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Die Rückständigkeit ist nicht nur auf den unentwickelten Geschmack der Bevölkerung zurückzuführen, sondern auch auf den Geschmack und das Können der Photographen. Diese sind alle, wie gesagt, Angehörige des Phototrests. Von hier wird ihnen ihr Material zugewiesen, so daß sie unter völliger Kontrolle stehen. Von der Organisation wird ihnen auch der Arbeitsplatz zugewiesen. Ein Platzwechsel von einem Ort zum anderen ist so gut wie kaum möglich, denn in der UdSSR. heißt es: „Warum denn in Moskau arbeiten und nicht in Leningrad, da sind doch auch schon Photographen." Natürlich gibt es auch Bestarbeiter und Wettkämpfe. Filiale A gegen Filiale B. Und nicht nur, daß man bei der Fotografie bleibt, sondern der Phototrest tritt z. B. in Wettstreit mit dem Friseurtrest. Es dient alles nicht dazu, um die Besten herauszuschälen oder die Qualität zu heben, sondern an Quantität aus den Menschen herauszupressen, was herauszupressen ist. Das Porträt der Bestarbeiter in allen Berufen ist eine billige Prämiierung. Die Bilder sind ausgesprochen schlecht. In Riesengröße werden sie in den Straßen Leningrads zur Zeit der „Oktoberrevolution"-Jahrestage angebracht. Die Größe soll wahrscheinlich Qualität ersetzen. Schon allein die Auswahl der Bestarbeiter ist eine Willkür. Jede Abteilung, jeder Betrieb muß einen Bestarbeiter nennen. Zuerst kommen natürlich die Parteigenossen an die Reihe. Dann kommt es auf die Beliebtheit, auf die Untertänigkeit der Person an, und drittens erscheint dann fast jedesmal ein anderer, damit die übrigen nicht die Lust verlieren. Und wenn es vielleicht paßt, wird sogar das berufliche Moment berücksichtigt. Wenn die Sowjets heute von „Sowjetischer Kameraindustrie" sprechen, nun, wirklich eigenschöpferische Neukonstruktionen hat wohl noch niemand außerhalb des Arbeiterparadieses gesehen. Eher schon Nachbildungen deutscher Apparate. Die deutsche Kamera-Industrie des Ostens wandert als Reparationen ebenfalls in die UdSSR. Oder, wenn sowjetzonale Erzeugnisse im Westen zum Verkauf angeboten werden, dann kommt der Erlös der „Deutschen Handelszentrale" (DHZ) zugute, also einer staatlichen sowjetischen Einrichtung. Wie ja überhaupt die VEB („Volkseigenen" Betriebe) nicht direkt an den Verbraucher oder Privathändler liefern, sondern über die DHZ. Man erzählte von sowjetischen Farbenfilmen. Ich ließ mir einen zeigen. Es stand „Agfacolor" darauf! Ich hatte Gelegenheit, mit Photopapieren der Photofabrik 4, Leningrad, zu arbeiten. Die Bezeichnung „hart" oder „normal" darf den Verarbeitenden nicht dazu verleiten, das Papier auch nach der Aufschrift zu verarbeiten. Es empfiehlt sich, das Papier selbst auszuprobieren, 50-70% muß man sowieso wegen Blasenbildung wegwerfen. Kaum hat man das Papier in den Entwickler gelegt, bilden sich Luftblasen zwischen Schicht und Papierfilz. Es war mir 1949 nicht möglich, die Papiergrößen in den Warenhäusern zu erhalten, die ich verlangte, ebenfalls nicht die Härtegrade. Vergrößerungen mußte ich mit Kontaktpapier anfertigen. Spezialgeschäfte gibt es in Rußland nicht. Darum erst recht keine fachliche Bedienung.