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FOTO-KLASSIK HASSELBLAD DIE HASSELBLAD-STORY Der legendäre Würfel Wie nur wenige Kameras bestimmte die Hasselblad das Bild der Fotografie. Es ist die Geschichte einer herausragenden Erfinderpersönlichkeit, einer überzeugenden Idee und höchster Qualitätsansprüche. Wenn Hasselblad in der Fotowelt zum Synonym für 6x6 geworden ist, so ist dafür das clevere Würfel-Konzept Victor Hasselblads verantwortlich. Die Namen Ansel Adams, Eric Bouvet, Louis Castaiieda, Anton Corbin, Lee Friedlander, Mary Ellen Mark, sind nur ein paar aus der illustren Schar der Hasselblad-Fotografen. Die Idee vom Kamera-Würfel mit auswechselbaren Objektiven, Filmmagazinen, Sucher, Mattscheiben und Filmtransportvarianten bediente auf überzeugende Weise professionelle Anforderungen. Doch bis zur Realisierung dieser Idee war ein langer Weg. Die Verbindung von Hasselblad und Fotografie bestand schon über 100 Jahre vor der später oft kopierten Erfindung. 1841 gründete die Familie Hasselblad in Göteborg an der schwedischen Westküste ihre erste Handelsfirma E W. Hasselblad & Co. Schon bald spielten fotografische Artikel eine wichtige Rolle im Importgeschäft. Mit der Gründung einer eigenen Fotoabteilung legte Arvid Hasselblad, der Sohn des Firmengründers, den Grundstein für den späteren Welterfolg. Für die entscheidende Hinwendung der Firma zur Fotografie sorgte ebenfalls Arvid. 1888 nach einem Treffen mit George Eastman, begann eine Geschäftspartnerschaft mit Kodak, die fast 80 Jahre halten sollte. Der Erfolg führte 1908 dann zur Gründung einer eigenen Fotofirma, der Hasselblad's Fotografiska AB, die den Exklusivvertrieb der Eastman-Kodak-Produkte für Schweden innehatte. Vom Enkel zum Ur-Vater 1906 war mit Victor Hasselblad der Enkel des Foto-Firmengründers geboren worden, der die Firma zu Weltruhm führen sollte. Er begeisterte sich wie sein Großvater bereits in jungen Jahren für Fotografie und entwickelte schon als Teenager Verbesserungsvorschläge für Kameras. Mit 18 schickte sein Vater ihn in das damalige Optik-Mekka Dresden, um sich dort das aktuellste Wissen über Kamera- und Objektivkonstruktion anzueignen. Nach seinen Lehr- und Wanderjahren, in denen er auch die Kontakte zu Kodak in Rochester pflegte, kehrte Hasselblad, der sich inzwischen auch einen Namen als Vogelkundler- und Fotograf gemacht hatte, um 1930 nach Göteborg zurück. 1937 eröffnete er nach Querelen mit seinem Vater sein eigenes Geschäft „Victor Foto". Sein exzellenter Ruf führte dazu, dass die schwedische Regierung ihm im Kriegsfrühjahr 1940 eine erbeutete deutsche Kamera zeigte und fragte, ob er eine ebenso gute bauen könne. Seine legendäre Antwort: „Nein, aber ich kann eine bessere bauen." In der Halle einer Autowerkstatt im Zentrum Göteborgs entstand mit Hilfe des geschicktesten Mechanikers der Autowerkstatt und einer zerlegten deutschen Beutekamera die erste Hasselblad-Kamera, die HK 7 für das Rollfilmformat 7x 9 cm auf perforiertem 80-mmFilm. Bald darauf begann mit 20 Mitarbeitern die Serienproduktion der HK 7, die mobiles Fotografieren aus der Hand erlaubte. Mit zwei austauschbaren Objektiven, einem Zeiss Biotessar 2,8/135 mm sowie einem Meyer Tele-Megor 5,5/250 mm bzw. einem Schneider Tele-Xenar 4,5/240 mm, wies sie den Weg in die Zukunft. Das zweite Hasselblad-Modell, das ab 1941 für den festen Einbau in Flugzeuge entwickelt wurde, hatte mit 13 x 18 cm nicht nur ein größeres Negativformat, sondern ein weiteres Element, das wesentlich zum späteren Hasselblad-Erfolg beitragen sollte: austauschbare Filmmagazine. Insgesamt lieferte Hasselblad, der nach dem Tod seines Vaters auch das Familienunternehmen Hasselblad wieder übernommen hatte, bis 1945 insgesamt 342 Kameras an das schwedische Militär. Sein Ziel war es aber, ein hochwertiges, transportables Modell für den zivilen Markt zu entwickeln, „eine Kamera, die in meine Hände passt", so seine Vorgabe. Nach dem Krieg konnte er, mit den bisherigen Erfahrungen und dank des gut florierenden Kodak-Vertriebs, endlich an die Verwirklichung seines Traumes gehen. Geburt eines Klassikers Am 6. Oktober 1948 war es soweit. Hasselblad präsentierte bei einem Dinner in New York rund 20 führenden Fotojournalisten das Modell 1600F, eine einäugige Spiegelreflexkamera mit Schlitzverschluss für das Rollfilm-Format 6 x 6, auswechselbaren Suchern und Filmmagazinen. Dazu gab es als Standardobjektiv ein Kodak-Ektar 2,8/80 mm, ein Weitwinkel-Ektar 6,3/55 mm sowie die Ektar-Teles 3,5/135 mm und 5,6/254 mm, heute allesamt gesuchte Sammlerstücke. Dieser erste Versuch einer neuen Kamera war naturgemäß noch mit Kinderkrankheiten behaftet, insbesondere die sensible Mechanik des Metallschlitzverschlusses aus 0,016 mm dünner Stahlfolie. Immerhin stand die „1600" in der Typenbezeichnung für die kürzeste Verschlusszeit von 1/1600 s. Es folgte das Modell 1000F mit nicht ganz so ambitionierter Verschlusszeit, vielen Detailverbesserungen und optimierten Eigenschaften sowie eine neue Objektivserie mit sechs Objektiven. Dann, im Jahr 1952, kam der große Durchbruch für die Kamera, als die amerikanische Fotozeitschrift Modern Photography spektakuläre Testergebnisse der neuen Hasselblad 1000F veröffentlichte. Nach über 500 belichteten Filmrollen und zweimal absichtlich herbeigeführten Stürzen funktionierte die Kamera einwandfrei wie zu Beginn des Tests. Wegen des hohen Dollar-Kurses, der die Kodak-Objektive prohibitiv verteuerte, sah sich Hasselblad nach Alternativen um und fand in der mit amerikanischer Unterstützung von Jena nach Oberkochen umgesiedelten Zeiss AG einen neuen Partner. Zeiss lieferte 1953 die ersten Objektive der Typen Tessar, Sonnar und Distagon für Hasselblad und löste damit Kodak ab. Von Beginn an sprechen die Kamerabezeichnungen für Hasselblads Systematik. Die Zahl steht für den Sekundenbruchteil der kürzesten Belichtung, F (focal plane = Schlitzverschluss) oder C (central shutter = Zentralverschluss). So wird klar, wo die Unterschiede von der 1000F zum Nachfolgemodell 500C von 1957 liegen. Mit dieser Kamera für Zentralverschluss-Objektive war „die" klassische Hasselblad geboren, die auch heute in der aktuellen 501CM in ihrer reinsten Form weiterlebt. Der Zentralverschluss beschränkt zwar die kürzeste Verschlusszeit auf 1/500 s, erlaubt dafür aber die X-Synchronisation mit allen Zeiten. Besonders Modefotografen wussten deren Aufhellblitzmöglichkeiten bei Tageslicht zu schätzen. Da durch das lange Auflagemaß die konstruktiven Möglichkeiten Richtung Weitwinkel begrenzt waren, entstand 1954 die Hasselblad SWA, eine flachere Zentralverschluss-Weitwinkelkamera mit fest eingebautem 38-mm-Biogon und Durchsichtssucher ohne den zentralen Würfel. Daraus ging 1957 Hasselblad SWC hervor. Ein universelles System Mit ansetzbaren Motoren hatte Hasselblad schon früh experimentiert, doch erst 1965 erschien die Hasselblad 500 EL mit Motorantrieb. Die 500CM - eine durch auswechselbare Mattscheibe aufgewertete Weiterentwicklung der 500C von 1970 -, die SWC und die 500EL-Kameras bildeten über viele Jahre die Basis des Hasselblad-Systems. Die optischen und mechanischen Qualitäten veranlassten 1962 die NASA, die erste Hasselblad-Kamera mit in den Weltraum zu nehmen. Ihr sollten noch viele folgen, so etwa 1969, als Neil Armstrong und Edwin Aldrin mit einer Hasselblad 500 EL/ 70s die ersten Bilder von Menschen auf dem Mond und von der Erde vom Mond aus aufnahmen. Die Produktentwicklungen der Weltraumkameras wurden dann für zahlreiche Modifikationen der irdischen Kameramodelle genutzt. Während die klassische Hasselblad sich mit kleinen Veränderungen evolutionär bis zu ihrem heutigen Stand entwickelte, war die 1977 vorgestellte 2000FC eine kleine Revolution. Es war nicht nur wieder eine Hasselblad mit Schlitzverschluss und der für eine Mittelformat-Kamera sensationellen 1/2000 s als kürzester Verschlusszeit, sondern damit hielt auch die Elektronik als zentrales Kameraelement Einzug bei Hasselblad. Da jetzt kein Zentralverschluss mehr nötig war, begann mit den F-Objektiven zur 2000FC eine neue Serie lichtstärkerer Objektive. Nicht ganz so begeistert waren die Profifotografen allerdings von den berührungsempfindlichen Schlitzverschlussfolien. Bei der 2000FCM von 1979 klappten sie deswegen beim Magazinwechsel automatisch weg. Als Spezialitäten brachte Hasselblad mit der FlexBody 1995 zwei Laufboden-Kameras auf den Markt, an deren Standarten hinten vorhandene Wechselmagazine, oben Sucher und vorne „C"-Objektive (Flexbody) bzw. Großformat-Objektive (ArcBody) verwendet werden konnten Das aktuelle 6 x 6-System Das „klassischste" Modell der aktuellen Hasselblad 6 x 6-Palette ist neben der Weitwinkel-905Swc jetzt die 501CM, die immer noch rein mechanisch funktioniert. Zentralverschluss-Objektive, am Buchstaben „C" in der Bezeichnung erkennbar, von 30 mm bis 500 mm stehen dafür zur Verfügung, wechselbare Filmmagazine und diverse Sucher bis hin zum PME90 für TTL- und Lichtmessung. Die 503 CW basiert auf der 501CM bildet aber eine Einheit mit einem ergonomisch der Kamera angepassten Winder, der natürlich Strom benötigt. Der elektronische Fortschritt zeigt sich bei der 503CW in Form eines TTL-Blitzmesssystems mit Belichtungsmessung auf der Filmebene beim Einsatz von Systemblitzgeräten. Voll auf den motorischen Betrieb ausgelegt ist die 555ELD mit fest zum Gehäuse gehörender Antriebseinheit, die es auf 1,3 B/s bringt. Anschluss an die Zukunft gewährt die 555LED mit ihren integrierten Kontakten für kabellose Digital-Rückteile, wie sie von Fremdherstellern angeboten werden. Die Erben der elektronisch gesteuerten 2000FC heißen 203FE und 205FCC mit Zeitautomatik und Belichtungsreihenautomatik. Der hauptsächliche Unterschied zwischen den komfortabelsten, aber auch teuersten Hasselblad-Klassikern liegen in der Spotmessung und der Zonen-Messfunktion, die die 205FCC der 203FE voraus hat. Trotz fehlendem „C" im Namen erlaubt die 203FE den Einsatz von Zentralverschluss-Objektiven. Offene Zukunft Der Siegeszug der digitalen Fotografie hat die Kameramärkte drastisch verändert. Hasselblad hat deswegen zur photokina 2002 mit der H1 eine moderne 4,5x6-Reflex gebracht mit Autofokus und Adaptionsmöglichkeit sowohl für Film- als auch Digital-Back. Die H1 wurde zusammen mit Fujifilm entwickelt und bedeutet zugleich einen Bruch mit der schwedischen 6 x 6-Tradition. Ob diese Kamera in die großen Fußstapfen der klassischen Hasselblads treten kann, wird die Zukunft zeigen. Skepsis ist erlaubt, denn so eine geniale Idee wie die der Ur-Hasselbladq lässt sich nicht so einfach wiederholen. Horst Gottfried in Color Foto 10/2004 {ewl Thnhlp32.dll,THIN,SKIN.LZH;STEIMERM.BMP}