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Test & Technik Report Bauteile aus Kunststoff Moderne Konstruktionen Verbundwerkstoffe aus Kohlenstoff, Keramik und Kunststoff setzten immer wieder neue Maßstäbe. Einige Top-Kunststoffe tauchen auch im modernen Kamerabau auf. Kunststoffe ermöglichen Kamerateile, die aus Metall nicht machbar oder zu teuer wären. Kunststoffe sind in diesen Fällen kein billiger Ersatz, sondern der bessere Werkstoff. Hier drei Beispiele: Rollei und Minolta fertigen die Lamellen von besonders schnellen Verschlüssen aus leichtem, aber sehr festem Kunststoff. Minolta kombiniert bei der Dynax 9xi Kunststoff und Metall. Das Kameragehäuse besteht aus verstärktem Kunststoff und soll die Elektronik vor Stößen schützen. Im Inneren der Kamera garantiert ein Spiegelkasten aus Zinkdruckguß eine verwindungssteife Verbindung von Bajonett und Filmkanal. Pentax und Zeiss setzen eine asphärische "Kunststoff-Kappe" auf eine sphärische Glaslinse. Eine asphärische Glaslinse käme wesentlich teurer. Beispiel 1: Die Verschlußlamellen der Rollei PQS-Objektive Bei den Rollei Mittelformatobjektiven sitzt der Verschluß im Objektiv nahe der Blende. Ein derartiger Zentralverschluß begrenzt die maximale Blendenöffnung und ist zumeist recht langsam. Rollei wollte jedoch lichtstarke Objektive und die 1/1000 Sekunde ins Mittelformat einfuhren, ohne auf den Zentralverschluß zu verzichten. Dies erforderte extrem hohe Beschleunigungswerte der Verschlußlamellen, Werte, für die Metalle zu schwer (träge) waren. Gemeinsam mit der Deutschen Forschungsanstalt für Luft- und Raumfahrt in Braunschweig entwickelte Rollei deswegen einen superleichten, aber mechanisch sehr stabilen Kunststoff. Verarbeitung Rollei kauft zunächst von einem Kunststoffhersteller 0,030 Millimeter dicke Kunststoffplatten ein. Diese bestehen aus einer unausgehärteten Epoxidharzmatrix mit eingelagerten Kohlefasern. Deren Durchmesser liegt bei 0,007 Millimeter. Entscheidend ist, daß alle diese Fasern als unidirektionale Endlosfasern den Werkstoff durchziehen (Alle Fasern zeigen in die gleiche Richtung). Ihr Massenanteil macht 60 Prozent des Werkstoffes aus. Rollei legt nun drei derartige Schichten übereinander. In der unteren Schicht sind die Fasern längs angeordnet, in der zweiten quer, in der dritten wieder längs. Der symmetrische Aufbau und die verschiedenen Faserrichtungen garantieren eine maximale mechanische Festigkeit. Unter Druck und Temperatur härtet der Epoxidharz aus und verbindet die drei Schichten zu einer stabilen Einheit. Als letzten Schritt schneidet Rollei aus dem so gewonnenen Laminat-Werkstoff die Verschlußlamellen aus. Bei einem Kilopreis von ungefähr 20000 Mark übertrifft dieses Material die Festigkeit von Pendelstahl, wiegt jedoch nur ein Drittel. Eine zusätzliche Beschichtung garantiert die Lichtundurchlässigkeit. Für die Lager hingegen verwendet Rollei verschleißfestes Beryllium, ein Metall. Minolta Minolta fertigt die Verschlußlamellen der Dynax 9xi aus einem ähnlichen Werkstoff. Nur so ist die 1/12000 Sekunde realisierbar. Allerdings haben die Japaner ein zusätzliches Problem. Ihr Verschluß sitzt in der Kamera, das heißt in der Brennebene des Objektivs. Unter ungünstigen Umständen kann das Objektiv wie ein Brennglas wirken und die Kunststofflamellen zerstören. Um dies zu verhindern, nimmt Minolta für die ersten zwei Verschlußlamellen hitzebeständiges Aluminium. Beispiel 2: Das Kameragehäuse der Minolta Dynax 9xi Kameragehäuse sollen das Innenleben eines Fotoapparats gegen Stöße und Umwelteinflüsse schützen. Bei der Dynax 9xi besteht das Gehäuse aus glasfaserverstärktem PC (Polycarbonat). Die Glasfasern sind beschichtet, um ihre Bindung an das PC zu verbessern und die Fasern zu schützen. Der Gewichtanteil der Glasfasern beträgt zehn Prozent. Wegen ihrer Kürze können sie mit dem PC-Rohstoff vermischt und gemeinsam in eine Form gespritzt werden. Ein preisgünstiges, aber ganz sicher kein billiges Verfahren, um ein hochfestes Gehäuse herzustellen. Es fängt Stöße um 50 Prozent besser ab, als das Gehäuse der Dynax 7xi (Minolta-Angabe). Die Gehäuseoberfläche schützt ein UV-gehärtetes Polymer, 0.005 bis 0.010 Millimeter dick, vor Umwelteinflüssen und Kratzern. Aus Metall ist nur die Bodenplatte. Wegen des Stativgewindes verwendet Minolta hier einen gummibeschichteten Zinkdruckguß. Eine Kostenfrage, denn ein Kunststoffgewinde gleicher Festigkeit wäre wesentlich teurer. Setzt Minolta außen hauptsächlich auf Kunststoffe, so kommt innen vermehrt Metall zum Zug: Für das Objektivbajonett nimmt Minolta rostfreien, schmiermittelimprägnierten Sinterstahl. Dieser ist reibungsarm, bruchfest und macht keine Kaltfluß-Probleme. Spiegelkasten sowie Filmkanal fertigen die Japaner aus Zinkdruckguß und rostfreiem Stahl. Nur Metalle sind genügend verwindungsarm, um eine dauerhafte Planparallelität von Film und Objektiv sicherzustellen, unabhängig von Temperatureinflüssen und Stoßen. Nach dem Zusammenbau schleift Minolta dann den Filmkanal auf Maß (bezogen auf das Bajonett), um so auch kleinste Fertigungstoleranzen auszugleichen. Gerade das Minolta-Gehäuse ist ein gutes Beispiel für eine intelligente Materialwahl, die Qualität und Kosten berücksichtigt. Beispiel 3: Asphärische Linsen von Pentax und Zeiss Wer hochgeöffnete Objektive konstruieren will, die auch bei offener Blende gute Abbildungsleistungen zeigen, hat zwei Möglichkeiten. Entweder er gleicht die Abbildungsfehler durch eine geeignete Kombination vieler Linsen aus. Derartige Objektive sind schwer und teuer. Oder aber der Konstrukteur ersetzt mehrere sphärisch geformte Linsen durch eine asphärische Linse (spezielle Oberflächenwölbung). Dies reduziert die Oberflächenzahl und macht die Objektive leicht, aber wegen der komplizierten Fertigung noch teurer. Pentax hat deswegen einen anderen Weg eingeschlagen. Die Japaner gießen auf eine sphärisch geformte Glaslinse eine asphärische Kunststoffkappe. Das Ergebnis ist eine sogenannte Hybridlinse: Die mechanischen Eigenschaften solcher Hybridlinsen entsprechen nahezu denen reiner Glaslinsen. Die optischen Eigenschaften sind die von Asphären. Der Preis ist wesentlich günstiger. Zeiss verwendet Hybridlinsen in Linsen-Objektiven. Als Kunststoff greift Pentax zu einem thermogehärtetem Epoxidharz (EP), den Hitachi für Pentax entwickelt hat und herstellt. Die Produktionstoleranzen sollen Werner Lüttgens in Color Foto 9/1993 {ewl Thnhlp32.dll,THIN,SKIN.LZH;STEIMERM.BMP}