Artikeltext
Was ist was bei SLR?
Chaos mit System
Können täten wir schon mögen, aber dürfen hat man uns nicht gelassen.
So hätte wohl Karl Valentin das Konstruktionsprinzip neuer Blitzgeräte kommentiert.
Japaner gelten als Meister in der Kunst, von anderen zu lernen, auf deren Fehler zu verzichten und es dann besser zu machen. Leider scheint dieses Prinzip zu versagen, wenn es darum geht, einmal einen eigenen Fehler nicht zu wiederholen. Ich rede von der Unzahl der verschiedensten Objektivanschlüsse, die den Fotografen das Leben schwer machen. Bis auf wenige rühmliche Ausnahmen in letzter Zeit glaubte jeder Kamerahersteller, das Bajonett des Kolumbus entdeckt zu haben und hält nun eisern daran fest. Keiner kann es sich jetzt noch leisten, hier etwas zu ändern, wenn er sich "seine` Fotografen nicht bis in alle Ewigkeit vergrätzen will.
Dieses Dilemma ist lange genug bekannt. Lange genug, um daraus zu lernen. Doch weit gefehlt. Es geht munter weiter im alten Stil. Diesmal zur Abwechslung nicht vorne an der Kamera, sondern obendrauf. Die Rede ist von dem was früher einmal Mittenkontakt hieß und bald wohl eher "Computerblitzgeräteanschlußterminal" heißen wird. Damit wir uns nicht mißverstehen, dies soll keine Maschinenstürmerei sein. Jede Entwicklung und Weiterentwicklung der Elektronik und Computertechnologie, die dem Fotografen Arbeit erspart und damit die Beschäftigung mit dem Motiv erleichtert, ist ein begrüßenswerter Fortschritt. Es ist nur logisch, daß freie Kapazitäten der Kameraelektronik zur Steuerung weiterer Funktionen genützt werden. Die stetig wachsende Anzahl Kamera-gekoppelter Blitzgeräte ist sicher nur der Anfang einer Entwicklung, deren Ende noch völlig offen ist. Aber wie fängt diese Entwicklung an? Genauso wie das Objektivbajonett-Wirrwarr vor -zig Jahren. Sie brauchen nur einen Blick auf die Übersicht der verschiedensten Blitzarnschlüsse zu werfen um festzustellen, daß das nächste Chaos schon programmiert ist. Dabei erhebt diese Übersicht keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Angefangen hat alles 1976, als Canon die AE-1 vorstellte. Mit dieser Kamera landete Canon einen Coup, der scheinbar auch das Ende der bis dahin üblichen Sitte der japanischen Kamerahersteller war, sich über geplante Neuentwicklungen gegenseitig auf dem laufenden zu halten. Von dem Blitzkomfort, den Canon nun bot, profitierten beide, Canon und die Fotografen. Die letzteren, weil viel Fummelei bei der Einstellung entfiel und damit Bedienungsfehler ausgeschlossen werden, die anderen, weil ein prima Mittel gefunden war, Marken- und Systemtreue zu fördern. Hatten doch bis dahin unabhängige Blitzhersteller ihre Geräte angeboten, die weniger kosteten als die Originalgeräte, oder aber für das gleiche Geld mehr boten. Dem konnte nun abgeholfen werden. Was dem einen recht ist, war dann natürlich auch den anderen lieb und teuer, und los ging's, wie schon gehabt bei den Objektiven. Jedem System "seinen" Blitzanschluß:
Der Funktionsumfang der verschiedenen Kamera-gekuppelten Blitzgeräte ist unterschiedlich. Automatische Einstellung der Synchronzeit und Blitzbereitschaftsanzeige im Sucher sind inzwischen Standard. Dafür genügt ein zusätzlicher Kontakt zum konventionellen Mittenkontakt (der natürlich zwei Kontakte hat, den sichtbaren in der Mitte, den zweiten versteckt an der Führungsschiene). Weiter fortgeschrittene Geräte bieten schon die automatische Übertragung der Filmempfindlichkeit und der eingestellten Blende. Die Spitze wird schließlich von den für TTL-Messung geeigneten Geräten markiert, die qualitativ neue Blitzmöglichkeiten erschließen. Diese Geräte weisen schon zwei Kontakte mehr auf. Wenn man das eine oder andere Gerät aufschraubt, kann man manchmal sogar noch ein weiteres lose herumbaumelndes Kabelchen finden. Oder man entdeckt, daß ein Blitzgerät mehr kann, als die Kameras, die dazu auf dem Markt sind (Beispiel: Pentax AF 200S mit 3 Kontakten, Kameras dazu bisher maximal 2).
Nun sind, bedingt durch die räumliche Enge, die gestalterischen Möglichkeiten für Blitzanschlüsse begrenzt. Platz für Zusatzkontakte ist vorne oder hinten, links oder rechts. So kommt es dazu, daß sich einige Anschlüsse reichlich ähnlich sehen. Da sich bisher die Ähnlichkeit aber nur auf die Äußerlichkeit beschränkt und von den auf dem Markt befindlichen Geräten kein einziges mit einem anderen kompatibel ist, liegt hier eine große Gefahr. Das falsche Blitzgerät auf der richtigen Kamera oder das richtige Blitzgerät auf der falschen Kamera eingeschaltet erfreut unter unglücklichen Umständen die Service-Manager der Hersteller. Denn es kann zusätzlichen Umsatz für die Reparaturabteilung bringen. Und das nicht zu knapp, wenn die Elektronik gründlich verbraten wurde. Zu eigenen Versuchen in dieser Richtung kann ich nur ausgesprochenen Abenteuernaturen raten. Unproblematisch ist die Verwendung der neuen Systemblitzgeräte auf älteren Kameras mit normalem Blitzkontakt. Hier ist selbst bei falscher Einstellung außer dem Foto nichts zu verderben.
Problematisch wird es jetzt für die unabhängigen Blitzgerätehersteller. Da sich die Kameraproduzenten die gerade aufs Brot gestrichene Butter nicht gleich wieder herunternehmen lassen wollen, zieren sie sich mit der Vergabe von Lizenzen. Dadurch hängen die Fremdhersteller momentan etwas in der Luft. Aber selbst wenn es zur Vergabe von Lizenzen kommen sollte, wird es nicht ganz einfach sein, die unterschiedlichsten elektronischen Anschlüsse und Steuerungen unter einen universellen Hut zu bringen. So bleibt dem staunenden Verbraucher zum Thema "Blitzanschluß" im Moment nur die Hoffnung auf eine bessere Zukunft.
Horst Gottfried in Color Foto 8/1980
{ewl Thnhlp32.dll,THIN,SKIN.LZH;STEIMERM.BMP}