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KAMERAS TEST
Canon EOS-1Ds
Pixel-Riese
Pixel sind nicht alles. Aber 11 Millionen Pixel sind eine ganze Menge und versprechen eine bislang unerreichte Auflösung bei Digitalkameras in Kleinbildgehäusen. Die Canon EOS-1Ds ermöglicht doppelt so große Ausdrucke wie die Konkurrenzmodelle der 6-Millionen-Pixel-Klasse.
Mit der EOS-1Ds über schreitet Canon die Schallgrenze von 10 Millionen Bildpunkten und setzt eine weitere Bestmarke für Kleinbild-Digitalkameras. Wie die EOS D60 arbeitet auch das neue Topmodell mit einem CMOS-Sensor, der nun jedoch 11 Millionen Bildpunkte sowie das volle Kleinbildformat bietet. Das bedeutet, daß sämtliche EOS-Objektive ohne Veränderung des Bildwinkels verwendet werden können. Davon profitieren vor allem Weitwinkel-Fotografen: Ein 16-mm-Objektiv bleibt jetzt, was es ist, und verwandelt sich nicht ungefragt in ein 20er oder 24er. Das Ärgerliche dabei ist ja nicht so sehr, daß es diese sogenannte Brennweiten-Verlängerung gibt - Tele-Fotografen profitieren oft davon. Unerfreulich ist nur, daß Weitwinkel-Fans happige Aufpreise für Extrembrennweiten zahlen müssen, ohne sie wirklich zur Verfügung zu haben. Die Kehrseite der Vollformat-Chips ist wiederum, daß sie extreme hohe Anforderungen an die Objektiv-Qualität stellen. Kodak geht mit der DCS Pro 14n einen ähnlichen Weg wie Canon und hat eine Kleinbildkamera mit 14 Millionen Pixel auf Nikon-Basis vorgestellt. Auch bei Kodak kommt ein Vollformat-CMOS-Sensor zum Einsatz. Sobald Kodaks Topmodell lieferbar ist, wird COLORFOTO beide Kameras vergleichen.
EOS-1Ds in Zahlen
Der CMOS der neuen EOS mißt genau 35,8 x 23,8 mm und ist gut für eine Auflösung von rund 11 Millionen Pixel. Die daraus resultierenden Bilddaten darf man sich getrost auf der Zunge zergehen lassen: Geöffnet in Photoshop mißt eine Datei aus der EOS-1Ds genau 34,41 x 22,89 cm bei Einstellung auf 300 dpi. Mit 31,5 MB Speicherplatzbedarf im 8-Bit-Modus ist das Bild groß, aber noch kein aufgeblasenes Dateimonster. Aktuelle Rechner mit einem Arbeitsspeicher ab 256 MB (besser 512 MB oder mehr) werden damit ohne weiteres fertig, ohne daß sie den Anwender zu wiederholten Kaffeepausen bei der Bildbearbeitung nötigen.
Die EOS-1Ds speichert Bilder als JPEG und RAW-Datei ab. Bei der Wahl des JPEG-Formats bestimmt man mit den vorgegebenen Optionen zugleich die Kompressionsstufe. Zur Wahl stehen "Large/ Fine" (4064 x 2704 Pixel), "Large/ Normal" (4064 x 2704 Pixel) und "Small/Fine" (2032 x 1352 Pixel). Der Speicherplatzbedarf variiert dabei zwischen etwa 1,5 und 4 MB. Das sind Dateigrößen, mit denen man auch beim Fotografieren "on location" noch gut zurechtkommt. RAW-Dateien schlagen mit etwa 11,4 MB zu Buche.
Bei der Auflösung setzt sich die EOS-1Ds mit 1930 Linienpaaren und 57,5 Punkten klar an die Spitze der bisher getesteten Digitalkameras im Kleinbildgehäuse. Zum Vergleich: Das Schwestermodell D60, bisheriger Spitzenreiter in dieser Disziplin, löst 1340 Linien-paare auf und erreichte damit 41,5 Punkte. Trotz ihrer hohen Auflösung schafft die EOS-1Ds eine Serienbildgeschwindigkeit von bis zu drei Bildern pro Sekunde und zehn Bildern in Folge. Extrem schnelle Bildserien bleiben aber die Domäne des Schwestermodells EOS-1D mit 4 Millionen Pixel und 8 Bildern pro Sekunde bei höchster Auflösung.
RAW und JPEG
Was man schon von der EOS-1D mit 4 Millionen Pixel kennt, ist die Möglichkeit, Bilder parallel als JPEG- und RAW-Dateien abzuspeichern - und das ohne ausgedehnte Wartezeiten. Zum Vergleich: Bei einem Testmotiv signalisierte die Status-LED 8 Sekunden Speicherzeit bei einem JPG in voller Auflösung, 18 Sekunden bei einer RAW-Datei und 22 Sekunden, wenn RAW und JPG zusammen abgespeichert wurden. Als Speicherkarte wurde eine SanDisk (128 MB) in Standardversion verwendet.
Eine RAW-Datei wird nach der Übertragung auf den Computer als TIFF angezeigt. Öffnet man dieses in Photoshop, hat man allerdings nur das kleine Vorschaubild vor sich, das die Kamera zur Darstellung im Monitor verwendet. Offnen und bearbeiten lassen sich die RAW-Dateien nur anhand der mitgelieferten Software. Auch die JPEG-Datei des "RAW+JPEG-Modus" steht nur bei Einsatz der Software zur Verfügung, was den Vorteil der Zweigleisigkeit relativiert. Wer Dateien sofort in Photoshop öffnen will, muß reine JPEG-Bilder erzeugen.
Der Monitor der Kamera erlaubt folgende Darstellungsvarianten: als Vollbild, als Übersicht mit vier oder neun Miniaturen oder im Info-Modus mit Histogramm und Aufnahmedaten. Im Vergleich zur EOS-1D wurde die Anzeige insofern nachgebessert, als jetzt auch eine Lupenfunktion integriert ist. Diese ist allerdings gut versteckt: Man aktiviert sie im Menü "Persönliche Funktionen" unter Punkt 30. Wenn zugeschaltet, läßt sich das Zoom über eine dafür vorgesehene Taste aufrufen, die in doppelter Ausführung oben und unten am Gehäuse vorhanden ist. Leider erfüllt die Lupenfunktion nicht die Erwartungen, die man an eine Kamera dieser Preis-klasse stellen darf: Es existiert nur ein Zoomfaktor (4fach), und beim Scrollen des Ausschnitts muß man lästige Rechenzeiten in Kauf nehmen.
Rauschen und Farbe
CMOS-Sensoren sind günstiger in der Herstellung als CCDs, was hochauflösende Kameras dieser Preiskategorie erst möglich macht. Sie haben außerdem den Vorteil, daß sie sich statisch kaum aufladen und damit weniger Staubpartikel anziehen. Zudem erfreulich, daß Canon über dem Sensor eine Glasscheibe angebracht hat, die sich ohne Gefahr für den Chip mit Pustepinseln reinigen läßt - bei stark anhaftendem Schmutz sogar mit Wattestäbchen. Das Gleiche gilt auch für die Canon D60.
Noch wichtiger aber ist, daß sich heute mit CMOS-Sensoren ausgezeichnete Rauschwerte erzielen lassen: Auf sagenhafte 122 S/N bei ISO 100 brachte es der CMOS der EOS D60 und erntete dafür die Höchstpunktzahl von 10. Selbst der neue Platzhirsch im Canon-Gehege kann - zumindest im JPEG-Modus - da nicht ganz mithalten: Die EOS-1Ds begnügt sich mit respektablen 50,6 S/N und 7 Punkten und ist damit etwa der Nikon D100 vergleichbar. Bis ISO 200 bleibt das Rauschen auf angenehm niedrigem Niveau, und selbst bei 800 ISO sind noch immer fünf Punkte drin (24,5 S/N). Weit-gehend unverändert blieben die JPEG-Ergebnisse mit eingeschalteter Noise-Reduction. Diese Funktion hat bei der Canon übrigens eine unfreiwillig humoristische Komponente: Im Aufnahme-Menü ist sie mit "Geräuschreduzierung" falsch über-setzt.
Den besten Rauschwert (51,1 S/N) erreicht die Kamera, wenn man die unter den Custom-Funktionen angebotene Möglichkeit benutzt, die Empfindlichkeit auf ISO 50 abzusenken. Dafür gebührt Canon aber vor allem aus praktischen Gründen ein Lob: So läßt sich die Kamera optimal auf lichtstarke Blitzgeräte anpassen.
Für den Test stand der RAW-Converter noch nicht zur Verfügung, so daß alle Meßwerte auf JPEG-Bildern basieren. Eine Bewertung der RAW-Daten werden wir sobald als möglich nachliefern und die EOS-lDs auch erst dann in die Bestenliste aufnehmen. Gerade beim Rauschen und der Farbwiedergabe liefert der RAW-Modus in der Regel etwas bessere Ergebnisse als die JPEG-Auswertung.
Der Weißabgleich bei Tageslicht funktioniert ebenso perfekt wie bei der D60 (volle Punktzahl) und bewegt sich bei Kunstlicht auf dem Niveau der Konkurrenz. Bei der Farbwiedergabe liegt die EOS-1Ds mit 3,5 Punkten genau zwischen der D60 (2,5) und der Nikon D100 bzw. Fujifilm Finepix Pro S2 (beide 4,5 von 6 möglichen Punkten). Auch hier dürfte der RAW-Modus eine weitere Verbesserung bringen. Man darf gespannt sein, ob der einem Farbfilm vergleichbar aufgebaute Foveon-Chip der Sigma SD9 in diesem Punkt eventuell neue Maßstäbe setzen kann. Ein Test ist für die nächste Ausgabe geplant.
Bewährte Kameratechnik
Die EOS-1 Ds kleidet sich in das grundsolide und angenehm abgerundete Magnesiumgehäuse der EOS-1D. Als Stromquelle steckt ein NiMH-Akkublock im Unterbau der Kamera - dort, wo sich auch der Hochformatauslöser, das dazugehörige Einstellrad und einige andere Bedienelemente befinden. Der Akkublock läßt sich nach Lösen einer Entriegelung entnehmen und per Kabel an das im Lieferumfang befindliche Ladegerät anschließen, das noch einen zweiten Akku speisen kann. Auch ein Netzteil fehlt nicht, so daß sich die Kamera am Stromnetz betreiben läßt, wenn gerade kein geladener Akku zur Verfügung steht.
Was die elementaren Kamerafunktionen anbelangt, entspricht die EOS-lDs ihrem digitalen Schwestermodell EOS-1D und der analogen EOS-1V. Zur Ausstattung gehören ein 100-Prozent-Sucher, ein hochentwickeltes Autofokus-System mit 45 Meßfeldern, vier Belichtungsmeßmethoden (Matrix, Spot, selektiv, mittenbetont/integral), vier Belichtungsprogramme (Zeit-/Blendenvorwahl, manuelle Einstellung, Schärfentiefe-Automatik), E-TTL-Blitztechnik und vieles mehr. Auch auf Spiegelvorauslösung und den Wechsel von Einstellscheiben (9 Typen verfügbar) braucht der Besitzer
einer EOS-lDs nicht zu verzichten. Zunächst ungewohnt: Zum Navigieren in den Menüs besitzt die EOS-1 Ds nicht den bei anderen Digitalkameras üblichen 4-Weg-Schalter, auch Pfeil- oder Cursor-Taste genannt. Statt dessen navigiert man innerhalb der Menüs mit dem großen Drehrad an der Rückseite und den Bedientasten "Menü" und "Select" links neben dem Monitor: Durch Drücken der Select-Taste und gleichzeitiges Drehen am Einstellrad wählen Sie Menüeinträge aus oder verändern Werte. Mit dem Los-lassen der Select-Taste bestätigen Sie den Eintrag. Was zunächst ungewohnt erscheint, funktioniert nach kurzer Eingewöhnung bestens.
EOS-1Ds am Rechner
Per FireWire-Schnittstelle findet die Canon EOS-1 Ds Anschluß an den Computer. Die dazugehörige Software war zum Testzeitpunkt allerdings nur als Betaversion verfügbar. Sie wurde deshalb nicht für das Beurteilen von RAW-Dateien, sondern ausschließlich für praktische Arbeiten verwendet. Zu den Programmkomponenten gehören ein RAW-Converter, ein Bildtransfer-Assistent mit Browser und ein Remote-Menü zum Einstellen und Auslösen der Kamera mittels Computer. Die Software soll abwärtskompatibel sein und deshalb auch mit EOS-1D und EOS D60 umgehen können.
Auf jeden Fall ist sie unverzichtbar. An der Kamera selbst kann man zwar den Grad der Schärfung einstellen, nicht aber Farbsättigung und Kontrast. Per Software darf man dagegen eine Gradationskurve individuell erstellen und an die EOS-lDs zusammen mit anderen Einstellparametern übermitteln.
Zum Abspeichern in der Kamera stehen ein Standard- und drei Anwenderprofile zur Verfügung. Für den Grad der Farbsättigung gibt es keine Verstellmöglichkeiten: Canon begnügt sich an dieser Stelle mit zwei verschiedenen Farbräumen, Adobe-RGB und sRGB, wobei Letzterer in vier Varianten existiert.
Das bereits erwähnte Menü "Persönliche Funktionen" ergänzt die 20 "Individualfunktionen", die sich im entsprechenden Kameramenü einstellen lassen. Im Auslieferungszustand der Kamera entziehen sich sämtliche Personalfunktionen dem Zugriff. Dies ändert sich erst, wenn man die betreffende Funktion zuvor über die Treiber-Software am Rechner aktiviert hat. Dazu gehören unter anderem die beim manuellen Betrieb zu verwendende Meßmethode, die Anzahl der Bilder einer Belichtungsreihe (bis zu 7), Timer-Einstellungen, bestimmte AF- und Serienbild-Parameter und der bereits erwähnte Vergrößerungsmodus. Damit man dabei den Überblick nicht verliert, kann man sich bei Bedarf alle Einstellungen auch in einer Liste ansehen.
Fazit
Karl Stechl
Die Canon EOS-1 Ds legt die Meßlatte bei digitalen Profikameras ein ganzes Stück höher: Der vollformatige CMOS-Chip bringt einen deutlichen Zugewinn an Auflösung und ein großes Stück Normalität in das Fotografieren mit Digitalkameras zurück: Ein starkes Weitwinkel bleibt jetzt ein starkes Weitwinkel. Auch bei der Auslöseverzögerung gibt es keine merkbaren Unterschiede zu den analogen Kameras, was unbeschwertes Fotografieren erlaubt. So gesehen, ist Canon mit der EOS-1 Ds praktisch dort angelangt, wo alle hin wollen. Die Zukunft wird dennoch zeigen, daß noch immer genügend Spielraum für Optimierungen vorhanden ist.
Objektive zu schlecht für Digitalkameras?
Vollformat-Chips mit mehr als 10 Millionen Pixel stellen die Objektivhersteller vor ganz neue Herausforderungen. Praktisch jedes Objektiv weist einen Schärfe- und Lichtabfall von der Mitte zum Rand auf, der beim Fotografieren mit Digitalkameras schon deshalb augenfällig wird, weil der Fotograf selbst das Bild in beliebigen Ausschnitten formatfüllend am Monitor betrachten kann. Dazu kommt, daß Bildsensoren kritischer auf schräge Randstrahlen reagieren, zumal dann, wenn die Sensoren zur Erhöhung der Empfindlichkeit mit Mikrolinsen versehen sind. Bei Sensoren, die kleiner als das KB-Format sind, hat man mit dem Randabfall kaum Probleme, weil der Bildkreis des Objektivs nicht ausgereizt wird. Vollformat-Chips verlangen hingegen nach optimal auskorrigierten Objektiven mit optimierter Bildwiedergabe in den Randbereichen. Leider sind dies in der Regel hochgeöffnete und entsprechend teure Optiken. Während die Kamerahersteller so gut wie keine Empfehlungen bezüglich der eigenen Objektivpalette aussprechen, kennzeichnet Objektivspezialist Sigma die für Digitalkameras besonders geeigneten Optiken mit dem Kürzel DG.
Karl Stechl in Color Foto 1/2003
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