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Prädikat: Besonders wertvoll
Kameras als Geldanlage?
Technische Konsumgüter unterliegen meist einem hohen Wertverfall, und Kameras bilden da keine Ausnahme. Doch wer einen Oldie erwirbt oder sich gar ein ausgesprochenes Sammlerstück zulegt, der darf zumindest auf Wertkonstanz hoffen.
Den 100. Geburtstag des Leica-Schöpfers Oskar Barnack im Jahre 1979 feierte Leitz gleich mit zwei edlen Kameras, die in einer limitierten Sonderserie von je 1000 Stück aufgelegt wurden. Die Spiegelreflexkamera R 3 und die Meßsucherkamera M 4-2 wurden mit einer edlen 24karätigen Goldauflage versehen, und sie bekamen eine echte Krokobelederung spendiert und die Faksimile-Unterschrift von Oskar Barnack auf der Oberseite eingraviert. Der Preis dieser erlesenen Sammlerstücke lag bei etwa 7500 Mark. Heute, zehn Jahre später, lassen sich für diese gesuchten Modelle mühelos 10000 Mark pro Stück realisieren, eine ansehnliche Wertsteigerung, die beträchtliche Investition von 1979 hätte sich also mehr als gelohnt. Allerdings hätten die Kameras, um heute einen fünfstelligen Betrag zu erzielen, nie benutzt werden dürfen. Ein verborgenes Dasein in der Mahagoni-Schatulle ist das traurige Schicksal der vergoldeten Anlageobjekte, als Werkzeug fürs Fotografieren zu dienen, wie es ihre eigentliche Bestimmung ist, das mußten sie ihren profanen Artgenossen überlassen.
Freilich existieren auch genügend Beispiele dafür, wie sich Gebrauchskameras zu lohnenswerten Anlageobjekten entwickelten. Diese findet man insbesondere in den Herstellerkatalogen der ruhmreichen deutschen Kameraindustrie vor dem Zweiten Weltkrieg. Eine Contax I beispielsweise, 1932 unerschwingliche 245 Reichsmark teuer, bringt es heute mühelos bei einer Auktion der Kameraspezialistin Regina J. Cornwall auf 1000 Mark, das gleiche gilt für die berühmte zweiäugige Contaflex für das Kleinbildformat 24x36 mm, die heute nicht unter 2500 Mark zu haben ist und noch in den siebziger Jahren unter Verkennung ihres wahren Wertes für unter 1000 Mark gehandelt wurde. Auch die Compur-Leica, die seltene Version mit Zentralverschluß, von der nur 1600 Stück produziert wurden, gilt heute als begehrtes Sammlerstück und lukratives Anlageobjekt, von der Leica I des Jahres 1925 einmal ganz zu schweigen.
Die Rigaer Minox ist auch so ein Beispiel eklatanter Wertsteigerung. Die leicht am schweren Stahlgehäuse und der Gravur "Made in Latvia" identifizierbare Minikamera sieht der Nachkriegs-Minox A zum Verwechseln ähnlich, kostet aber 1500 Mark mehr, nämlich 2000 Mark ' Um auf Kameras mit einer lukrativen Wertsteigerungsperspektive zu stoßen, muß der Interessent gar nicht so weit in den Annalen der Kamerageschichte zurückblättern.
Die deutsche Typenvielfalt der fünfziger Jahre beinhaltet so manche erfolgversprechende Gelegenheit. Die Contax-Kameras IIa und IIIa nähern sich im Topzustand nach jahrelanger Stagnation nun der 1000-Mark-Grenze, eine Leica M 3 mit Summicron 2/50 mm in sehr gutem Zustand kostet heute mit etwa 1300 Mark immerhin schon 300 Mark mehr als 1955. Sicher keine verlockende Steigerung für einen Spekulanten, doch schöne Aussichten für den der die Kamera schonend behandelt - und häufig damit fotografiert hat. Nutzeffekt, Prestige und Wertstabilität treffen bei diesen Beispielen harmonisch aufeinander. Wer sich 1960 für 1000 Mark eine Rolleiflex 2,8 F kaufte, kann getrost heute - sehr guter Zustand vorausgesetzt - 1500 Mark dafür verlangen.
Raritäten nicht nur unter den Vorkriegsmodellen
Während der Kamerabaisse der siebziger Jahre, wo sich die Käufer eindeutig auf neue Kleinbild-Spiegelreflexkameras japanischer Provenienz stürzten, bekam man eine 2,8 F auch schon mal für 500 Mark "nachgeworfen". Trotzdem ist es noch nicht zu spät, heute auf den Zug der klassischen Kameras aufzuspringen, satte Renditen sind zwar nicht mehr zu erwarten, der Käufer erwirbt aber eine hochwertige funktionstüchtige Kamera von bleibenden Wert. Gerade in dieser Epoche der schnellebigen Innovationen aus Fernost besinnen sich viele ernsthafte Fotografen wieder auf die traditionsreichen Kameras der fünfziger und frühen sechziger Jahre.
Geheimtip: Spitzenmodelle
Auch die Spitzenprodukte der manchmal zu Unrecht geschmähten Massenhersteller wie Agfa und Voigtländer entwickeln Konjunktur. Eine Agfa Karat für rund 200 Mark kann ebenso als Zuwachs versprechender Geheimtip gelten wie eine Voigtländer Prominent für 400 Mark. Sogar die Voigtländer Vitessa T mit dem originellen Schnellaufzug in Schornsteinform gehört inzwischen zu den begehrten Sammlerstücken. Gerade bei den Kameras der großen deutschen Hersteller von Agfa über Balda und Kodak (Retina) bis Zeiss-Ikon gilt eine wichtige Gesetzmäßigkeit bei Liebhaberstücken: Sehr guter Zustand, technische Originalität und der prestigeträchtige Status des Spitzenmodells verheißen gute Aussichten in Sachen Preissteigerung. Wenig gefragt sind die deutschen Spiegelreflexkameras der ersten Generation mit Zentralverschluß, wie Voigtländer Bessamatic oder Kodak Retina Reflex. Ihr Erwerb ist allenfalls aus Erinnerungsgründen interessant, falls in der Familie einmal so eine Kamera besessen wurde, oder um diese technische Entwicklung abzudecken. Das gilt auch für die ungeheuer populäre Contaflex mit ihren zahlreichen Modellvarianten, die in der fast zwanzigjährigen Produktionszeit dieser Kamera entstanden. Auch die Masse der Volkskameras der fünfziger Jahre wie Agfa Optima (Ausnahme ist die zweiäugige Spiegelreflex), Adox Polomat, Kodak Retinette oder Voigtländer Vito liegen preislich meist unter 100 Mark und stagnieren mangels Nachfrage dort seit Jahren.
Unterdessen ist allerdings nicht nur Deutsches gefragt. Sogar japanische Kameras tauchen zunehmend in den Angebotslisten und Auktionskatalogen auf. Das Paradebeispiel einer gefragten japanischen Liebhaberkamera ist die Halbformat-SLR Olympus Pen F, welche die Schallgrenze von 1000 Mark in gutem Zustand komplett mit Objektiv bereits überschritten hat. Als japanische Klassiker gelten die an die Contax angelehnten Nikon-Sucherkameras der fünfziger Jahre.
Noch günstig zu haben, von hoher mechanischer Qualität und mit steigender Preistendenz ausgestattet sind die frühen japanischen Spiegelreflex-Systemkameras wie Nikon F, Pentax Spotmatic oder Minoltas der SRT-Reihe. Gerade die Spotmatic von Pentax verbindet volle Alltagstauglichkeit mit hoher optischer Leistung. Eine Kamera, die man heute nicht zuletzt aufgrund ihres harmonischen Designs noch gerne zum fotografieren benutzt. Sogar das siebte Jahrzehnt offeriert bereits zahlreiche sammelnswerte Stücke von hohem Gebrauchtswert. Die Rollei 35-Modelle beispielsweise, Anfang der Achtziger Jahre noch für maximal 300 Mark (35S/SE) aus der Singapur-Produktion verschleudert, genießen plötzlich verdientermaßen eine hohe Wertschätzung. Viele Liebhaber erkannten inzwischen die hohe optische und mechanische Qualität der originellen Kamera und honorieren diese mit Preisen ab 400 DM. Ähnliches gilt für die Minox-Kleinstbildkameras B, BL und C. Einst rümpfte man die Nase über das winzige Aufnahmeformat 8x11 mm, heute bilden Kameras und Zubehör ein eigenständiges Sammelgebiet. Sorgfalt bei Aufnahme und Verarbeitung wird mit einer beachtlichen Bildqualität honoriert. Die Preise: ab 250 Mark.
Gerade der Nutzeffekt wird in Liebhaberkreisen oft vernachlässigt. Viele Kamera-Klassiker bieten dank hervorragender Optik und Mechanik, trotz bisweilen umständlicher Bedienung, beste Voraussetzungen für einwandfreie Fotos. Eine Chance, die man nutzen sollte, zumal das rastende Vitrinendasein oft zu einem ebenso unangenehmen wie kostspieligen Nebeneffekt führt. Verschlüsse und Objektivblenden neigen bei jahrelangem Nichtgebrauch zum Verharzen, eine kostspielige Reparatur wird dann unvermeidlich.
Klassiker-Kameras liegen zur Zeit voll im Trend. Obwohl die Zeiten großer Preissprünge vorbei sind, versprechen sie dennoch eine hohe Wertbeständigkeit. Einige heute noch unterbewertete Modelle werden in den nächsten Jahren noch zulegen. Das gilt insbesondere für seltene Deutsche aus den fünfzigern und frühe Japaner aus den sechziger Jahren. Doch auch mit einer neuen Kamera läßt sich das Risiko des Wertverlustes gering halten. Wer sich beispielsweise heute für eine Nikon F3 statt einer Nikon F-801 entscheidet, der macht langfristig sicher das bessere Geschäft.
Alf Cremers in Color Foto 4/1989
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