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Photographica Aktuell
Preiswerte Sammlerfreuden
Tips zum Aufbau einer Kamerasammlung für Einsteiger
Kamerasammlungen sollten keine Zufallsergebnisse sein, wie Anhäufungen von Zündholzschachteln, Bierdeckeln oder Orangenpapier, sondern schon wegen der Sicherung des investierten Geldes einer gewissen Systematik unterliegen. Ein kleiner Leitfaden soll den Weg durch die Fülle historischer Kameramodelle weisen.
Eine zufällige Ansammlung fotografischer Apparate, wie sie sich vielleicht ergibt, wenn Verwandte oder Bekannte das eine oder andere Stück beisteuern, macht selten den Sammler glücklich. Die Gefahr des Verzettelns besteht nur allzuleicht. Eine Box-Tengor neben einer Schraub-Leica, dazu noch eine Adox Golf, ergänzt durch eine Edixa-Reflex und eine Minox, das ergibt zusammen ein Bild des Zufalls. Nehmen wir einen solchen fiktiven Grundstock einer Sammlung als Beispiel, so könnte jedes zufällig auf Flohmärkten oder Fotobörsen eingesammelte Stück dieses Konvolut - wie diese unzusammenhängenden Anhäufungen bei Auktionen genannt werden - ergänzen. Es gibt quasi keine selektiven Kriterien, außer vielleicht Preis, Zustand oder Design. Wahlloses Dazukaufen nützt weder dieser Sammlung, noch schadet es ihr, aber es führt früher oder später zum Sammlerfrust, denn zum Sammeln gehören Ordnung und ein Thema.
Was für die Briefmarkensammlung gilt, um der unorganisierten Markenschwemme zu entgeht, gilt übertragen auch für Kameras, denn im Standardwerk von McKeown, dem Price Guide to Antique and Classic Cameras, sind mehr als 7000 verschiedene Modelle verzeichnet. Ein Sammelthema muß also her, ganz gleich, wie es lautet. Allerdings hängt die Wahl diese Sammelthemas, das dem Kamerasammler Orientierung und Zufriedenheit vermitteln soll und sich nicht zu schnell erschöpfen darf, entscheidend vom zur Verfügung stehenden Geld ab. Dabei darf allerdings der Zeitfaktor nicht außer Acht gelassen werden. Einmal im Jahr eine seltene Leica zu kaufen, muß nicht teurer sein, als monatlich eine preiswerte Sammlerkamera aus der Modellfülle zu erwerben. Nur ist es nicht gerade erbaulich, dem Wachsen einer Sammlung derart geduldig entgegenzusehen. Vierteljährlich sollte man schon, speziell als Anfänger - an die sich diese Tips in erster Linie wenden für Zuwachs sorgen, ein bereits bei Enzyklopädien bewährtes Intervall.
Je schmaler das zur Verfügung stehende Budget, desto größer die Auswahl der Sammlerthemen. Diese zunächst absurd klingende These ist nicht schwer zu belegen. Wer viel Geld zur Verfügung hat, der achtet bei einer Sammlung sehr auf Wertbeständigkeit oder Wertzuwachs. Dieser ist in der Regel nur mit einigen raren Spitzenmarken und -modellen, bei Kameras etwa mit Leicas, Holzkameras aus dem letzten Jahrhundert, Exoten wie der Schweizer Alpa oder auch alten Geheimkameras.
Gibt es Sammlerkameras für schmale Geldbeutel?
Für den kleinen Geldbeutel gibt es zahlreiche Alternativen, die hauptsächlich die Besitzerfreude und nicht das kaufmännische Denken ansprechen. Ein breites Feld wären beispielsweise die typischen deutschen Amateurkameras aus den fünfziger Jahren. Sie sind alle für maximal 200 Mark pro Stück in gutem Zustand zu bekommen; die Auswahl ist groß, und die Gefahr des Verzettelns ist bei aller Breite des Themas gering, wenn man sich bei jeder Marke auf zwei, drei Modelle beschränkt und aus einer Modellreihe mit vielen Verschluß- und Objektivvarianten das jeweils bessere nimmt. Im Klartext könnte dies so aussehen: Agfa Super Silette, Adox Polomat 2, Super Baldamatic, Diax Ia, Voigtländer Vito BL, Kodak Retina oder Retinette, Zeiss Ikon Contessa, Braun Paxette und viele andere mehr. Wertvolle Anregungen zum Aufbau der hier geschilderten Sammelthemen liefert die Dokumentation Deutsche Kameras von 1945 bis 1986, im Selbstverlag herausgegegeben von Willi Kerkmann, Velbert. Ein anderes, für jeden realisierbares Thema lautet frühe deutsche SLR-Kameras; gemeint sind vor allem die technisch hochinteressanten Modelle mit Zentralverschluß, wie Voigtländer Bessamatic, oder Kodak Retina Reflex, Zeiss-Ikon Contaflex oder Voigtländer Ultramatic in ihren zahllosen Varianten. Dieses Sammelgebiet bietet außerdem noch interessante Erweiterungsmöglichkeiten durch die Hinzunahme der Objektive und des modellspezifischen Kleinzubehörs.
Das Sammeln nach Konstruktionsprinzipien läßt noch weitere Möglichkeiten offen. So sind die Meßsucherkameras mit Wechselobjektiven der fünfziger Jahre ein in jeder Hinsicht dankbares Kapitel, das auch den finanziellen Aderlaß in Grenzen hält. Zwar darf hier die recht teure Leica M3 nicht fehlen, aber Kameras wie die Agfa Karat, die Voigtländer Prominent, die Diax aus Ulm die Braun Paxette oder die Voigtländer Vitessa T sind recht häufig und erschwinglich.
Eine weitere Idee ist das Sammeln der zahllosen deutschen und vor allem russischen und fernöstlichen Rolleiflex-Kopien, wobei das Original in solch einer Sammlung natürlich nicht fehlen darf.
Immer beliebter wird das Sammeln nach Marken. Solche Sammlungen lassen sich im Ernstfall, nämlich dann, wenn man sich von ihnen trennen will oder muß, auch recht leicht wieder an den Mann bringen. Stark im Kommen sind die gehobenen Marken deutscher Kameramittelklasse, wie Voigtländer, Zeiss-Ikon, Kodak Retina oder Minox. Auch das Thema Rollei ist, verglichen mit Leica, noch gerade erschwinglich und vor allem sehr erfreulich, wenn man es bis in die siebziger Jahre hinein verfolgt. Da gibt es neben der ungeheuer variantenreichen Zweiäugigen auch interessante Konstruktionen wie die Minikamera Rollei 16, die Kassetten-Spiegelreflex SL 26, die A 110 oder die A 26. Weniger beliebt sind Balda, Braun, Adox oder Agfa, aber auch diese preiswerteren Marken haben ihre Freunde. Eine andere Sammelalternative heißt Systemsammeln. Dabei sucht man sich eine Kamera aus, von der man aufgrund gewisser Eigenschaften meint, daß sie entweder Meilenstein-Charakter hat oder sonstige bestechende Eigenschaften aufweist, wie etwa ein ausgefallenes Design oder die Funktion des Spitzenmodells eines Herstellers. Eine Leica darf es bei schmalem Budget nicht sein, aber wie wäre es mit einer Voigtländer Prominent oder Bessamatic oder auch einer Retina Reflex? Meßsucherkameras eignen sich für dieses Thema, das von der Fülle lebt, fast besser, denn nur für sie gibt es verschiedenen Sucheraufsätze, Nahvorsätze, Spiegelkästen und vieles mehr. Auch eine zweiäugige Rollei bildet den idealen Mittelpunkt einer solchen Systemsammlung, ohne viel Geld zu verschlingen.
Reizvoll kann auch das Zusammentragen eines Modells mit allen seinen Varianten sein. Hier ist die Auswahl potentieller Kandidaten allerdings geringer, denn große Kamerafamilien mit erschwinglichen Ablegern gibt es nur bei der Rolleiflex, der Kodak Retina, der Baldamatic, der Voigtländer Vito und der Contaflex von Zeiss-Ikon. Aber auch kleinere, eng umrissene Sammelgebiete, wie beispielsweise das der Minox-Kleinstbildkameras, machen viel Freude, wenn man auch noch das einst verfügbare Zubehör zusammenträgt.
Ein neues Sammelgebiet, das einerseits erschwinglich ist und andererseits besonders zum Sammeln kompletter Kamerafamilien einlädt, heißt japanische Spiegelreflexkameras der sechziger Jahre. Neben der Spotmatic von Pentax mit ihren Varianten SP, SP 1000, SP 500 etc. und den Minolta-SRT-Kameras eignen sich die Nikkormat-Modelle für eine kleine Kollektion. Es eröffnen sich also zahlreiche Möglichkeiten, eine interessante und ausbaufähige Sammlung aufzubauen. Wichtig für die Wahl des Themas ist eine starke Neigung zu einer bestimmten Marke oder Modellreihe, damit das Sammeln Freude bereitet.
Alf Cremers in Color Foto 9/1991
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