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Autofokus-Problemfälle
Wenn der Autofokus streikt
Die Autofokusobjektive und Autofokuskameras der Vor-Minolta-7000-Ära und auch einige der ersten "richtigen" AF-Kameras krankten daran, daß die automatische ausgerechnet dann nicht mehr weiterhalf, wenn die Fokussierung mit dem bloßen Auge schwierig wurde. Wo liegen die Probleme im Umgang mit Autofokus heute?
Die Hersteller der Autofokus-SLR-Kameras scheinen von ihren Autofokussystemen sehr überzeugt zu sein und davon auszugehen, daß manuelles Fokussieren die große Ausnahme ist. Warum sonst würden sie die Fokussierringe ihrer AF-Objektive so schmal machen? Da aber immerhin an den AF-Objektiven ein Fokussierring vorhanden ist, wird wohl auch mit Situationen gerechnet, in denen es nötig ist, die Schärfe von Hand einzustellen.
Ein Blick in die Gebrauchsanweisungen für die einzelnen AF-Kameras zeigt tatsächlich etliche Motive, die mit Schärfenautomatik nicht zu meistern sind. Und da AF-Fotos eben nicht möglich sind, werden diese Motive in kleinen Zeichnungen dargestellt, wobei nicht jedes Bild ein bestimmtes Motiv meint. Visualisiert werden sollen allgemeine Aufnahmesituationen, die eine Schärfenautomatik in die Irre führen können.
Sehr helle Gegenstände im direkten Sonnenlicht blenden die AF-Sensoren. In dem meisten Fällen hilft nur manuelles Fokussieren; mitunter kann ein Ersatzmotiv in gleicher Entfernung angepeilt und die Schärfe gespeichert werden.
Glitzernde, spiegelnde Oberflächen wie Wasser im Sonnen-licht, Glasfassaden, beleuchtete Folien machen den Kontrastvergleich schwer. Wenn die Reflexe sich bewegen (wie auf dem Wasser), wird er sogar unmöglich. Es spielt allerdings eine Rolle, wie groß die Lichtreflexe im AF-Meßfeld erscheinen. Je mehr Platz sie auf den AF-Sensorzeilen beanspruchen - das heißt bei Aufnahmen aus geringen Abständen oder mit langen Brennweiten -, desto schwerer fällt es der Schärfenautomatik, zwischen scharf und unscharf zu unterscheiden.
Motive in dunkler Umgebung können von den AF-Sensoren nicht mehr wahrgenommen werden. Allerdings liegt hier die Ansprechschwelle sehr niedrig. LW 1, wie er in der ersten Autofokus-Generation üblich war, bedeutet, daß man mit einem Film von ISO 100/21xGRADx bei Blende 1,4 auf eine Belichtungszeit von einer Sekunde kommt. Bei den neueren Kameras arbeiten die AF-Systeme bis LW -1. Es muß also recht dunkel sein (hier führt das Zeit-Blenden-Paar vier Sekunden und 1,4 zur korrekten Belichtung), ehe der Autofokus mangels Licht seine Arbeit ein-stellt. Auch dann ist aber noch nicht alles vorbei. Wenn die Kamera eine AF-Hilfsleuchte ein-gebaut hat oder ein Blitz mit AF-Illuminator zur Hand ist, bringt diese Hilfe genug Licht, um die automatische Fokussierung in einem Bereich zwischen etwa fünf und zehn Metern doch noch zu gewährleisten.
Mangelnder Kontrast ist wohl der häufigste Grund, wenn die Schärfenautomatik aussteigt. Es genügen zwar schon sehr geringe Kontraste und minimale Strukturen im Motiv (wie etwa bei einer Rauhfasertapete), um eine zu ermöglichen, aber vor kontrastlosen, einfarbigen Flächen, vor Nebel oder Rauch kapituliert der Autofokus dann doch. Die AF-Hilfsleuchte kann auch hier bisweilen helfen, jedoch wird sie meist erst aktiviert, wenn auch eine gewisse Helligkeitsgrenze unterschritten ist. Auch in diesem Bereich spielt der Abbildungsmaßstab eine Rolle. Wenn ein Weitwinkel die Strukturen zu klein abbildet und die Sensorzeilen nichts mehr damit anzufangen wissen, kann die automatische mit einer längeren Brennweite durchaus noch funktionieren.
Horizontale Linien im Autofokus-Meßfeld waren für Kameras der ersten AF-Generation ein Grund, in den Autofokus-Streik zu treten, und sie sind auch für einige aktuelle Kameras ein Autofokus-Verhinderer. Viele AF-Sensoren mit ihren diversen nebeneinander angeordneten, lichtempfindlichen Zellen sind nämlich waagerecht ausgerichtet. Wird vom Objektiv und dem kleinen optischen System des Autofokus ein waagerecht verlaufender dunkler Streifen auf die Sensoren projiziert, registrieren alle Zellen den gleichen Helligkeitswert. Es ist infolgedessen kein Kontrastvergleich mit den Werten der einzelnen Sensoren möglich.
Problematisch: Autofokus und Filter
Natürlich kann aber auch in einem solchen Fall mit automatischer gearbeitet werden. Man dreht die Kamera ein Stückchen aus der Waage-rechten, nimmt die vor, speichert die Schärfe, bringt die Kamera in die ursprüngliche Lage und löst dann aus. Viele Kameras der zweiten und dritten Generation kommen aber auch ohne Hilfe mit horizontalen und vertikalen Strukturen im Motiv gleichermaßen zurecht. Sie sind mit diagonal angeordneten CCD-Zellen aus-gestattet (etwa Nikon ab der F-401), haben vertikale und horizontale Sensorzeilen (Minolta ab Dynax 7xi) oder kreuzförmige Sensoren (zum Beispiel Canon EOS-1, EOS-10).
Gegenlicht bringt immer wieder AF-Systeme durcheinander; auch in diesem Fall werden die Sensoren geblendet. Hier sollte man ein Hilfsmotiv anmessen oder gleich auf manuelles Fokussieren umschalten.
Manche Filter machen die automatische unmöglich oder führen den Autofokus in die Irre. Zu diesen Filtern zählen die Linear-Polarisationsfilter, weil die Meßzellen der AF-SLR-Kameras ihr Licht durch einen teildurchlässigen Spiegel erhalten. Abhilfe kann oft ein Zirkular-Polfilter bringen. Wenn ein Zirkular-Polfilter jedoch, abhängig von der gewählten Einstellung, viel Licht schluckt, kann auch er die automatische verhindern. Das gilt ebenfalls für alle anderen dichten Filter, wie dunkle ND-Filter oder dunkle Rotfilter. Dem reibungslosen Funktionieren des Autofokus abträglich sind auch einige Effektfilter. Wenn Weichzeichner den Kontrast reduzieren, Mehrfachprismen das Motiv vervielfachen oder Sternfilter strahlende Lichter in das Bild zaubern, dann ist die Schärfenautomatik machtlos. Der beste Ausweg aus dem Autofokus-Filter-Dilemma ist, die Schärfe manuell einzustellen.
Der Kontrastvergleich, auf dem alle Spiegelreflex-Autofokussysteme beruhen, führt zur falschen Ergebnissen, wenn die gleiche Abfolge von hellen und dunklen Motivteilen mehrfach auf die Sensorzeilen projiziert wird. Das ist beispielsweise der Fall bei Gittern, Zäunen, Dachziegeln, gemusterten Vorlagen, manchmal auch bei Schatten, die von Asten und Zweigen geworfen werden. Manuelles Fokussieren verhilft hier zu scharfen Bildern.
Da die Schärfe in einem mehr oder weniger kleinen Teil des Bildfelds bestimmt wird, muß sich dort auch das Hauptmotiv befinden, auf das scharf-gestellt werden soll. Wird das Hauptmotiv dort von anderen Motivteilen überdeckt, kann es passieren, daß auf ein falsches Teil des Motivs fokussiert wird. Das ist besonders bei Aufnahmen der Fall, die durch Gitter, Aste und Zweige oder ähnliche Strukturen im Vordergrund hindurch gemacht werden. Wenn das Meßfeld in solchen Fällen nicht exakt auf das Motiv gerichtet werden kann, hilft nur noch manuelles Scharfstellen.
Besonders Kameras aus der zweiten und dritten AF-Generation erfassen mit ihrem großen Meßfeld beziehungsweise mit einem ihrer drei oder vier Meßfelder oft Motivteile, die nicht zum Hauptmotiv gehören. In diesem Fall empfiehlt es sich, einfach auf ein kleines Meßfeld umzuschalten.
Anonym in Color Foto 6/1992
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