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SERVICE PRAXISVERGLEICH Systemvergleich: Spiegelreflexkamera gegen Kompaktkamera Was taugen Sucherkameras? Sie werden oft geschmäht und gern benutzt - Kompaktkameras liegen im Trend. Während die Verkaufszahlen für SLR-Kameras seit Jahren zurückgehen, konnten die Kompaktkameras ihre Marktposition ausbauen. Zwar haben die Kompakten unter Hobbyfotografen keinen guten Ruf, aber gekauft werden sie trotzdem. Unser Beitrag vergleicht die gestalterischen Möglichkeiten der beiden Systeme. Die Aufnahmen entstanden in der Münchner Glyptothek (Museum für antike Skulpturen). Die Ausgangssituation: Vier Fotografen gehen mit zwei Spiegelreflexkameras und zwei Kompaktkameras auf Fototour. Alle haben die gleiche Aufgabe: sie sollen die Glyptothek, ein Museum für antike Skulpturen in München, fotografieren - zwei von ihnen mit einer Kompaktkamera und zwei mit einer SLR-Kamera. Das Ziel dieser Aktion: Bilder aufzunehmen, die zeigen, was Kompaktkameras im Vergleich zu Spiegelreflexkameras können - und was nicht. Hierbei geht es um die gestalterischen Möglichkeiten von Kompaktkameras, nicht um ihre optische Qualität. Die Ergebnisse präsentieren wir Ihnen auf diesen Seiten. Die Glyptothek Zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts ließ der spätere bayerische König Ludwig I. die Glyptothek als klassizistischen Museumsbau errichten. Die Pläne zeichnete Leo von Klenze. Seit ihrer Fertigstellung im Jahr 1830 beherbergt die Glyptothek eine große Sammlung griechischer und römischer Skulpturen. 1972 wurde das im Krieg stark zerstörte Gebäude wiedereröffnet. Die Fotoindustrie unterscheidet vier Typen von Kompaktkameras: billige Modelle mit Fixfocus-Objektiv, etwas teurere Kompakte mit Infrarot-Autofokus sowie Spitzenmodelle mit Zoomobjektiv. Für die besonders finanzkräftigen Käufer gibt es außerdem noch eine Reihe von Edel-Kompaktkameras, die preislich zwischen rund 1500 und 2500 Mark liegen. Kompakte gegen SLR Bei diesem Vergleich von Kompakt- und Spiegelreflexkameras vertreten zwei Modelle die Sache der Kompakten: eine Zoomkamera, die Nikon Zoom 100 mit dem Nikon-Objektiv 4-7,6/ 35-70 mm, sowie ein Edelmodell von Contax, die Contax T VS, versehen mit dem Carl Zeiss Vario Sonar 3,5-6,5/28-56 mm. Auf der Seite der Spiegelreflexkameras stehen eine Minolta X-700 mit den Minolta-Objektiven MD 2,8/20 mm und MD 2,0/135 mm sowie eine Contax RTS III mit den Carl-Zeiss-Objektiven Distagon 2,8/28 mm, Planar 2/100 mm und Sonar 2,8/180 mm. Wer von einer Spiegelreflexkamera auf eine Kompaktkamera umsteigt, wird beim Fotografieren einige Details vermissen Brennweitenwahl: Kompaktkameras haben, auch wenn sie mit einem Zoomobjektiv ausgestattet sind, nur einen eingeschränkten Brennweitenbereich, der weder ein 20 mm Weitwinkel noch ein 300er Tele bietet. Es gibt keine Wechselobjektive. Zeitenwahl und Blendenwahl: Nur die Edel-Kompaktkameras ermöglichen eine Zeit- und Blendenwahl. Die anderen Kompaktkameramodelle informieren den Fotografen nicht einmal über die jeweils eingestellten Werte. Dieses Manko schließt selbst-verständlich eine gezielte Steuerung der Schärfentiefe aus. Dia-Belichtung: Die meisten Kompaktkameras erlauben lediglich eine sehr grobe Korrektur der automatischen Belichtung um + 1,5 oder + 2 Blenden. Für eine exakte Dia-Belichtung ist dies jedoch unzureichend. Wer mit einer Kompaktkamera Diafilme belichten will, findet erst bei den teuren Luxusmodellen eine Korrekturmöglichkeit (±) in Drittelstufen. Lichtstärke: Zoom-Kompaktkameras haben fest eingebaute, relativ lichtschwache Vario-Objektive. Ein Wechsel zu lichtstarken Festbrennweiten ist bei den Kompakten unmöglich. Vignettierung: Wie der Kompaktkamera-Test in COLOR FOTO 3/94 zeigte, neigen die Objektive der Kompakten zu dunklen Bildecken (Vignettierung). Verzeichnung: Verzeichnungsfreie Bilder darf man von den Kompaktkameras nicht erwarten. In der Regel bleibt die Verzeichnung jedoch im akzeptierbaren Bereich. Auflösung: Für einen 9x12-Zentimeter-Print reicht die optische Qualität der meisten Kompakten aus. Einige sind sogar recht gut, sofern man keine Wunder erwartet und sie mit teuren Festbrennweiten vergleicht. Testberichte stehen in folgenden COLOR FOTO-Heften Kompakte mit Festbrennweite: COLOR FOTO 7/93; Kompakte mit Zoomobjektiv: COLOR FOTO 12/93; Edel-Kompaktkameras: COLOR FOTO 3/94. Fazit Wenn man die optische Qualität beiseite läßt, haben Kompaktkameras zwei deutliche Mankos. Erstens: Ihre entzieht sich weitgehend dem Einfluß des Fotografen. Dies macht eine gezielte Belichtung von Diafilmen inklusive Belichtungsreihen unmöglich. Zweitens: Da die meisten Kompaktkameras weder Zeit noch Blende anzeigen, hat der Fotograf auch keine Chance, Schärfentiefe und Bewegungsunschärfe zu steuern. Einen Ausweg bieten in beiden Fällen die besser ausgestatteten Edel-Kompaktkameras - zum Preis einer kleinen Spiegelreflex-Ausrüstung. Abgesehen vom Vergleich der Kompakten mit der SLR zeigen die Bildserien auf diesen Seiten, wie unterschiedlich vier Menschen ein Gebäude und Kunstwerke sehen. "Jedes Foto (ist) der Ausdruck eines Relevanzurteils. So trägt es den Stempel dessen, der es aufgenommen hat, es verrät seine Werte, indem es enthüllt, was ihm würdig genug erschien, der Vergangenheit entrissen zu werden." (Pierre Bourdieu, französischer Soziologe.) Werner Lüttgens in Color Foto 4/1994 {ewl Thnhlp32.dll,THIN,SKIN.LZH;STEIMERM.BMP}