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Trends der Wissenschaft
Wieder im Gespräch:
Stereofotografie
Zugegeben, die Verfahren sind umständlich geblieben und die Hauptschwierigkeiten liegen bei der Betrachtung von Raumbildern. Neuartige Technologie brachte aber auch hier interessante Fortschritte.
Ungefähr alle 15 bis 20 Jahre bringt die Mode erneut das Raumbild auf den Plan. Meistens handelt es sich dabei um Stereobilder, also zwei dem Eindruck der beiden Augen entsprechende Einzelbilder, die von unterschiedlichen Standpunkten aufgenommen sind und bei entsprechender Betrachtung einen räumlichen Eindruck vermitteln. Die Standpunkte sind gegeneinander seitlich um den normalen Augenabstand (ca. 65 mm) verlagert - in Sonderfällen kann diese Verlagerung auch größer oder kleiner sein - und die Betrachtungsvorrichtung muß jeweils jedes der beiden Einzelbilder ausschließlich dem richtigen Auge zuordnen. Nun, die Grundlagen dieser Stereofotografie und Betrachtung sind praktisch vom Anfangszeitalter der Fotografie hinreichend bekannt. Es dürfte an drei wichtigen Nachteilen des Systems liegen, daß Tiefenbilder jeweils nur vorübergehend beliebt bleiben, also bis man sich genügend über die Nachteile ärgert, um die ganze Sache wieder fallenzulassen: Erstens ist die Aufnahme und besonders die Handhabung von zwei Einzelbildern einigermaßen umständlich. Zweitens ist die Betrachtung mit dem unumgänglichen Betrachtungsgerät noch umständlicher. Drittens ist ein aus zwei Einzelbildern zusammengesetztes Stereobild nicht nur - wie alle Stehbilder - zeitlich, sondern auch räumlich statisch. D. h., daß die Blickrichtung des Stereobildes ebenfalls fixiert ist; man kann nicht um den räumlichen Eindruck "herumsehen".
Verständlicherweise mangelte es nicht an Versuchen, diese drei Nachteile auf verschiedene Weise zu umgehen. Um gleich die Ideallösung vorwegzunehmen: Ein Hologramm bietet ein echtes Raumbild. Das Bild selbst wird buchstäblich dreidimensional im Raum gebildet und man kann räumlich um das Bild herumsehen. Allerdings ist der technische Aufwand so enorm, daß dieses Verfahren nicht nur für den Amateurfotografen, sondern auch für die normale Fachfotografie kaum in Frage kommt.
Das Lentlikullar-System
Ohne einen Stereobetrachter, Polarisationsbrillen und ähnliche Sehhilfen kommt man aus, wenn man die Betrachtungsanordnung als Lentikular-Raster in das Bild selbst einbaut. Verständlich wird das Prinzip, wenn man von einem Gitterraster und einem dahinter liegenden streifenweise aufgeteilten Bild ausgeht. Der zwischen den Augen des Betrachters und den Streifenbildern liegende Gitterraster bewirkt, daß das linke Auge jeweils nur die zum linken Teilbild gehörenden Streifen und das rechte Auge nur die zum rechten Teilbild gehörenden Streifen sieht, während die linken Teilstreifen nicht vom Blickpunkt des rechten Auges (und umgekehrt) sichtbar sind. Der Lentikular-Raster wie in Skizze 4 wirkt ähnlich, liegt aber direkt auf dem Bild auf und erübrigt so den getrennt anzuordnenden Gitterraster und vereinfacht Probleme der falschen Zuordnung der Einzelbildstreifen zum entsprechenden Auge. (Prinzipiell läßt sich der Gitteraster auch vor einer Projektionswand aufstellen. hinter der eine entsprechende Projektionsanordung die Teilbilder projiziert. Eine derartige Betrachtung ist mit ziemlich engen Toleranzen verbunden, wurde aber schon vor fast 60 Jahren in Rußland als ein Stereofilmverfahren vorgeschlagen). Bei einem Lentikular-Raster kommt es allerdings noch immer auf einen richtigen Betrachtungsabstand (innerhalb nicht allzu enger Grenzen) und auf die richtige Blickrichtung an; verdreht man das Bild, so "springt' die Tiefenwirkung zwischen einem normalen und einem pseudostereoskopischen Eindruck.
Diese sogenannten Parallaxen-Stereogramme sind heute auch hinreichend bekannt und werden oft als Blickfang in verschiedenen Publizitätssituationen eingesetzt, -z. B. in der Schaufensterwerbung. Die Raumwirkung ist allerdings noch immer statisch; ein "Herumsehen" um das Bild gibt es hier auch nicht. Eine Weiterentwicklung ist das Parallaxen-Panoramagramm, das eine begrenzte Tiefendynamik ermöglicht: Bewegt man beim Betrachten eines derartigen Panoramagramms den Kopf hin und her, so wird auch eine begrenzte Parallaxenverschiebung sichtbar. Innerhalb des Winkels von ca. 10 bis 15' kann man also endlich um die abgebildeten Gegenstände herumgehen. Erreicht wird diese Wirkung durch einen besondere Aufnahmeanordnung, bei der während der Belichtung das Objektiv verdreht und gleichzeitig vor dem Film ein Lentikular-Raster verschoben wird. Dieses zum Teil von der amerikanischen Zeitschrift "Look" weiterentwickelte Verfahren erfordert aber eine Spezialkamera und die Weiterverarbeitung des Bildes ist auch nicht gerade einfach. Andererseits ist damit (wie auch mit dem Parallaxen-Stereogramm) eine Massenanfertigung von gedruckten Bildern (in Zeitschriften, Büchern usw.) möglich, wenn man einen genügend genauen Lentikular-Raster auf die Druckreproduktionen darüber paßt.
Panoramagramme nach Nimslo
Panoramagramme dieser Art sollen nun bald auf verhältnismäßig einfache Weise für Fach- und selbst für Amateurfotografen zugänglich werden. Es handelt sich hier um eine Variante des Panoramagramm-Verfahrens mit sieben getrennten Aufnahmen, die dann optisch zu einem Lentikular-Rasterbild vereint werden. Mit Hilfe eines Zubehörs, das den Namen Computrack trägt und prinzipiell ein Stereo-Schlitten ist, sind diese sieben Aufnahmen mit einer normalen Kleinbild-Spiegelreflexkamera herstellbar. Das Verfahren entspringt der Arbeit von zwei Unternehmern, dem Amerikaner Jerry C. Nims und dem Chinesen Allen K. W. Lo, die in einer Panoramagramm-Postkartenherstellerfirma zusammentrafen und von den Möglichkeiten eines einfacheren Verfahrens überzeugt waren. Die beiden gründeten in Amerika die Nimslo Technology Inc. (ursprünglich Dimensional Development Corporation) mit einem Anfangskapital von fast 5 Mill. $ und neuerdings die englische Firma Nimslo Limited, die zu 60% der Nimslo Technology Inc. gehört und als zusätzliches Kapital noch 2,7 Mill. $ von verschiedenen englischen Pensionsfonds und anderen Aktionären auftrieb.
Das Nimslo-Verfahren zielt auf ein eindrucksvolles, wenn auch nicht unbedingt geometrisch präzises Tiefenbild und macht daher einige Kompromisse, die sich gegenüber den bisherigen Panoramagramm-Systemen in einer enormen Vereinfachung der Aufnahmetechnik und -geräte auswirken. Für die fotografische Vermessung (Fotogrammetrie) ließe sich ein Nimslo-Bild nicht einsetzen, aber darauf kommt es ja hier nicht an. Die Endbilder sind für Publizitäts- und Ausstellungszwecke bestimmt und später auch als Amateurkopien zum Herumreichen oder selbst für das althergebrachte Fotoalbum.
Geometrie der Bequemlichkeit
Eine geometrisch genaue Rekonstruktion der dritten Dimension aus Stereobildern ist kompliziert, läßt sich heutzutage mit computergesteuerten Plottern bewältigen, ist aber für die visuelle Tiefenerfassung in einem Bild eigentlich nicht notwendig. Es kommt hier nur darauf an, daß nahe und ferne Objekte genügend voneinander differenziert sind, so daß die beiden Augen von ihren unterschiedlichen Blickpunkten auch eine genügende Parallaxendifferenz sehen. Das ist -der Übersichtlichkeit halber übertrieben - in Skizze 1 dargestellt; denn beim zweläugigen Betrachten der resultierenden Stereobilder ergeben dann diese Parallaxenunterschiede wiederum den Eindruck der Tiefe. Dabei muß die Parallaxe in einem entsprechenden Verhältnis zum Abstand zwischen den Blickpunkten - also zum interokularen Abstand -stehen. Bekanntlich vermitteln normale Stereoaufnahmen von entfernten Landschaften, Bergen usw. überhaupt keine Tiefenwirkung, da die Objektabstände im Verhältnis zum interokularen Abstand viel zu groß sind. Man behilft sich da mit der Hyperstereoskopie, also mit einer enorm vergrößerten Basislänge, die dann wieder in einem besseren Verhältnis zu den Objektabständen steht. Umgekehrt sind Stereo-Mikroaufnahmen nur mit entsprechend verkürzter Stereo-Basislänge möglich.
Auf Basis dieser Gegebenheiten setzt das Nimslo-Verfahren voraus, daß ein minimaler Parallaxenunterschied zweier in der Tiefe gestaffelter Gegenstände in zwei Stereobildern auf den Eindruck einer guten Tiefe vermittelt. Und die Tiefe muß nur gut sein, nicht genau, denn wir sind gern bereit, uns durch unsere Augen täuschen zu lassen. Dieser Parallaxenunterschied zwischen Stereobildern beruht wiederum auf leicht berechenbaren Faktoren: Der Stereobasis (entsprechend dem Abstand zwischen den Aufnahmestandpunkten), dem Unterschied in der Entfernung zwischen dem nächsten und dem entferntesten im Bild erscheinenden Objekt und schließlich vom visuellen Abbildungsmaßstab bei der Betrachtung. Dieser letztere Maßstab setzt sich wiederum aus dem optischen Abbildungsmaßstab in der Kamera (Objektentfernung und Brennweite) sowie dem Vergrößerungsgrad der Positive und deren Betrachtungsabstand zusammen. Nun, diesen mathematischen Brocken brauchen wir hier nicht unbedingt ausführlich durchzurechnen, Skizze 6 zeigt aber etwas von den Zusammenhängen. Sie wirken sich allesamt auf den Abstand zwischen den Kamerastandpunkten aus, bei der aufeinanderfolgenden Serie von sieben Aufnahmen, die dann zum Nimslo-Tiefenbild verarbeitet werden. Es kommt also in erster Linie um die Ermittlung - und genaue Steuerung - dieser Abstände an. Das ermöglicht der Stereoschieber Computrack und eine dazu gelieferte Rechenscheibe, die Nimslo ihren "Photocomputer" nennt.
Computrack und Computer
Computrack besteht aus einer Schiene und darauf verschiebbarem Schlitten. Die Schiene wird fest auf einem Stativ montiert, während die Kamera - möglichst eine Kleinbildkamera 24 x 36 mm - auf dem Schlitten sitzt. Auf der Schiene sitzen eine Anzahl von Bahnen mit in entsprechenden Abständen markierten Kerben, in die eine am Schlitten befestigte Sperrklinke eingreift. Der Zweck der Anordnung ist, ganz genaue, gleiche und einstellbare seitliche Verschiebungen der Kamera zwischen aufeinanderfolgenden Aufnahmen zu ermöglichen. Die sechs Bahnen des Computrack enthalten insgesamt 11 Skalen mit unterschiedlichen Abständen der Standpunkte. Der kleinste Abstand zwischen den Kerben auf der Skala A beträgt 0,9 mm und auf der Skala B 1,27 mm. Die Skala C liefert dann die doppelten Abstände der Skala A, die Skala D die doppelten Abstände der Skala B usw. bis zur Skala J mit 20,4 mm und K mit 28,8 mm Abstand. Für eine Aufnahmeserie wählt man die erforderliche Skala (mehr darüber sofort), stellt die Kamera auf die erste Kerbe (von links) der gewählten Skala ein und macht die erste Aufnahme. Dann verschiebt man die Kamera auf die zweite danebenliegende Kerbe, schaltet den Film weiter und macht die zweite Aufnahme - usw. bis zum Ende der siebten Aufnahme. Diese Bildserie (die unzerschnitten bleibt) ist die Basis für das Vergrößerungsverfahren von Nimslo.
Wie schont erwähnt, hängt die erforderliche Kameraverschiebung zwischen aufeinanderfolgenden Aufnahmen von den geometrischen Gegebenheiten des Objekts ab. Diese Faktoren kombiniert nun der Photocomputer, auf dem man den Abstand des nächsten und des entferntesten Objektpunktes einander gegenüberstellt und in einem Fenster neben der Kamerabrennweite die zu verwendende Computrack-Skala abliest. So einfach ist das.
Bei den Objektabständen spielen sowohl die Abstände selbst wie der Entfernungsunterschied eine Rolle: z. B. macht es einen Unterschied, ob die Nah- und Ferngrenzen 50 und 25 oder 20 und 1 0 m betragen - selbst für Meter und Fuß sind die Berechnungen verschieden (den Photocomputer gibt es daher auch in zwei entsprechenden Ausführungen).
Die Nimslo-Vergrößerung
Der schwierigste Arbeitsgang des Verfahrens ist die Anfertigung der endgültigen Vergrößerung. Denn hier werden die sieben Einzelbilder streifenweise zerlegt und zum optischen Panoramagramm vereint. Dieser Vorgang erfordert eine besondere optische Präzision und ist auch patentrechtlich geschützt; Nimslo behält sich daher die Verarbeitung der Bilder für ihre eigenen Laboratorien vor. Beim Vergrößern werden die sieben Aufnahmen übereinanderkopiert. Dabei wählt man vorerst einen Bezugspunkt in jedem Bild, der in einem ganz bestimmten geometrischen Verhältnis zum nächsten und zum entferntesten Objekt im Aufnahmeraum steht. Es handelt sich hier nämlich um jenen (manchmal imaginären) Punkt im Objektraum, um den sozusagen die Parallaxe bei den verschiedenen Aufnahmen "schwenkt". Dieser Schwenk- oder Bezugspunkt dient bei der Vergrößerung der sieben Aufnahmen auch als Bezugspunkt zur Übereinanderpassung. (Der Fotograf braucht sich nicht um diesen Schwenkpunkt zu kümmern; der wird beim Vergrößern optisch ermittelt).
Die sieben Negative werden nacheinander vergrößert, während auf dem Papier ein Komplementär-Lentikular-Raster aufgelegt wird. Dieser Raster zerlegt nun das Bild streifenweise und verkleinert es in der waagrechten (aber nicht in der senkrechten) Dimension auf 1/7 der ursprünglichen Breite. Es entstehen daher auf dem Vergrößerungspapier eine Anzahl von schmalen Streifen und breiten Zwischenräumen, wobei die Zwischenräume jeweils 6 x so groß sind wie die Streifenbreiten. Jeder Streifen enthält die gesamte Bildinformation, die vorher den Streifen und den angrenzenden Zwischenraum einnahm.
Mit dieser Anordnung wird nun das erste Negativ auf das Papier aufbelichtet. Für das zweite Negativ, das nun wiederum mit seinem "Parallaxenschwenkpunkt" paßgenau in der Negativbühne ausgerichtet wird, verschiebt man aber den auf dem Papier liegenden Lentikular-Raster etwas. Das bewirkt, daß das zweite Negativ wiederum ähnlich in Streifen zerlegt wird, aber diese Streifen nun neben jenen des ersten Bildes zu liegen kommen. Die übrigen Negative des Satzes werden in der gleichen Weise nacheinander (in nebeneinander liegenden Streifen) aufbelichtet und das Bild entwickelt. Als letzter Schritt wird schließlich ein Lentikular-Raster auf das Bild aufgepaßt, der nun beim Betrachten den Augen die entsprechenden Panoramagramm-Teilbilder zuführt. Gleichzeitig vergrößert jedes Lentikular-Element die Bilderstreifen wieder waagrecht, so daß sie maßstabmäßig den senkrechten Bildelementen entsprechen. Jedes Auge sieht also jeweils ein kontinuierlich verlaufendes Bild und die von den beiden Augen gesehenen Bilder unterscheiden sich parallaxenmäßig wie Stereobilder, wobei aber anstatt zwei Stereo-Teilbildern insgesamt sieben zur Verwendung kommen.
Preise von Vergrößerungen
Wir sprachen von Negativen; in der Tat arbeitet Nimslo vorzugsweise mit Diapositiven und vergrößert diese auf Cibachrome-Transparent zur Betrachtung von einem Leuchtkasten. Denn das Lentikular-Raster schluckt Licht, was ein Aufsichtsbild zu dunkel erscheinen ließe. Das Vergrößerungsverfahren klingt verhältnismäßig einfach, erfordert aber eine ungemeine Präzision. Erstens muß die Negativbühne die Filmstreifen stets in genau derselben Ebene führen und um Millimeterbruchteile genau plazieren können. Noch aufwendiger ist das Grundbrett, eigentlich ein Maskierrahmen mit dem eingebauten Kopierraster, der ebenfalls genau und wiederholbar zwischen den Belichtungen um winzige Intervalle zu verschieben ist. Diese Verschiebung entspricht dem Lentikular-IntervallimBetrachtungsraster, also etwas unter 0,5 mm. Wichtig ist auch die Maßhaltigkeit des Filmmaterials, denn wenn sich die Film unterläge während der Verarbeitung dehnt, dann gibt es Passerproblem zwischen dem Bild und dem Betrachtungsraster. (Mit Papierbilder kann das noch schlimmer werden).
Der letzte Handgriff der Übereinanderpassung des Lentikular-Rasters auf dem fertigen Bild erfordert besondere Genauigkeit und wird gegenwärtig nach Augenmaß gemacht. Die Preise der von Nimslo angefertigten Vergrößerungen, einschließlich dem Betrachtungsraster, bewegen sich in verhältnismäßig angemessenen Grenzen und sind mit erheblichen Mengenrabatten verbunden. Ein einzelnes Großdia im Format 28 x 35 cm kostet in England £ 50,- (ca. DM 200,-); ein zweites Dia von der gleichen Aufnahmeserie kostet nur schon die Hälfte. Bei Massenbestellungen über 200 Stück sinkt der Preis sogar auf nur £ 15,-. Nimslo bietet auch kleinere (20 x 25 cm) und größere (40 x 50 cm) Bilder zu entsprechenden Preisen; Aufsichtsbilder kosten jeweils um ca. 30% weniger.
Probleme der Bildbetrachtung
Auf die beabsichtigte Größe des endgültigen Dias oder Bildes kommt es aber schon bei der Aufnahme an. Denn für die optimale Tiefenwirkung spielt neben dem Abbildungsmaßstab auch der Vergrößerungsmaßstab beim Kopieren und der Betrachtungsabstand mit. Das berücksichtigt auch die Rechenscheibe, die für das Bildformat 20 x 25 cm ausgelegt ist. Für kleinere Formate des Endbildes ist ein größerer Skalenabstand zwischen den Einzelaufnahmen erforderlich, für größere Endbilder ein kleinerer Skalenabstand. Es zielt alles darauf hin, im endgültigen Bild eine dem Betrachtungsabstand angemessene Parallaxe zwischen dem nahesten und entferntesten Bildpunkt zu sichern. Sollte der Fotograf sich über das erforderliche endgültige Bildformat nicht im klaren sein, so empfiehlt Nimslo die Anfertigung von parallelen Aufnahmeserien, jeweils mit unterschiedlichen Kameraverschiebungen (Skalen auf Computrack). Wichtig ist das richtige Verhältnis zwischen Bildformat und Abbildungsmaßstab, weil der Tiefeneffekt durch den Lentikular-Raster bedingt, auf einen bestimmten Betrachtungswinkel beschränkt ist. Der Winkel beträgt rund 10' und entspricht auch (von der Bildfläche gesehen) dem Winkel, um den man den Kopf zum "Herumsehen" um das Tiefenbild bewegen kann. Bei einem größeren Winkel springt dagegen das Raumbild und erscheint unterbrochen. Betrachtet man ein Nimslo-Bild aus einem zu nahen Abstand, so übersteigt der von den Augen erfaßte Bildwinkel der Vergrößerung jenen Grenzwinkel von 10xGRADx und es erscheinen dann wiederum in der Tiefenwirkung eine oder mehrere Unterbrechungen oder Störstellen. Geht man von der Vergrößerung zurück, so verschwinden diese Störstellen wenn man den optimalen Betrachtungsabstand erreicht. Mit einem noch größeren Abstand verflucht sich dagegen die Tiefenwirkung. Für eine Vergrößerung 40 x 50 cm empfiehlt Nimslo einen Betrachtungsabstand um 3 m; für kleinere Bilder verkürzt sich der empfohlene Abstand pro rata.
Kleinbild oder Mittelformat?
Das Bildformat 24 x 36 mm ist für Nimslo-Bilder ideal, da einerseits eine motorisierte Kleinbildkamera eine schnellere Aufnahmefolge ermöglicht und andererseits ein Film von 36 Aufnahmen bequem für vier Aufnahmeserien (einschließlich Leerschnitte zur Handhabung am Anfang und am Ende einer jeden Aufnahmefolge) unterbringt. Eine Rollfilmkamera 6 x 6 cm bringt pro Filmrolle eine, aber nicht zwei Bildserien zustande. Auch muß der Film in der Kamera stets von links nach rechts laufen (nie von oben nach unten), da die Vergrößerungstechnik bei Nimslo darauf ausgerichtet ist.
Mittelformat bietet hier eigentlich keine Vorteile, nicht einmal den des feineren Korns. Denn bei der optischen Manipulation und Kombination der sieben Einzelbilder wird die Kornstruktur so verwürfelt, daß selbst Aufnahmen auf hochempfindlichem Ektachrome 400 in der RaumEndvergrößerung kein sichtbares Korn aufweisen.
Wissenschaft
Nimslo-Forscher haben die gleichen Prinzipien auch für Röntgen-Tiefenbilder eingesetzt. Hier kommen zwar kein Computrack und herkömmliche Kamera zum Einsatz, aber es wurden ähnliche Aufnahmeserien mit jeweiliger Verschiebung der Röntgenröhre oder mit Verschiebung des Films gemacht. Im letzteren Fall ließe sich ein tomografisches Aufnahmegerät einsetzen: Hier wird sowohl die Röntgenröhre wie der Film während der Aufnahme ständig bewegt. In der Tomografie hat das den Zweck, Bilddetails in einer Objektebene zu isolieren, während die in anderen Ebenen liegenden Bildelemente verwischt Bewegt man dagegen die Anordnung stufenweise und wechselt dazu den Film zwischen jeder Stufe, so erhält man wiederum eine Aufnahmeserie mit jeweils versetzter Parallaxe, die sich dann zu einem Nimslo-Tiefenbild verarbeiten läßt. Ähnliche Tiefenbilder gelangen auch mit Mikroskopaufnahmen, obwohl hier die Serie durch eine genau abgestimmte Verschiebung des Mikroskoppräparates zustande kam.
Kristallstrukturen dreidimensional
Interessant ist auch ein Vorhaben des Birkbeck-College der Universität von London mit Kristall-Raumstrukturen. Anscheinend gibt es 230 Raumgruppen, in denen Molekularkonfigurationen von Kristallen bestehen können - wobei nicht unbedingt alle in der Natur nachgewiesen sind. Diese Kristallstrukturen lassen sich aber in flachen zweidimensionalen Bildern nur schwer veranschaulichen. Zudem sind viele der Strukturen überhaupt nur mit einem Computer darzustellen. Birkbeck-College will nun das Rechnerprogramm so gestalten, daß es sieben verschiedene Flächenbilder der Struktur erzeugt, die sieben um wenige Grad unterschiedlichen Blickpunkten entsprechen. Diese sieben synthetischen Bilder sollen dann nach dem Nimslo-Verfahren zu einem Raumbild vereint werden also eine dreidimensionale Synthese einer zweidimensionalen Synthese einer theoretischen Molekularverteilung.
Amateur-Raumbilder
Geschäftlich verspricht sich Nimslo aber am meisten von einer Verbreitung der Raumbildfotografie in dem Amateurbereich.
Für den Amateur kommt die selbst noch mit der Rechenscheibe komplizierte Ermittlung von Kameraverschiebungen und eine zeitraubende Aufnahmefolge (dazu mit der Beschränkung auf unbewegte Objekte) nicht in Frage. Hier will Nimslo Kameras mit Mehrfachobjektiven auf den Markt bringen. Es bestehen schon Prototypen einer Kleinbildkamera 35 mm (Bildformat 18 x 24 mm) und einer Pocketkamera 110. Die Kleinbildkamera hat vier in einem Abstand von ca. 13 mm nebeneinanderliegende Objektive; die Pocketkamera macht ebenfalls vier Aufnahmen nebeneinander. Die Aufnahmen erfolgen gleichzeitig, eignen sich also auch für bewegte Motive und sollen wiederum ausschließlich von Nimslo verarbeitet werden. Hier will die Firma einen automatischen Vergrößerer bauen, der den ganzen Filmstreifen einer Aufnahmeserie auf einmal vergrößert. Es geht hier natürlich um eine normgemäße Behandlung, die nicht nur eine Massenleistung bewältigt, sondern es auch zu einem dem Massenmarkt entsprechenden Preis tut.
Für den Amateurmarkt geht es allerdings um Papierbilder, auf die zur Betrachtung ein ganz dünner (und viel feinerer) Lentikular-Raster auflaminiert wird. Das entspräche also den Stereogramm- bzw. Panoramagramm-Bildern, die an verschiedenen Orten (besonders in Japan) dem Touristenverkehr verkauft werden.
Nur könnte hier der Besitzer einer Nimslo-Kamera seine eigenen Tiefenbilder so einfach wie normale Fotos aufnehmen. Aber das Bildergebnis läßt sich dann entweder in der Tasche mitnehmen oder in ein Album kleben -eben das anfänglich erwähnte Raumbild-Album.
Für den Massenmarkt ist natürlich auch die Preisvorstellung wichtig. Nimslo denkt hier an einen Kostenpunkt zwischen dem Preis eines herkömmlichen im Großlabor gefertigten Colorbildes von z. B. 9 x 13 cm und einem Sofortbild nach dem Polaroid- oder Kodak-System. In England entspräche das einem Preis von £ 0,35 bis £ 0,40 pro Bild (ca. DM 1,60). Kamerapreise sollen - zumindest anfänglich - um £ 200,oder DM 800,- liegen.
Fazit
Mit den vier Objektiven und daher mit vier (anstatt sieben) Teilbildern pro Aufnahmeserie ist die Tiefenwirkung zweifellos beschränkter als bei Aufnahmen mit dem Computrack. Bei diesen einfachen Kameras sind auch die Objektivabstände nicht verstellbar - eine wirklich gute Tiefenwirkung kann der Amateur mit diesen Kameras nur in einem oder zwei verhältnismäßig beschränkten Entfernungsbereichen erwarten. Andererseits ist die Kamera so zu konzipieren, daß diese Entfernungsbereiche mit den wichtigsten vom Amateur bevorzugten Motiven (z. B. mittlere Portrait- und Gruppenaufnahmen) übereinstimmen.
Wird ein Massenmarkt für populäre Tiefenbilder dieser Art zu haben sein? Das will Nimslo evtl. mit ihren Kameraprototypen auf der nächsten photokina testen.
Man darf gespannt sein, ob es eine Wiedergeburt der Stereofotografie geben wird.
L. Andrew Mannheim in Color Foto 4/1980
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