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Beratung Alles über Halbformat Comeback eines Kinostars Die erfolgreiche Yashica Samurai verhilft dem Halbformat zu einer überraschenden Renaissance, Canon rüstet die Prima Tele umschaltbar von Voll- auf Halbformat aus. Seine Filmkarriere startete das Halbformat ursprünglich im Kino. Findige Kamerakonstrukteure entdeckten es bald für sich. Olympus startete mit der berühmten Pen-Serie in den sechziger Jahren eine erfolgreiche Großoffensive. Hat das umstrittene Halbformat, das sich bislang nie durchsetzen konnte, wieder eine Chance? Laborprobleme und die Zurückhaltung anderer großer Kamerahersteller dämpfen allerdings die Halbformat-Euphorie. Oskar Barnack war leidenschaftlicher Hobbyfilmer Der Pionier der Kleinbildkamera erkannte im perforierten 35mm-Kinofilm die Chance, eine wirklich kompakte Kamera zu bauen. Er kam auf die Idee, die einst die Fotografie revolutionierte, als er einen Belichtungsapparat für Kinofilm konstruierte. Barnack sah in diesem Apparat die Keimzelle zu einer neuen Kamera. Als er dies erkannte, verdoppelte er als erstes das Bildformat, aus den ursprünglichen 18x24 mm wurden 24x36 mm. Dafür hatte Leitz-Mitarbeiter Barnack zwei Gründe: Ein Seitenverhältnis von 2:3 erschien dem Feinmechaniker sympathischer und harmonischer als die 3:4 Relation beim Filmbild, außerdem brachte eine Verdoppelung mehr Negativfläche, die das Kleinbild dringend brauchte, um mit dem damals verfügbaren Filmmaterial mäßiger Güte und geringer Empfindlichkeit gegen den dominierenden Planfilm und auch Rollfilm zu bestehen. Heute ist die Situation anders als zu Barnacks Zeiten. Kinofilme werden zwar nach wie vor noch auf 35-mm-Film gedreht, pro Sekunde laufen allerdings beim Tonfilm 24 Bilder im modifizierten Halbformat 16x22 mm ab. Hochentwickelte High Resolution-Filme für Dias und Negative mit ausgezeichnetem Auflösungsvermögen und feinem Korn sowie die Anwesenheit viel kleinerer Formate wie Pocket (13x17 mm), Disc (8x10,5mm) erhöhen die Konkurrenzfähigkeit des Halbformats ganz erheblich. Außerdem ermöglicht das Halbformat kleine und leichte Kameras. Das Konstruktionsziel besonderer Kompaktheit verbunden mit der großen Auswahl der Kleinbildfilme und der größeren Bildzahl pro Film, realisierte Konica 1984 mit der Konica AA-35, in Japan auch Recorder genannt. Im Unterschied zu Olympus, die bis Mitte der achtziger Jahre noch die Modelle Pen EE-3 und Pen EF im Programm hatte, bedeutete die Konica ein neuer Schritt in die Zukunft des Halbformats. Kompaktheit war Trumpf, von der AA-35 im Disc-Stil konsequent verwirklicht, aber dennoch kein Erfolgsrezept. Die Kamera geriet zu Unrecht zum Flop, obwohl sie das Halbformat erneut in die Diskussion brachte. Eine mutige Pionierleistung der nicht zu den Großen zählenden Firma Konishiroku, die sieben Jahre vorher der Autofokus-Kompaktkamera das Laufen gelernt hatte. Der Name "Recorder" zielt in die gleiche Richtung wie die Olympusbezeichnung "Pen". Die Halbformat-Kamera als fotografischer Bleistift zum Festhalten von Bildern, das ist die Philosophie, die bei beiden dahintersteckt. Übrigens eignet sich die Recorder alias AA-35 vorzüglich dazu, einmal die grundsätzlichen Vorteile des Halbformats zu erläutern: Die Stärken des Halbformats Die doppelte Bildzahl pro Film erhöht die Wirtschaftlichkeit und macht es für motorischen Filmtransport und schnelle Bildserien besonders geeignet. Bei den handelsüblichen Konfektionierungen von Kleinbildfilm in 12er, 24er und 36er Patronen laßt sich beim Format 18x24mm- oder wie es neuerdings auch als 17x24 mm bezeichnet wird, weil der Bildsteg in der Mitte ja nicht genutzt werden kann - genau die doppelte Anzahl an Bildern erzielen. Erfahrungsgemaß passen auf einen 36er Film auch schon mal 38 Bilder, was dann in der Verdoppelung sage und schreibe 76 ergibt. Diese hohe Bildzahl pro Film prädestiniert eine Halbformatkamera für motorisierten Filmtransport. Das haben die Konica-Konstrukteure bei der AA-35 erkannt und genutzt. Bildserien in schneller Folge sind deshalb kein Problem, Film ist genügend vorhanden. Robot nutzt das Halbformat in seiner professionellen Registrierkamera Robot Motor-Recorder 18C mit einer Bildfrequenz von 8 Bildern pro Sekunde. Halbformat bedeutet eine große Auswahlmöglichkeit hinsichtlich Filmtype und Empfindlichkeiten, verglichen mit Disc oder Pocket. Sofern die Kamera durch möglichst stufenlose DX-Abtastung (Yashica Samurai) dafür ausgelegt ist, laßt sich eine Vielzahl unterschiedlicher Filmtypen verwenden. Die kleinere Bildbühne und die geringere Brennweite des Objektivs bringen mehr Kompaktheit dank Halbformat. Die Konica AA 35 mißt nur 113x77x31 mm (BreitexHöhexTiefe). Dank der Brennweite von nur 24 mm kann sie überdies äußerst flach gehalten werden und übertrifft in dieser Disziplin eine Kodak-Disc nur um wenige Millimeter. Die Konstrukteure der Canon Prima-Tele nutzten diesen Halbformat-Vorteil allerdings nicht, da diese Kamera von Halbformat auf Vollformat umschaltbar ist. Kurioserweise muß man dann die Kamera bei Hochformataufnahmen quer halten und umgekehrt. Das Halbformat dient lediglich dazu, bei Bedarf einen kleineren Bildwinkel zu erzielen. Die Samurai fällt nicht gerade durch Zierlichkeit auf, doch ermöglicht die Reduktion auf das Halbformat bei dieser Kamera, das platzraubende Spiegelreflexprinzip und ein Dreifach-Zoom in ein überzeugendes Kamerakonzept zu integrieren. Kürzere Brennweite bedeutet mehr Schärfentiefe. Naturgernäß ist die Bilddiagonale bei Halbformat kürzer als bei Vollformat. Das Maß der Bilddiagonale charakterisiert die Lange der Normalbrennweite. Bei 24x36mm entspricht dies etwa 45mm, bei Halbformat etwa 30mm. Die Konica hat gar nur 24 mm. Um den Bildwinkel eines Normalobjektivs (etwa 50 Grad) zu erzeugen, reicht beim Halbformat also eine deutlich kürzere Brennweite. Dies kommt noch den optischen Gesetzen einer Vergrößerung der Schärfentiefe zugute. Der indirekte Vorteil liegt in der kürzeren Verschlußzeit. Für die gleiche Schärfenzone kann die Blende einer Halbformatkamera eine Stufe weiter geöffnet sein als bei einer Vollformatkamera. Also beispielsweise statt Blende 8, 5,6. Die kürzere Verschlußzeit bringt weniger Verwacklungsunschärfe, und damit ein schärferes Bild. Anders ausgedrückt, kann man, um mit Vollformat gleichzuziehen, einen um drei DIN niedrigere Filmempfindlichkeit verwenden, mit Pluspunkten für das Auflösungsvermögen. Trotz Halbformat ist die Bildqualität erstaunlich gut. Praktische Aufnahmen mit allen drei Kameras überzeugten durch Scharfe und Brillanz. Sie stehen dem Vollformat nur wenig nach. Einziges Handicap ist der stärkere Vergrößerungsfaktor. Die Nachteile des Halbformats Das Halbformat hatte sich längst zum Kleinbild-Standard entwickelt, wenn seiner Verbreitung nicht ein paar große Handicaps im Wege stünden. Obwohl einige Marketingstrategen den schönfärbenden Begriff Doppelformat für das klassische Halbformat ersonnen haben, ändert das nichts an der Tatsache, daß sich das ursprüngliche Bildformat 24x36 mm nicht verdoppelt, sondern halbiert. Halbformat muß man stärker vergrößern als Vollformat. Je höher der Vergrößerungsfaktor liegt, desto größer der Qualitätsverlust. Wie wir schon festgestellt haben, ist die Normalbrennweite beim Vollformat mit 45mm anderthalbmal so lang wie beim Halbformat ca. 30mm. Ein Halbformat-Negativ muß man für die gleiche Bildgröße etwa 1,5fach stärker vergrößern. Dieser Faktor 1,5 muß übrigens auch dann als Multiplikator dienen, wenn die Brennweitenangabe beim Halbformat in die für uns geläufigere und aussagekräftigere Vollformat-Relation übersetzt werden soll. Das 25- bis 70-mm-Zoom der Samurai entspricht also immerhin einem 35 bis 110 mm bei Vollformat. Segen und Fluch der vielen Bilder Halbformat, so urteilte einmal ein Spötter aus der Branche, sei dreimal Weihnachten auf einem Film. Doch so übertrieben diese sarkastische Definition auch sein mag, im Kern steckt etwas Wahres. Denn so nützlich die hohe Bildzahl auch ist, wenn Action-Fotos in schneller Folge gemacht werden, so lästig kann sie sein, wenn der Film bei nur gelegentlichem Gebrauch der Kamera nicht voll wird. Sicher weisen kurze Filme mit 12 oder 24 Aufnahmen (24x36mm) einen Ausweg, doch die vom Halbformat angepeilte Wirtschaftlichkeit ist dahin, weil kürzere Filme teurer sind. Apropos Wirtschaftlichkeit: Heutzutage ist es in der Bilderbearbeitung üblich, gleich vom Negativ weg ohne Nachbestellungen printen zu lassen. Günstige Preise machen dies attraktiver. Bei 76 Prints im Format 9x13 kommt ein ansehnlicher Betrag zustande, und 38 Mark pro Film bedeuten für viele schon eine empfindliche Hemmschwelle. Das größte Halbformat-Handicap, die Laborverarbeitung. Moderne Printer wie etwa der Agfa Multi-Scanning-Printer sind auf hohe Durchlaufgeschwindigkeit und vollautomatische Bearbeitung ausgelegt. Die Vorteile liegen in der automatischen Farbkorrektur - Farbstiche werden herausgefiltert - in der gleichmäßig hohen Qualität und im günstigen Preis. Ein Kleinbildfilm mit Halbformatbildern fällt da unangenehm aus der Rolle. Das mag bei den üblichen 9x13cm Standard-Prints noch aufzufangen sein, größere Formate erfordern allerdings aufwendige Handarbeit. Sie sind teuer und dauern länger. Wünschenswert wäre im Sinne einer unproblematischen Weiterverarbeitung in modernen Printern eine automatische Codierung des Films, beim Schließen der Rückwand einer Halbformatkamera. Aber das ist wohl noch Zukunftsmusik, wenn auch keine Utopie. Weniger Probleme gibt es bei der Diaverarbeitung. Günter Müller, Leiter des Kundenservices beim Agfachrome-Umkehrdienst München versichert: Bei uns laufen Kleinbildfilme mit 18x24-mm-Bildern problemlos durch, sowohl als Schnittfilm als auch in der Rahmung, wenn der Kunde die entsprechende Rahmungsmarke aufgeklebt hat.' 0 Bei der Projektion gibt es wenig Probleme. Diarähmchen gibt es am Markt in ausreichender Menge. Beispielsweise von Gepe in gleich drei Varianten: Glas Anti-Newton 6101, Glas 2101, Glaslos 7002. Der vielzitierte Faktor 1,5 kommt bei der Projektion wieder zu seinem Recht. Um auf der Leinwand das gleich große Bild eines Halbformat-Dias zu entwerfen wie mit dem Vollformat-Pendant, muß der Fotograf den Projektionsabstand entweder um das anderthalbfache verlängern oder die Brennweite des Projektionsobjektivs um den gleichen Wert verkürzen. Die große Halbformat-WelIe bleibt vermutlich aus. Abgesehen vom Auslaufmodell Konica AA-35, die derzeit von Photo Porst zum sensationell günstigen Preis von 169 Mark ausverkauft wird, gibt es auf dem Kameramarkt derzeit nur zwei Halbformat-Modelle. Während bei der Samurai das Halbformat zum überzeugenden Gesamtkonzept gehört und Spiegelreflexprinzip mit Dreifachzoom erst möglich macht, ist die Formatumschaltung bei der Prima-Tele sie kann übrigens nur vordem Filmeinlegen vorgenommen werden - nicht mehr als ein pfiffiges Ausstattungsdetail. Die Canon-Politik des "sowohl-als-auch" laßt den Halbformat-Vorteil größerer Kompaktheit brachliegen. Mit einem Halbformat-Kameraboom ist nicht zu rechnen: Nikon-Vertriebsleiter Consumer-Products Kristof Friebe stellt lakonisch fest: "Nikon denkt nicht daran, in absehbarer Zeit eine Halbformatkamera auf den Markt zu bringen". Minolta-Product-Manager Eugen G. Dietz stößt ins gleiche Horn.: "Minolta plant vorläufig nicht, eine Halbformatkamera zu präsentieren". Auch Olympus-Marketingleiter Alfred E. Elbl zeigt sich skeptisch: "Das Kapitel Halbformat beim einstigen 18x24-Pionier Olympus ist abgeschlossen. Kompaktere Kameras als unsere AF-10 oder AM100 sind kaum vorstellbar." Mit den neuen Kameras wurde Halbformat wieder zu einer interessanten Bereicherung des Marktes, ob es sich durchsetzen wird, ist allerdings mehr als fraglich. Folgende Interpretation erscheint realistisch: Halbformat als qualitativ bessere Alternative zu Disc- und Kassettenfilmen: ja, als 24x36-mm-Wachablösung: nein. Alf Cremers in Color Foto 8/1988 {ewl Thnhlp32.dll,THIN,SKIN.LZH;STEIMERM.BMP}