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KAMERAS PRAXIS
Kontrast- und Schärfeeinstellung bei Digitalkameras
Einstellungssache
Zahlreiche Kameras bieten im Menü Steuermöglichkeiten für Schärfe und Kontrast. Horst Gottfried erläutert die Funktionen und zeigt anhand von Beispielen, wann welche Einstellung sinnvoll ist.
Viele Automatiken arbeiten sehr gut doch selten perfekt. Und so bieten die meisten Digitalkameras die Möglichkeit, die „Alles-auf-Grün"-Vollautomatik zu verlassen. Wer in die Programm-, Blenden- oder Zeitautomatik wechselt, kann per Menü wichtige Faktoren für die Bildqualität beeinflussen. Dazu gehören neben Weißabgleich und Farbsättigung vor allem Schärfe und Kontrast. Hier steuert der Fotograf, was die Kamera nach der Aufnahme mit den unbearbeiteten Bilddaten macht, bevor sie abgespeichert werden.
Keine Kamera sichert die Bilder so, wie sie vom Sensor kommen, es sei denn, sie besitzt als spezielle Option das Raw-Format. Bei Bildern im Raw-Format handelt es sich tatsächlich um unbearbeitete Rohdaten, weswegen in erster Linie Profikameras dieses Feature bieten. Üblicherweise aber bearbeitet die interne Software der Kamera die Rohdaten nach programmierten Algorithmen, um ein möglichst „optimales" Bild zu liefern. Was „optimal" ist, bestimmt dabei der Kamerakonstrukteur. Da er nicht wissen kann, welche Motive fotografiert werden und für welche Zwecke das Bild später verwendet wird, sucht er immer einen Kompromiss. Dieser Kompromiss läuft in der Praxis darauf hinaus, dass die Bilder amateurgerecht aufbereitet werden, um möglichst ohne oder ohne größere Nachbereitung „knackige" Ausdrucke zu liefern. Unterschiedliche Motive stellen aber unterschiedliche Anforderungen, und wer das Beste aus seiner Kamera herausholen will, sollte sich die Kontrolle nicht aus der Hand nehmen lassen und sich mit den Schärfe- und Kontrast-Optionen seiner Kamera vertraut machen.
Schärfen mit Augenmaß
Praktisch keine Kamera arbeitet ohne Schärfung der Bilddaten, selbst wenn es dafür keinen Menüpunkt gibt. Umso erfreulicher, dass immer mehr Kameras eine justierbare Schärfung anbieten. Im Menü taucht dann unter Schärfe meist eine Punkte- oder Balkenskala auf, alternativ gibt es auch Menüpunkte wie Low/Standard/High. Schärfung bedeutet, dass Konturen betont werden, und Konturen heißt in dem Fall nicht nur Kanten und Umrisse, sondern auch Grenzen zwischen verschiedenfarbigen Pixeln. Diese Nachschärfung ist grundsätzlich sinnvoll, darf aber nicht übertrieben werden und erfolgt im Idealfall motivabhängig: Scharf essen kann lecker sein, doch zuviel Schärfe treibt uns Tränen in die Augen. Das gilt, sinngemäß, auch für Digitalfotos. Die Anwendung von Scharfzeichnungs-Algorithmen in der Kamera kann zu künstlichen Konturen, schlimmstenfalls zu doppelten Kanten im Bild führen. Diese Gefahr besteht besonders bei Motiven mit feinen Strukturen wie z. B. Blättern oder Mauerwerk. Übertreibt die künstliche Scharfzeichnung also, werden die Fehler bei einer späteren Vergrößerung des Bildes entsprechend mit vergrößert und deutlich sichtbar. Zudem kann eine einmal erfolgte Schärfung nicht mehr durch Weichzeichnen rückgängig gemacht werden. Umgekehrt führt jedoch eine ungenügende Scharfzeichnung zu flauen, unansehnlichen Ergebnissen.
Damit steht der Fotograf vor einem Dilemma: Ungeschärfte Bilder bieten die geringsten Einschränkungen bei der Nachbearbeitung und sind frei von Fehlern durch eine zu starke Schärfung. Zugleich müssen ungeschärfte Bilder jedoch in jedem Fall nachbearbeitet werden, was bei 200 Urlaubsbildern eine zeitaufwändige Aktion ist - falls man dann nicht doch die Stapelverarbeitung des Bildprogramms aktiviert. Zudem beherrscht nicht jeder Fotograf sein Bildbearbeitungsprogramm so virtuos, dass er ein ebenbürtiges Ergebnis zur Kamerasoftware erzielt. Gerade in Profikameras stecken oft Schärfealgorithmen, die den üblichen Werkzeugen am Rechner überlegen sind. Daher empfiehlt es sich, die Schärfeeinstellungen seiner Kamera genau zu testen und je nach Kontrast den optimalen Wert einzustellen. Entscheidend ist: Hat der Hersteller Ihre Kamera eher zurückhaltend oder übertrieben knackig justiert? Scheint gerade die Mittagssonne oder hängen graue Wolken über der Stadt? Was wollen Sie mit den Bildern machen - als Urlaubserinnerung ausdrucken oder für eine Ausstellung bearbeiten?
Bei der Bildbearbeitung sollte eine künstliche Schärfung erst als letzter Schritt mit der Funktion „Unscharf maskieren" vorgenommen werden. Auch die endgültige Ausgabegröße ist dabei zu berücksichtigen. Ein kleiner 10 x 15 cm-Print braucht weniger Schärfung als ein 20 x 30-cm-Ausdruck. Zur Überprüfung der Auswirkung künstlicher Schärfung empfiehlt sich eine Detailbetrachtung in einer 400-Prozent-Ansicht.
Kontrast-Programm
Was der erfahrene „analoge" Fotograf wenn überhaupt nur mit viel Aufwand bei der individuellen Filmentwicklung beeinflussen konnte, erledigt heute mit der Digitalkamera jeder auf Tastendruck - den Kontrast je nach Anforderungen des Motivs variieren. Wenn bei trüben, diffusen Lichtverhältnissen ein geringer Tonwertumfang im Motiv zu wenig differenzierten Farbtönen und damit flauen und blassen Bildern führt, kann eine digitale Erhöhung des Kontrasts sehr hilfreich sein.
Natürlich können Sie eine gesteigerte Dynamik auch nachträglich per Bildverarbeitung durch eine „Tonwertkorrektur" erzielen, und etwa den Schwarz- und Weißpunktregler nach innen schieben. Weniger Arbeit macht bei kontrastarmen Motiven eine leichte Kontrastanhebung in der Kamera. Ist das Motiv dagegen sehr kontrastreich, z. B. bei Gegenlichtaufnahmen, bietet eine Verringerung der Kontrastvorgabe beste Voraussetzungen, noch Details aus Lichtern und Schatten herauskitzeln zu können, im Zweifelsfall mit der Nachbearbeitung am PC. Wenn Sie selbst ein Gefühl für die Wirkung der Scharf- und Kontrasteinstellung bekommen wollen, empfiehlt es sich bei kritischen Motiven eine Serie mit unterschiedlichen Einstellungen aufzunehmen. Angesichts der Bedeutung von Schärfe und Kontrast verwundert es, dass bis jetzt niemand eine Reihenautomatik für Schärfung und Kontrast bietet. Endgültig beurteilen kann man die Bilder erst auf dem Computermonitor. Die LCD-Monitore der Kameras sind in Auflösung und Kontrastumfang zu eingeschränkt für eine qualifizierte Beurteilung.
Horst Gottfried in Color Foto 9/2004
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