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COLOR FOTO-Gespräch G. Robert Corduwener - Minox Ich habe es auch aus Liebe zum Produkt getan Der neue Mann, der Minox aus der Krise steuern will, ist Niederländer und heißt G. Robert Corduwener. Minox hatte über Jahre hinweg den Autofokus-Trend bei Kompaktkameras verpaßt und verlor dadurch am Markt an Bedeutung. Schon seit 1986 suchen die Gießener nach einem starken Partner. Den scheinen Sie jetzt gefunden zu haben. Der Ex-Computer-Manager Corduwener brachte bereits das schlingernde Ericsson-Deutschland-Schiff wieder auf Kurs. COLOR FOTO-Redakteur Alf Cremers befragte den erfolgsgewohnten neuen Minox-Chef nach seinen Zielen. COLOR FOTO: Die Nachricht kam überraschend. Ein Branchenoutsider erwirbt die 51 Prozent Mehrheit bei Minox. Warum haben ausgerechnet Sie zugegriffen, Herr Corduwener? CORDUWENER: Ich habe nicht lange überlegt, als die Unternehmensberatung Kienbaum mir die Minox-Offerte machte und es auch aus Liebe zum Produkt getan. So kamen wir ins Gespräch und während der Verhandlungen habe ich ein kleines Team aus Finanzexperten, Juristen und Logistik-Leuten auf Minox angesetzt. Wir haben sehr eng zusammengearbeitet, und Vorschläge zum Erhalt der Firma diskutiert. Alle Experten haben sie geprüft und das Resultat war, Minox hat eine Überlebenschance. COLOR FOTO: Sie waren vorher in der Computerbranche tätig, bei der deutschen Ericsson-Tochter in Düsseldorf. Kann man dort sein Geld nicht leichter verdienen, als in der krisengebeutelten deutschen Kameraindustrie? CORDUWENER: Ich sehe kaum Unterschiede, was den Grad der heutigen Schwierigkeiten angeht, in Deutschland im Vertrieb von Kommunikationsprodukten oder im Fotogeschäft erfolgreich zu arbeiten und zu bestehen. In beiden Branchen treffen mittlerweile eine Vielfalt gleicher Produkte, Standards und Techniken aufeinander, die es dem Benutzer schwierig machen, sich klar und eindeutig zu entscheiden. Hinzu kommt die Vielzahl der Anbieter, die sich gerade im deutschen Markt bewegen. Endergebnis - es wird starker und starker über den Preis verkauft. Also, um auf Ihre Frage zurückzukommen, Geld zu verdienen ist in jedem Fall das Ergebnis harter Arbeit. Außerdem gehört natürlich auch die notwendige Portion Glück dazu. COLOR FOTO: Haben Sie schon eine Diagnose für den Patienten Minox parat? CORDUWENER: Was wir herausgefunden haben, ist ein weitgehendes Fehlen von Management. Es gab keine klaren Richtlinien und das hat seine Auswirkungen nicht nur auf die Bilanz, sondern auch auf die Qualität der Produkte. COLOR FOTO: Die Unternehmensberatung Kienbaum suchte bereits seit 1986 noch einem Partner für das angeschlagene Familienunternehmen Minox. Gab es in der Fotobranche denn auch keinen ernsthaften Interessenten? Standen die Japaner nicht schon Schlange? CORDUWENER: Ja, japanische Interessenten hat es gegeben. Die wollten nur den Namen. Die waren nicht an einer Fortführung der Produktion interessiert. Auch eine amerikanische Firma hat sich bemüht, doch die wollten auch nicht weiterproduzieren. Wenn Minox an diese Interessenten verkauft worden wäre, hatte es nach einem Jahr keine Produktion mehr gegeben. Die Geldgeber waren natürlich gegen eine solche Strategie, ebenso wie das Land Hessen. Erstens: Meine Zielrichtung geht auf eine billigere und effizientere Produktion. Zweitens: Minox bleibt deutsch. Wir sind der letzte nennenswerte europäische Hersteller von Amateurkameras. Und drittens habe ich gesagt, ich steige selber ein, weil ich mich als Turnaround-Manager sehe. COLOR FOTO: Wie definieren Sie einen Turnaround-Manager? CORDUWENER: Er zeigt vor allem Risikobereitschaft, eine kalkulierbare natürlich. Die Bereitschaft, ein bis zwei Jahre 12-16 Stunden täglich zu arbeiten. Er ist entscheidungsfreudig, mit Mut zu durchgreifenden, auch unpopulären Maßnahmen, mit dem richtigen Gefühl für die Besetzung von Schlüsselpositionen und Mitarbeitermotivation. COLOR FOTO: Die eigentliche Starke von Minox sind doch die unverwechselbaren Kameras. Wie sehen Sie das? CORDUWENER: Minox ist noch immer mit Kameras assoziiert und das ganz eindeutig. Also erst mal wieder den Kamerabereich auf feste Beine stellen. Dann haben wir eine Plattform und einen Namen, der wieder etwas sagt in dieser Welt. Dann könnten wir auch mit anderen Produkten diversifizieren, die dann vom Image der Kameras getragen würden. COLOR FOTO: Minox hat ja neben der Kamerafertigung auch beachtliches Know-how in der Mikroverfilmung und deren Softwareentwicklung zu bieten. War dies etwa kein Grund für Siemens oder ein anderes Unternehmen der Elektronikbranche zuzuschlagen? So teuer war Minox doch wohl nicht, wenn sogar Sie als Privatmann die Mehrheit erwerben konnten? CORDUWENER: Natürlich war Minox auch für die Elektronikbranche attraktiv. Aber, wo wäre dann der Kamerabereich geblieben? COLOR FOTO: Woraus rekrutiert sich eigentlich Ihr Management-Team? Sind das Minox-Leute oder haben Sie für eine neue Mannschaft gesorgt? CORDUWENER: Wir haben einen neuen Finanzfachmann und Rechtsanwalt mitgebracht. Sowie neue Leute für Vertrieb, Personal und Marketing. Hier gibt es ein Team, das auch am Erfolg beteiligt wird. COLOR FOTO: Was wollen Sie genau, Herr Corduwener? CORDUWENER: Minox wieder zu einem gesunden Unternehmen machen. Wir haben hier nach einigen Wochen ganz schnell gemerkt, daß es an vielem fehlt. Man hat hier mit bestem Willen gearbeitet, aber lassen Sie mich das einmal so umschreiben, im Land der Blinden ist der Einäugige König. Minox ist dann den teuren Weg über die Unternehmensberatung gegangen, um die Fehler zu analysieren und um neue Leute zu holen, die man erst einmal überzeugen mußte, daß die Firma trotz der häßlichen Lage eine Zukunft hat. COLOR FOTO: Was wird es bei Minox Neues geben? Wann kommt die langersehnte Autofokus und sogar von einer Kompaktkamera mit Wechselobjektiven war die Rede? CORDUWENER: Das erste Neue, was wir auf den Markt bringen werden, wird eine verbesserte Minox 35GT sein. Was wir nicht mehr machen werden, sind Werbekampagnen um den Foto-Fachhandel zu überzeugen. Wir wollen den Käufer überzeugen, beim Fachhandel direkt noch Minox-Produkten zu fragen. Im übrigen laßt sich der Fachhandel letztlich nur von einem überzeugen. COLOR FOTO: Von der Gewinnmarge? CORDUWENER: Das auch, aber auch vom Ruf der Firma. Innerhalb kurzer Zeit wird es auch eine wirklich neue Kamera geben. Die Vorserie wird an Profifotografen für den Einsatz in aller Weit verteilt. Dieser Streß-Test soll Schwächen aufdecken. Die Fachpresse wird informiert und der Fachhandel wird erfreut sein, daß es wieder eine starke Nachfrage nach Minox-Produkten geben wird und keine lästigen Reklamationen. COLOR FOTO: Betrafen die Qualitätsprobleme wirklich nur 35 PE und PL? CORDUWENER: Diese Qualitätsprobleme sind auch wieder auf unzureichendes Management zurückzuführen. Der notwendige Informationsfluß zwischen den einzelnen Abteilungen Konstruktion, Fertigung und Verwaltung fand einfach nicht statt. Wir sind jetzt vollauf beschäftigt, dieses unprofessionelle Gebaren umzudrehen. Sehr wichtig für uns ist es außerdem, das fast eingeschlafene Vertriebssystem wieder zu aktivieren. COLOR FOTO: Minox-Kameras sind keine Massenprodukte. Sie haben stets einen bestimmten Anspruch in Design und Technik. Wollen Sie den auch in Zukunft hochhalten oder können Sie sich, um die Ertragslage kurzfristig in den Griff zu bekommen, auch eine zugekaufte AF-Fernostkamera mit dem Namen "Minox" vorstellen? CORDUWENER: Eine Minox wird immer ein Produkt für ein bestimmtes Publikum bleiben, das Geschmack hat, Wert auf Qualität legt und das Besondere sucht. Die Exklusivität wird bestehen bleiben, ein Massengeschäft wird es nicht geben. Ein Massengeschäft verursacht auch Massenprobleme. Eine wichtige Entscheidung muß in diesem Zusammenhang getroffen werden. Make or buy? Man muß sich die Starken einer Firma genau ansehen. Electronics sind nicht die Starke der Firma Minox. Wir haben zwar gute Leute, aber eine professionelle Entwicklungsabteilung für Electronics kann sich Minox nicht leisten. Wir müssen daher unsere elektronischen Bauteile auf dem Weltmarkt kaufen. Das macht Ericsson auch. Aber Gehäuse, Konstruktion und Objektiv weisen eine Minox immer als "Made in Germany"-Produkt aus. COLOR FOTO: Sicher sind nicht alle Minox-Probleme hausgemacht. Die deutsche Kameraindustrie hat generell Schwierigkeiten. Können Sie sich den Industriestandort Bundesrepublik Deutschland auch noch in Zukunft bei einer Kamerafertigung vorstellen? CORDUWENER: Absolut ja. Eine Minox, hergestellt in Korea oder Taiwan, bringt nicht das Vertrauen, das wir jetzt wieder zurückzugewinnen versuchen. Leica ist ein typisches Beispiel für eine Erstkamera. Man kann eine Minox als beste Zweitkamera für einen Leica-Besitzer bezeichnen. Ein Marktsegment für uns sind Leute, die eine gute Systemkamera haben, das andere sind die Frauen, das dritte Marktsegment sind Leute mit Geschmack und Anspruch. Wenn man diesen Markt konsequent nutzt, gibt es eine Chance für Minox, akzeptable schwarze Zahlen zu schreiben. Minox wird sich in Zukunft im Marktsegment zwischen 200 und 800 Mark bewegen. COLOR FOTO: Streben Sie eine Kooperation mit einem japanischen Hersteller nach dem Vorbild Leitz -Minolta an? CORDUWENER: Die Alternative zur Kooperation liegt im Kaufen von Bauteilen auf dem Weltmarkt, ohne jede Bindung und Verpflichtung. Ich glaube, daß die Zukunft von Minox auch in der Unabhängigkeit liegt. COLOR FOTO: hat man bei Minox den Autofokus-Trend wirklich verschlafen? CORDUWENER: Ja. An der Entwicklung von Autofokus wird in diesem Hause schon seit Jahren gearbeitet. Das wichtige, was man versäumt hat, ist eine richtige Entscheidung zu treffen. Jeder hat diese wie eine heiße Kartoffel dem anderen übergeben, um das Problem loszuwerden. Eine AF-Kamera ist für Minox nicht von existenzieller Wichtigkeit, aber wir sollten sie haben. COLOR FOTO: Ein weiteres Problem, das Minox stark betrifft, ist der Preisverfall bei Kameras. Eine Minox GT ist heute 100 Mark billiger als eine Minox EL 1975 und das bei erheblich gestiegenen Fertigungskosten. Wie wollen Sie das lösen? CORDUWENER: Mit neuen Modellen gibt es auch neue Preise. Früher war die einzige Methode sich dem schwieriger werdenden Markt anzupassen, runter mit dem Preis, auch um dem Fachhandel noch eine Marge zu sichern. Man hat das Image der Minox-Kameras dabei völlig unterbewertet. Unser Marktsegment soll das der teureren Kameras sein. Wenn da etwas dahintersteht, ist der Preis Nebensache. Beispiele wie so etwas glänzend funktioniert gibt es bei Konsumgütern genug. Ich nenne hier einmal Rolex, Miele oder Mont Blanc. COLOR FOTO: Was wird sich bei der bisherigen Minox 35 Modellpalette tun? Gibt es da nicht Überschneidungen wie GT und MB? Ist da nicht noch Platz für Modellpflege wie Entfernungsmesser oder mehrschichtvergütetes Objektiv? CORDUWENER: Ich will das nicht ausschließen. Aber wir können nicht die ganze Modellpalette auf einmal erneuern. Brauchen wir auch nicht. Unsere Produkte sind hervorragend. Wir müssen sie nur besser verkaufen. COLOR FOTO: Fallen die berühmten Kleinstbildkameras EC und LX jetzt dem Rotstift zum Opfer, oder darf man auch hier Modellpflege erwarten?' CORDUWENER: Auf keinen Fall. Die 8x11 Kameras laufen gut. Auch da wird sich in Zukunft etwas tun. Vor allen Dingen ist es notwendig die Laufzeiten für die Entwicklung und Vergrößerung drastisch zu verkürzen und die Preise dafür zu senken. Außerdem müssen wir eine bessere Versorgung mit Filmen bei den Fachhändlern garantieren. COLOR FOTO: Welche Strategie verfolgen sie im Gesamtunternehmen. Wollen Sie den profitablen Industriebereich zu Lasten der Kamerafertigung forcieren? CORDUWENER: Nein. Im Gegenteil. Der Industriebereich ist eine "sleeping beauty". Da laßt sich noch etwas tun, aber das ist nicht so akut. Zuerst einmal müssen wir die Kamerasparte renovieren. COLOR FOTO: Wie sieht die Umsatzverteilung zwischen Kameradschäft und Industriegeschaft aus? CORDUWENER: Etwa 80 Prozent Kamera und 20 Prozent Mikrofilm und Software. Beim Gewinn sieht die Verteilung aber ganz anders aus. COLOR FOTO: Wie wollen Sie erreichen, daß Minox wieder schwarze Zahlen schreibt? CORDUWENER: Man kann den Erfolg einer Firma auf zweierlei Weise verbessern. Der erste, optimistische Weg ist der, den Umsatz zu steigern. Der zweite, mühsamere Weg ist der, die Firma wieder auf eine realistische Kostenbasis zu bringen. Wir sehen in der zweiten Möglichkeit unsere Chance. Die Mittel sind: Aufstocken des Vertriebs, neue Kontrollsysteme, Modernisierung und Ausweitung des Berichtswesens. Außerdem brauchen wir ein straffes Rechnungswesen. Ein wichtiger Punkt ist natürlich auch die Rationalisierung und Optimierung des Produktionsprozesses. Wir wollen eine Produktionsstraße einführen für die wir vier Millionen Mark investieren. Wir haben einen konservativen Business-Plan aufgestellt und nach diesem Plan arbeiten wir. Wir hoffen, daß wir damit bald den Break-Even-Point erreichen. COLOR FOTO: Wann erwarten Sie ein überschreiten der Rentabilitätsschwelle? CORDUWENER: Schon zum Ende dieses Jahres, Anfang nächsten Jahres. Das heißt, wir benötigen zum Erreichen des Break-Even-Points noch nicht einmal die Einführung der neuen Modelle. Unsere Kalkulation basiert auf einem Null-Prozent-Umsatzzuwachs. Kostenmaßnahmen und Rationalisierung, daß ist alles, was wir in der Hand haben. Den Umsatz-Zuwachs haben wir nicht in der Hand. Aber wir sind sicher, daß auch der Umsatz wieder wachst, wenn alle Maßnahmen greifen und Minox deshalb wieder stärker nachgefragt wird. COLOR FOTO: Geloben Sie Fachhandelstreue? Was wird Minox unternehmen um dem Fachhandel zu helfen? CORDUWENER: Wir werden nie über Discounter und grüne Märkte verkaufen. Das kann man einmal machen und dann ist man tot. Außerdem sagt dann unser Publikum, mit dem wir rechnen, Minox ist jetzt eine Billigmarke. Wir haben es dem Fachhandel in der Vergangenheit nicht immer leicht gemacht. Das wird sich ändern. COLOR FOTO: Planen Sie eine Selektion der Minox-Fachhändler oder wollen Sie sich beispielsweise an Leica-Fachhändler anlehnen? CORDUWENER: Wir wollen uns nicht an eine andere Kameramarke anhängen, das haben wir nicht nötig. Auf Minox kann man stolz sein, wir brauchen nicht im Schatten zu leben. COLOR FOTO: Herr Corduwener, was reizt Sie so an Minox? Haben Sie eine persönliche Beziehung zu den feinen, kleinen Kameras aus Heuchelheim. Fotografieren Sie gar selbst oder ist die Sanierung der Firma ganz einfach ein Job, der Sie als Geschäftsmann herausfordert? CORDUWENER: Ich fotografiere sehr gerne, nicht nur mit Minox-Kameras. So habe ich neben meiner kleinen Minox-Sammlung auch noch eine Nikon, eine Contax RTS und eine Canon EOS 620. Ich bringe eine Liebe zum Produkt mit bei Minox und das stimuliert mich bei meiner Arbeit ganz besonders. Wir werden es schaffen, daß Minox wieder schwarze Zahlen schreibt. Alf Cremers in Color Foto 7/1988 {ewl Thnhlp32.dll,THIN,SKIN.LZH;STEIMERM.BMP}