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KAMERAS TEST Leica R9 Digital-Modul-R Willkommen im Club Die Leica R9 mit Digital-Modul-R ist ein neues Mitglied im exklusiven Club digitaler Profi-SLRs mit ausschließlich manuell fokussierbaren Objektiven von sprichwörtlicher Qualität. Bestätigen praktische Erfahrungen und Testergebnisse, was der Name Leica verspricht? Von vielen Leica-Fans lang ersehnt, ist es jetzt endlich da: das Digital-Modul-R für die Spiegelreflexmodelle R9 und R8. Es ist das Kind einer Zusammenarbeit zwischen dem dänischen Hersteller Imacon A/S, bekannt für Scanner und Kamerarückteile im Mittelformat, dem Bildsensor-Spezialisten Kodak I.S.S. und der Firma Leica, die ein Anforderungsprofil für die Kooperationspartner erarbeitete. Wer fast 3000 Euro für eine Leica R9 investiert hat, dürfte sich jetzt bestätigt fühlen: Ohne das gewohnte und bewährte Werkzeug zu wechseln, kann er den Schritt in die digitale Welt vollziehen. Rund 4500 Euro kostet die Eintrittskarte in Form des Digital-Modul-R. Für diesen Test stand ein Vorserienmodell mit bereits einwandfreier Bildqualität bereit. Lediglich beim Speichern der Bilder kam es ein paar Mal zu Datenverlusten. Doch dieses Problem soll bei den Serienmodellen behoben sein. Die Bildaufzeichnung Bei dem von Kodak produzierten Bildsensor handelt es um einen CCD mit 10 Mio. Pixel, einer aktiven Fläche von 26,4 x 17,6 mm und einer Pixelgröße von 6,8 p. Die Empfindlichkeit lässt sich im Normalbetrieb zwischen 100 und 800 ISO variieren, im Push-Modus bis ISO 1600 ausdehnen. Als Bildformate stehen RAW, TIFF und JPEG in zwei Kompressionsstufen (Fine und Basic) zur Verfügung. Nicht möglich ist dagegen das parallele Aufzeichnen von RAW und JPEG, wie das einige Mitbewerber bieten. Beim RAW-Format hat Leica sich für den von Adobe entwickelten DNG-Standard entschieden und legt Photoshop Elements 3.0 als Software bei. Als Speichermedium dient eine SD-Card. Für den Datentransfer zum PC steht eine FireWire-Schnittstelle (IEEE 1394) bereit. Der Bildwinkelfaktor ist mit 1,37 moderat und begünstigt die Tele-Fotografie, ohne Weitwinkelfans massiv einzuschränken. Mitgeliefert wird eine mit Begrenzungslinien versehene Einstellscheibe, die man gegen die Original-Mattscheibe tauscht. Nachteil: Das verwendete Sucherbild ist kleiner als bei Verwendung des Originalrückteils und Kleinbildfilm. Vorteil: Das Sucherfeld lässt sich nach Art eines Sportsuchers auch von Brillenträgern optimal überblicken. Insgesamt ist das Sucherbild, wie man es von Leica kennt, besonders hell und klar; Schnittbild-Indikator und Mikroprismen-Ring helfen beim manuellen Fokussieren. Und das macht mit den Leica-Objektiven - mitgeliefert wurde das Apo-Macro-Elmarit-R 2,8/ 100 mm - eben auch richtig Spaß: Was für ein Gefühl, mal wieder richtiges Metall mit edlem Oberflächen-Finish unter den Fingern zu haben, einen satt in seiner Führung laufenden Einstellring und eine integrierte Sonnenblende, die sich „saugend" ausziehen lässt. Nichts gegen die gängigen Standardzooms - sie sind preisgünstig, leicht und erstaunlich gut. Bei einer Optik wie dem Macro-Elmarit aber stellt sich S-Klasse-Feeling ein, was auch für die optische Qualität gilt. Die Konstruktion Das Digital-Modul-R besteht aus zwei Teilen, der Rückwand mit dem Bildsensor und einem Handgriff, dessen Unterteil einen Lithium-Ionen-Akku beherbergt. Beides kann der Anwender selbst in wenigen Minuten montieren, nachdem er die Filmrückwand abgenommen hat. Die Digital-Rückwand ist federnd gelagert und wird auf die Filmbahn gedrückt, wobei der Sensor über dem Bildfenster zu liegen kommt. Praktischer Nebeneffekt der Rückwand-Konstruktion: Bei keiner anderen Digitalkamera hat man derart ungehinderten Zugriff auf den Bildsensor, wenn dieser mit Blasebalg oder Mikrofasertuch gereinigt werden muss. Über dem Sensor befindet sich nur ein dünnes, mehrfach beschichtetes Deckglas. Auf ein schärfeminderndes Anti-Aliasing-Filter vor dem Bildsensor hat man verzichtet. Stattdessen gibt es ein Moire-Filter, das per Software simuliert wird. Benötigt man seine Dienste nicht, kann man es abschalten und damit die Auflösung weiter steigern. Dagegen lässt sich durch Zuschalten des Moire-Filters das Rauschen günstig beeinflussen. In voller Digitalmontur ist die R9 kein Leichtgewicht: Über 1,3 Kilogramm bringt das Gehäuse ohne Objektiv auf die Waage. Unbedingt empfehlenswert ist deshalb die Montage der mitgelieferten Halteschlaufe für die rechte Hand des Fotografen; sie ermöglicht eine entspannte Kamerahaltung und ermüdungsfreies Arbeiten auch bei längeren Einsätzen. Um jede denkbare Kamerahaltung zu unterstützen, hat Leica dem Boliden drei Auslöser an verschiedenen Stellen des Gehäuses spendiert - oben am Zeitenrad, vorne am Handgriff und am Batterieteil unterhalb des Objektivs. Die Bedienbarkeit Man darf davon ausgehen, dass Leica-Besitzer eher traditionell geprägte Kameraliebhaber sind, die sich nicht gerne durch komplizierte Menüs hangeln wollen. Mit der R9 besitzen sie eine Kamera, die zwar keinen Autofokus besitzt, dafür aber sehr intuitiv bedient werden kann. Typisches Beispiel ist das Verschlusszeitenrad mit reliefartig aufgedruckten Werten von 1/8000 bis 16 s, X und B; ihm vorgelagert ein Schiebeschalter für das Anwählen der drei Belichtungsmessmethoden (Matrix, mittenbetont, Spot). Mit einem weiteren Schalter am Batterieteil variiert man die Spreizung für Belichtungsreihen zwischen 0,5 und 1 EV, und ein Wippschalter links neben dem Suchereinblick ist für die Belichtungskorrektur (+/-3 EV) zuständig. Angezeigt wird die Korrektur im LCDisplay unterhalb des TFT-Monitors (1,8 Zoll). Das per Knopfdruck beleuchtbare LC-Display informiert zudem über Batteriezustand und wichtige Kameraeinstellungen. Das Verändern dieser Einstellungen funktioniert ebenso einfach wie alles andere: Links neben dem LC-Display befindet sich ein Wählrad für die verschiedenen Parameter: Drehen Sie das Rad, bis die gewünschte Funktion dem Strichindex gegenübersteht. Dann die Set-Taste drücken und am Einstellrad drehen, das den 4-WegSchalter rechts neben dem Monitor umgibt. Auf diese Weise stellen Sie die ISO-Zahl und Weißabgleichsmethode ein, wählen Dateityp und Bildauflösung, aktivieren das Moire-Filter oder den Selbstauslöser. Das im TFT-Monitor angezeigte Menü kommt mit insgesamt 21 Einträgen aus, die auf einer Seite fortlaufend dargestellt werden. Schärfung, Farbsättigung und Kontrast lassen sich an der Kamera in jeweils drei Stufen einstellen. Möglich ist auch das Neuberechnen einer Bilddatei nach der Aufnahme („Verkleinern"). Zudem gibt es ein RGB-Histogramm oder ein Audio-Histogramm, bei dem Über-, Unter- und Normalbelichtung durch akustische Signale vermittelt werden. Für das Verändern von Werten, das Anwählen von Menü-Einträgen und andere Aktionen bietet die Rückwand dem Anwender eine praktische Kombination aus Datenwahlrad und 4-Weg-Schalter mit Bestätigungstaste. Alles in allem lässt sich die Leica hervorragend bedienen. Die Testergebnisse Getrübt wird der Spaß durch die unzeitgemäß lange Einschaltverzögerung von 5,4 s; heute darf man deutlich weniger als eine Sekunde erwarten. Auch der Stromverbrauch im Testzyklus war mit 84,2 Ws zu hoch. Hier sollte der Hersteller also dringend etwas tun. Die Auslöseverzögerung von 0,24 s bleibt ohne Bewertung, weil alle bisher getesteten Mitbewerber der SLR-Klasse über Autofokus verfügen und die Auslöseverzögerung deshalb zusammen mit der AF-Zeit gemessen wurde. Da die Leica folglich für diese Testdisziplin keine Punkte einfahren kann, ist sie in der Gesamtpunktzahl mit ihren Konkurrenten nicht direkt vergleichbar. Was die Bildqualität anbelangt, muss sich die Leica vor allem dem Vergleich mit der Nikon D2X (12 Mio. Pixel) stellen. Bei der Auflösung erreicht sie hervorragende Werte von rund 1300 Lp/mm und die gleiche Punktzahl wie die Nikon; bei der Gesamtwertung für die Bildqualität liegt sie mit 61 Punkten nur einen Zähler hinter der Nikon (bezogen auf ISO 100). Deutlicher fällt der Unterschied zugunsten der Nikon D2X (57,5 zu 52 Punkte) allerdings bei ISO 400 aus. Fazit Karl Stecht Das Digital-Modul-R ist eine technisch überzeugende Erweiterung der Leica R9 zur digitalen SLR-Kamera. Sehr gute Bildqualität, einfaches Handling und Leica-typisch gute Verarbeitung rechtfertigen den Preis von etwa 4500 Euro. Getrübt wird das positive Bild nur von der langen Einschaltverzögerung und dem hohen Stromverbrauch, was für den Hersteller lösbare Aufgaben sein sollten. Karl Stechl in Color Foto 8/2005 {ewl Thnhlp32.dll,THIN,SKIN.LZH;STEIMERM.BMP}