in Deutschland geben." Auf die Frage, ob Sigma denn eines Tages auch eine eigene SLR-Kamera präsentieren wird, meint der Präsident: "Es ist noch zu früh, darüber zu sprechen. Aber Sigma feiert im nächsten Jahr sein 30jähriges Jubiläum. Das ist sicherlich ein Anlaß für uns, unsere Leistungsfähigkeit auf allen Gebieten unter Beweis zu stellen." Ein Leistungsbeweis soll bereits auf der diesjährigen photokina erbracht werden: Ein 1,8/28-mm-Weitwinkelobjektiv mit asphärischer Linse für AF -und Non-AF-Kameras. Auch bei dem unabhängigen Objektivhersteller Tamron setzt man auf Wachstum durch Diversifizierung und Innovation. Das Anfangs sehr vernachlässigte Angebot an AF-Objektiven soll deutlich gesteigert werden. Zu-nächst wird als Ergänzung zu dem bereits lieferbaren Zoom 35-90 mm ein Zoom 4,5-5,6/ 90-300 mm auf den Markt kommen. Insgesamt sind vier neue Objektive für die photokina geplant, die es sowohl für AF- als auch Non-AF-Kameras geben wird. Die geplanten Objektive sind in der oberen Preisklasse angesiedelt und zeichnen sich durch hohe Lichtstärken aus. Ein zweites Bein für den Objektiv-Hersteller, von dem heute etwa 25 Prozent aller Kanmkorder-Objektive stammen, ist die neue Fotovix-Serie zur Betrachtung von Dias oder Negativen auf dem Bildschirm oder die Überspielung auf Video geworden. Auch hier werden auf der photokina neue Produkte zu sehen sein. Geplant ist eine verbesserte, kleinere Ausführung des Fotovix-Editors zur Nachbearbeitung der Fernsehbilder.
Sehr aktiv zeigt sich übrigens die japanische Fotoindustrie auch in Korea. Der Multi Goldstar fertigt für Canon und verkauft Canon-Produkte im Lande unter der Marke Canon-Goldstar. Umgekehrt produziert Samsung Aerospace für Minolta. Doch der koreanische Fotoneuling gibt sich nicht damit zufrieden, für andere Fotoapparate zu bauen. Man will in nächster Zeit mehr und mehr die eigene Marke forcieren. Der erste Schritt besteht in einer Reihe von Kompaktkameras, darunter die besonders attraktive Slim, von der man sich einen größeren Marktanteil erhofft. Ein nächster Streich soll eine weitere Zoom-Kompaktkamera sein. Mister Lee von der Kamera-Entwicklungsabteilung im Samsung-Werk in Changwon träumt sogar von einer eigenen Autofokus-Spiegelreflexkamera. Sie soll es möglicherweise schon im nächsten Jahr geben.
Anonym in Color Foto 8/1990
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