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Interview Power-Shot Rainer Führes, Marketingchef bei der Canon Euro-Photo GmbH, erörterte im Gespräch mit COLORFOTO-Redakteurin Beatrix Leser nahe Zukunftsvisionen. C.F. Die neuesten Marktanalysen bestätigen, dass enorme Umsatzsteigerungen im Bereich der digitalen Fotografie zu erwarten sind. Wie beurteilen Sie da die Positionierung von Canon? R.F. Canon erwirtschaftet weltweit mit dem Kamerageschäft etwa 11% seines Gesamtumsatzes, d. h. nahezu 90% generieren wir mit anderen Produkten, also auch mit anderen Technologien und in anderen Geschäftsfeldern, wie z. B. Drucker, Kopierer, IT- und Telekommunikations-Equipment. Daran erkennen Sie, dass wir ein Unternehmen sind, das angesichts seiner Wurzeln zwar als Fotounternehmen wahrgenommen wird, das aber im Grunde zum Technologie-Unternehmen oder IT-Unternehmen gereift ist. Es wurde in diesem Zusammenhang der Begriff des mutierten Fotounternehmens gebraucht. Ich würde es jedoch nicht so sehen. Ich glaube, dass wir heute die große Chance haben, die Fotografie, die in den vergangenen Jahren ein etwas angestaubtes Image erhalten hatte und infolgedessen in eine sehr konservative Ecke gestellt wurde, aus der Isolation herauszuholen und in ein System von Bildkommunikation integrieren zu können. D. h. wir können ein viel facettenreicheres Image der Fotobranche wieder herstellen und sie im Zentrum von Multimedia positionieren. Die Voraussetzungen für Canon dies erfolgreich mitzugestalten sind sehr gut. C.F. Wie möchten Sie das erreichen? R.F. Nachdem unsere im Ursprung eingeführten digitalen Kameras eher einer computerorientierten Konzeption folgten, haben wir inzwischen damit begonnen, diesen Bereich enger an unsere Kameraphilosophie anzulehnen, und damit das Produkt weniger in der Computerperipherie zu positionieren, sondern als vollwertige Kamera. Heute besteht unsere digitale Produktpalette z. B. aus einer Power-Shot S20 oder GI und nicht zuletzt der Digital Ixus, die in ihrem Segment neue Standards definiert hat. Mit 20,9% Marktanteil hält Sie deutlich die Marktführerschaft in der Klasse der 2- bis 3-Millionen-Pixel-Modelle. In der Zukunft werden wir über die Hardware hinaus eine Systemintegration betreiben. Vom Input, dem "Festhalten" des Bildes, über Processing mit Software- und Webtechnologien bis hin zum Output, für den sich mehrere Möglichkeiten anbieten: der Printer im Homeoffice, professionell über eine Finishingdienstleistung beim Händler oder eine Online-Anbindung im Web. Unser Slogan "Imaging across networks" bringt hierbei den Kern dieser Strategie auf den Punkt. C.F. Canon ist in der glücklichen Lage, dass es Partnerschaften eingehen kann, aber nicht muss, insbesondere, was den fototechnischen Bereich betrifft. Gilt das auch im digitalen Zeitalter? R.F. Sie haben natürlich insoweit Recht, als dass Canon ein sehr eigen-ständiges Unternehmen ist. Wir besitzen eine Reihe von Schlüsseltechnologien und können aus eigener Kraft neue Geschäftsfelder entwickeln und neue Produkte mit einem außergewöhnlich großen Potenzial im Forschungs- und Entwicklungsbereich entstehen lassen. Außerdem verfügen wir über weltumspannende Vertriebs- und Marketinggesellschaften. Aber ich glaube, dass ein Unternehmen, das von sich selbst behauptet, es brauche keine strategischen Allianzen, in kurzer Zeit Probleme haben wird. Für Canon hat die Bildung solcher Allianzen hohe Priorität. Zu den derzeitigen Kooperationspartnern gehören Unternehmen wie Microsoft, Philips oder Siemens, um nur einige Wenige zu nennen. In Deutschland konnten wir vor kurzer Zeit eine unglaubliche Euphorie bei der Versteigerung der UMTS-Lizenzen erleben. Es wird nun stark darauf ankommen, ob es konzeptionell und marketingstrategisch gelingt, die Möglichkeiten, die diese neue Technologie bietet, auch in einen akzeptierten Anwendernutzen umzusetzen. Ich hin persönlich davon überzeugt, dass aus Digital Imaging eine Image-Kommunikationstechnologie entsteht, die die Verfügbarkeit des Bildes zu jeder Zeit und an jedem Ort ermöglicht und damit die Telekommunikation um die Dimension des Bildes endgültig erweitert. Gerade hier erwachsen mannigfaltige Möglichkeiten nicht nur für die professionelle, sondern auch für die private Nutzung. Unsere gerade bekannt gegebene strategische Kooperation mit Ericsson ist ein erstes Ergebnis dieser Entwicklung. Durch die Verbindung von digitalen Kameras und Mobiltelefonen wird der Begriff Bildkommunikation neu aufgeladen, werden neue Technologien - wie z.B. Bluetooth - integriert, zugunsten einer noch schnelleren, benutzerfreundlicheren Handhabung. C.F. Wie wird Canon die Möglichkeiten des E-commerce nutzen? R.F. E-commerce ermöglicht zu-nächst einmal schlicht die Bereitstellung und den Zugriff von Informationen zu jeder Zeit an jedem Ort. Damit vereinfachen wir in Form des B2B nahezu alle Geschäftsprozesse für unsere Handelspartner. Unsere Kunden sollen jederzeit ihren Orderstatus kontrollieren oder auch spezifische Marketingservices abfragen können. Darüber hinaus können unsere Handelspartner beispielsweise auf der Basis bestimmter Zusatzinformationen, wie z. B. Markdaten, ihre eigenen Geschäftsabläufe beschleunigen. Ein Direktverkauf des Herstellers an den Endverbraucher, also B2C, müssen wir sorgfältig überdenken. Das Kamerageschäft ist sehr fach-handelsorientiert. Canon hat ein äußerst funktionsfähiges Netz von Handelspartnern in ganz Deutschland. Dies würden wir mit einer B2C-Strategie unterlaufen. Etwas anders verhält sich das bei den Internetservices, die wir zur Verfügung stellen. Unser Ziel muss es sein, neue Wertschöpfungspotenziale zu generieren, beispielsweise über Downloads oder andere E-Services für den Canon-Nutzer; mit unserer Internet-Domain www.powershot.de haben wir bereits ein Online-Angebot etabliert, das schon heute als ein wesentlicher Produkt-Zusatznutzen von unseren Kunden angesehen wird. C.F. Wie will Canon eine Markenbindung bei der jungen Zielgruppe erreichen? R.F. Wenn wir bei den ganz Kleinen anfangen, so haben wir wie andere Fotohersteller auch - das muss man offen zugeben - es versäumt, diese Zielgruppe an das Medium Fotografie heranzuführen. Das war eigentlich dumm, denn wir hätten schon viel früher an unseren sehr jungen Kundenkreis herangehen sollen, um seine Begeisterung für das Medium und eine gewisse Markenbindung zu erzielen. In dieser Hinsicht haben uns einige Marken aus der Unterhaltungselektronik gezeigt, wie wichtig diese Strategie ist, die schließlich zu großer Markentreue führt. Das Resultat dieses "Versäumnisses" ist eine in Deutschland ungewöhnlich hohe Zahl verkaufter markenloser Sucherkameras im Einstiegspreissegment, also genau da wo Kameras für unsere jüngsten Kunden in der Regel positioniert sind. Wir denken darüber nach, wie wir diese sehr junge Zielgruppe erschließen können. Beispielsweise haben wir für das bevorstehende Weihnachtsgeschäft mit einem Hamburger Verlag ein Buch aufgelegt "Meine erste Kamera", das wir im Set mit einer jugendgerechten Kamera zu einem sehr vernünftigen Preis anbieten. Unsere jungen Kunden können so auf spielerische Art das Fotografieren erlernen und mit der Kamera gleich erfolgreich umsetzen. Für die Generation der in der Regel computer- und internetbegeisterten Teenager gewinnt die digitale Fotografie bereits an Bedeutung - trotz der sicher noch existierenden Preisschwelle. Neben einem attraktiven Produkt wollen wir sie mit einer entsprechenden Online-Präsenz begeistern. In diesem Zusammenhang ist neben www.canon.de insbesondere unsere Site www.powershot.de von Bedeutung. Über das Produkt hinaus finden man hier eine Community von Fotobegeisterten aller Altersklassen, Anfänger ebenso wie Experten, mit denen man sich austauschen kann. Obendrein kann man Services abfragen, Software downloaden, Bilder ins Netz stellen oder an Wettbewerben teilnehmen. Darüber hinaus findet sich natürlich ein Diskussionsforum in dem alle User ihre Erfahrungen austauschen und neue Anregungen sammeln können. C.F. Sie sind Marketingchef in einem japanischen Unternehmen. Welche Möglichkeiten haben Sie, selbstständig Unternehmensziele zu definieren und diese dann auch umzusetzen? R.F. Ich bin mir nicht sicher, ob das Vorurteil über die strenge Kultur in japanisch geführten Unternehmen noch existiert. Canon jedenfalls ist ein sehr angenehmes Unternehmen. Dies mag sicherlich auch an unserer japanischen Firmenphilosophie KYOSEI liegen, die im weitesten Sinne den Einklang von Leben und Arbeiten zum gemeinsamen Nutzen beschreibt. Die Möglichkeiten der eigenen Entfaltung, der Umsetzung eigener Ideen jedenfalls sind außergewöhnlich groß. Sicher muss es zur Führung einer so großen Marke ein gemeinsam getragenes Regelwerk geben; darüber hinaus teilen wir größtenteils die gleiche Produktbasis. Andererseits müssen alle Möglichkeiten zur Entwicklung unseres Geschäftes auch lokal genutzt werden. Das Canon-Shop-Konzept und die Internet-Domain www.powershot.de sind zwei Beispiele für vollständig in deutscher Regie konzeptionierte und realisierte Projekte. Darüber hinaus gibt es einige Beispiele für europäische Co-Produktionen die aus meiner persönlichen Sicht in Zukunft an Bedeutung gewinnen werden. Insoweit kommt neben der Möglichkeit der Realisierung eigener Strategien und Ziele besondere Bedeutung einer zentralen Koordination zu, die Benchmarks erkennt und sie marktadäquat mit einer entsprechenden Adaption in andere Märkte und Länder multipliziert. Hier liegt ohne Zweifel noch viel Potenzial für uns. C.F. Herr Führes, ich danke Ihnen für das Gespräch. Beatrix Leser in Color Foto 1/2001 {ewl Thnhlp32.dll,THIN,SKIN.LZH;STEIMERM.BMP}