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Test & Technik Ich glaube nicht, daß die Profis eine 6x6-Autofokus wollen COLOR FOTO-Gespräch mit Hasselblad-Präsident Jerry Öster COLOR FOTO: Das Geschäftsjahr 1987 fiel für Hasselblad glänzend aus. Ein Umsatzzuwachs von 18 Prozent und eine Gewinnsteigerung von 13 Prozent sind in der Branche bemerkenswert. Was ist Ihr Erfolgsrezept? ÖSTER: Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten. Lassen Sie es mich trotzdem mit einem Wort tun: Kontinuität. Wir streben eine langandauernde Beziehung zu unseren Kunden an und sie erwarten von uns kein neues System, was die jetzigen Kameras veralten läßt. Unsere konstruktive Aufgabe ist es, neue und alte Kameratypen kompatibel zu machen, so daß man die gleichen Magazine und Objektive benutzen kann. Wir können unsere Entwicklungskosten und Investitionen auf eine große Serie in vielen Jahren verteilen, mit Vorteilen für uns und unsere Kunden. COLOR FOTO: Oft hört man den Vorwurf, Hasselblad sei zu konservativ in der Modellpolitik. Ihre Kunden sehen das offenbar anders? ÖSTER: Ja. Sie honorieren unsere Philosophie der Kontinuität und Kompatibilität und natürlich auch die Qualität und Zuverlässigkeit unserer Kameras. Außerdem haben wir bewußt nicht die Absicht, uns dem Massenmarkt anzuschließen, denn dort herrscht ein Preiskampf, den wir nicht mitmachen. Hasselblad konzentriert sich auf das, was Berufsfotografen und anspruchsvolle Amateure wollen. COLOR FOTO: Der deutsche Markt scheint die Hasselblad-Tugenden offenbar nicht genügend zu honorieren. Liegt es an der starken Position des mit Heimvorteil operierenden Konkurrenten Rollei? ÖSTER: Zuerst einmal muß ich einräumen, daß der Mittelformat-Markt in Deutschland stärker geschrumpft ist als in vergleichbaren Ländern. Aber am wichtigsten ist die Tatsache, daß ein heimischer Hersteller viele Vorteile gegenüber einem ausländischen Wettbewerber genießt. Es ist - wenn Sie so wollen - eine Art von Chauvinismus. Doch hat die inzwischen gegründete deutsche Tochtergesellschaft von Hasselblad ihre Verkaufsaktivitäten erheblich verstärkt. Wir haben Marktanteile zurückgewonnen, weil die Leute offenbar erkennen, daß im Profieinsatz Qualität das Wichtigste ist. COLOR FOTO: Der Mittelformat-Markt ist weltweit rückläufig. Wie wird Hasselblad damit fertig? ÖSTER: Wir haben diese bedauerliche Entwicklung schon früh erkannt und festgestellt, daß es für unser Überleben wichtig ist, die Marktanteile zu vergrößern. Deshalb begannen wir bereits Anfang der Achtziger Jahre damit Tochtergesellschaften in aller Welt zu installieren, um unsere Marktposition auszubauen. So geschah es auch zuletzt in Deutschland. COLOR FOTO: Kann die Victor Hasselblad Aktiebolag auf Dauer noch allein und unabhängig ohne einen starken Partner existieren? ÖSTER: Ja, da bin ich ganz sicher. Hasselblad sollte sogar unabhängig bleiben. COLOR FOTO: Deutsche Kamerafirmen, die auch nur noch Nischenprodukte herstellen, haben offenbar Probleme mit der Unabhängigkeit. Rollei gehört zu Schneider-Kreuznach und die Leica GmbH zur Wild-Leitz-Holding. ÖSTER: Hasselblad hat eine sehr solide finanzielle Grundlage und wollte nie auf dem Kamera-Massenmarkt konkurrieren. COLOR FOTO: Wer ist denn eigentlich weltweit Mittelformat-Marktführer? Hat Hasselblad seinen einzigen Stammplatz etwa an Mamiya verloren, wie es Gerüchte wissen wollen? ÖSTER: Wir haben ihn nicht verloren. Auch ich habe einen Artikel gelesen, der besagte, daß Mamiya die Nummer Eins ist. Vielleicht sind sie es stückzahlmäßig mit ihren 4,5x6-Kameras. Vom Umsatz her heißt der Marktführer ganz klar Hasselblad. COLOR FOTO: Technische Innovationen beleben den Markt. Kann Mittelformat so etwas nicht auch gut gebrauchen? Öster: Natürlich steigern neue Entwicklungen die Verkaufszahlen. Doch meist nur für eine kurze Zeit. Langfristig bin ich skeptisch. Man kann es auf dem Kleinbild-Spiegelreflexmarkt beobachten. Ich behaupte, die modernen Autofokuskameras sind zu kompliziert. Sie sind die Spielwiese der Konstrukteure, statt daß sie die Bedürfnisse der Fotografie befriedigen. Nach kurzer Euphorie sind viele Käufer unzufrieden. Für das Mittelformat sehe ich kein technisches Merkmal, das die Verkaufszahlen nach oben schnellen lassen könnte. COLOR FOTO: ... auch nicht Autofokus? ÖSTER: Es ist technisch sehr schwierig und aufwendig, Autofokus auf das Mittelformat zu übertragen und es ist sehr teuer. Außerdem würden nur sehr wenige Hasselblad-Kunden Autofokus brauchen und auch wirklich benutzen. Ich glaube, daß es die Profis letztlich gar nicht wollen. COLOR FOTO: Wie sehen Sie die Zielgruppe der gut verdienenden auf Prestige bedachten jungen Leute. Eine Hasselblad-Kamera paßt doch gut zur Rolex und zum BMW. ÖSTER: Ich glaube, ein nicht geringer Teil unseres Erfolgs bei Amateurfotografen beruht auf dem Status der Prestigemarke. Unser zweitgrößter Markt ist Japan und Japaner sind sehr prestigebewußt in Sachen Kameras. Man kann sich natürlich eine Kamera nur um den Hals hängen, aber in erster Linie ist es ein Werkzeug zum Bildermachen, das auch Einsatz fordert. Man sollte in erster Linie von den Bildern beeindruckt sein, statt von der Kamera. COLOR FOTO: Leica setzt verstärkt auf diese Zielgruppe. ÖSTER: Warten wir ab, was geschieht. Wir setzen in unserer berühmten Anzeigenkampagne verstärkt auf das Bild. Das Bild ist unsere Botschaft und die Kamera, die Hasselblad, ist perfekt genug, die besten Bilder zu machen. Sie hilft dem Fotografen, dies zu tun. In den USA haben wir einen Werbeslogan, der lautet: "Sorgen Sie dafür, bevor Sie eine Hasselblad kaufen, daß Sie genug freie Wände haben". Das sagt alles. COLOR FOTO: Ist das traditionelle 6x6-Format nicht inzwischen überholt, wäre eine 6x7-Hasselblad nicht eine interessante Alternative zur 500 C/M oder 2000 FC/W? ÖSTER: Auch diesen Punkt haben wir diskutiert. Jedoch sind wir der Meinung, daß eine 6x7 eine Studiokamera ist, zu schwer, um sie mit Vergnügen draußen zu benutzen. Eine Hasselblad ist dagegen universell. Außerdem gibt es bei 6 X 7 Probleme beim Formatwechsel Hochformat-Querformat, deshalb wäre 7x7 die bessere Lösung. Doch das Volumen einer solchen Kamera wächst stark an und die Kompatibilität wäre nicht mehr gewährleistet. COLOR FOTO: Eine andere Lösung, ihr Kamerasystem zu modernisieren, wäre eine Hasselblad mit einer in das Gehäuse integrierten Belichtungsmessung. Das müßte doch dank moderner Elektronik in das 2000 FC/W-Gehäuse hineinpassen? ÖSTER: Natürlich untersuchen wir alle Möglichkeiten, die Kamera weiterzuentwickeln. Wir haben eine sehr kompetente Elektroniker-Mannschaft und diese Lösung wäre sicherlich denkbar. COLOR FOTO: Das Publikum erwartet wieder etwas von Hasselblad und mehr als nur Modellpflege in kleinen Schritten. Rollei zeigt sich sehr viel innovativer. Die haben schon vor zehn Jahren auf Elektronik umgeschaltet. ÖSTER: Wir wollen Rollei nicht kopieren, sondern unseren eigenen Weg gehen und der führt zum Ziel unbedingte Zuverlässigkeit und Systemkompatibilität. - Viele Berufsfotografen sind sehr skeptisch gegenüber Elektronik im Kamerabau, sie bevorzugen eindeutig unser Modell 500 C/M. COLOR FOTO: Ein großes Publikum für viele potentielle Hasselblad-Kunden ist der hohe Einstiegspreis. Eine Standardausrüstung kostet rund 4700 Mark. Wäre es nicht möglich, eine Art Economy-Hasselblad für rund 2500 Mark ohne Wechselmagazin anzubieten, damit auch Hobbyfotografen in den Genuß der Hasselblad-Qualität kommen. Vielleicht könnte diese Kamera sogar in Finnland produziert werden? ÖSTER: Auch dieses Thema haben wir von Zeit zu Zeit diskutiert, wir sind jedoch davon überzeugt, daß für eine Economy-Hasselblad, eine Art Bentley zum Rolls-Royce, um diesen Vergleich zu benutzen, der Markt zu klein ist. Was die Kosten anbelangt, so ist die Hasselblad kein Kostenfaktor, sondern zumindest für Berufsfotografen eine Investition für ein Werkzeug, das sich schnell amortisiert. Außerdem können Sie schon mit der Grundausstattung hervorragende Aufnahmen machen. Auch Hobbyfotografen profitieren von der hohen Wertbeständigkeit und dem hohen Wiederverkaufswert. COLOR FOTO: Verdienen Sie denn überhaupt Geld mit der Standardausrüstung oder kommt die Rendite nur über das Zubehör? ÖSTER: Ja natürlich. Unsere Grundphilosophie ist es, daß jedes Produkt Gewinn bringt. COLOR FOTO: Grundsätzlich gibt es für Hasselblad zwei Möglichkeiten, den Marktanteil zu steigern. Erstens: mehr Kameras, Objektive und Zubehör zu verkaufen und zweitens neue, teurere Modelle auf den Markt zu bringen und dadurch mehr Profit pro Kamera zu erwirtschaften. Welche Lösung streben Sie an? ÖSTER: Unsere Strategie ist abhängig vom Markt. Wir streben eine Kombination beider Lösungen an. Das Volumengeschäft wird unsere 500 Serie machen, die 2003 FC/W und andere denkbare Kameras, die teurer sind, werden mehr Rendite bringen. COLOR FOTO: Wird die 500 C/M sterben, weil es die 553 CX gibt? ÖSTER: Nein, auf keinen Fall, sie ist für viele Kunden die Hasselblad schlechthin. COLOR FOTO: Hasselblad gründete unlängst zwei Tochtergesellschaften, die Hasselblad Engineering AB und die Hasselblad Electronic Imaging AB. Geht von diesen Firmen ein Feedback auf die Kameraentwicklung aus? ÖSTER: Ziel der Hasselblad Electronic Company ist es, Know-how in der elektronischen Bildherstellung, Übermittlung und Manipulation zu gewinnen. Wenn in der Zukunft ein Übergang von chemischer auf die elektronische Fotografie stattfindet, möchten wir vorbereitet sein. Inzwischen ist das Dixel 2000 Bildübertragungsgerät ein großer Erfolg und selbstverständlich fließt auch Know-how in die Kameraentwicklung. COLOR FOTO. Also eine Art Synergismus? ÖSTER: Ja genau, das ist es. Alf Cremers in Color Foto 1/1989 {ewl Thnhlp32.dll,THIN,SKIN.LZH;STEIMERM.BMP}