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Beratung
Akkus statt Batterien für moderne Spiegelreflexkameras?
Die umstrittene Alternative
Fest steht, der Akku ist auf dem Rückmarsch. Langlebige Lithium-Power-Packs verdrängen ihn ebenso wie die neuen, nahezu quecksilberfreien Alkali-Mangan-Batterien. Akkus statt Batterien gilt diese bislang als umweltfreundlich und wirtschaftlich gerühmte Alternative auch für die neue Spiegelreflexkamera-Generation?
Ein Saubermann kommt in Verruf. Bisher galt die wiederaufladbare Batterie, wegen ihrer chemischen Grundbestandteile auch Nickel-Cadmium-Akku (NC-Akku) genannt, als umweltfreundlichste und wirtschaftlichste Lösung, wenn es darum ging, mobilen, netzunabhängigen Strom für Kameras, Blitzgeräte und Winder zur Verfügung zu stellen. Auf der Habenseite des Akkumulators stehen theoretisch bis zu 1000 Ladezyklen. Im Klartext heißt dies, daß der Akku 300 Alkali-Mangan-Batterien ersetzt. Wegen der systembedingten geringeren Kapazität des Akkus, die nur ein Drittel der Batteriekapazität ausmacht, kommt es zu dieser Rechnung. Ein 35 Gramm schwerer Mignon-Akku ersetzt also im Laufe seines Lebens acht Kilogramm Rohstoffe, die für die adäquate Primärzellenmenge gebraucht würden. Fachleute sprechen bei nicht wiederaufladbaren Batterien von Primärzellen, Akkus werden auch Sekundärzellen genannt. Der Akku spart also zunächst Rohstoffe, und er verringert außerdem noch das Entsorgungsproblem: 23 Kilogramm Rohstoffe wollen nach ihrer chemischen Umwandlung, die so lange dauert, bis die Batterie leer ist, auch beseitigt werden. Bei der verbreiteten Alkali-Mangan-Batterie handelt es sich in erster Linie um Mangandioxid, Zink, eine Elektrolyt-Lauge und Spuren von Quecksilber. Gerade das hochgiftige Quecksilber war den Umweltschützern lange Zeit ein Dorn im Auge. Ucar gelang 1987 als erstem der große Wurf, bei der Professional-Alkali-Batterie den Quecksilbergehalt gemäß der Schweizer Norm auf weniger als 0,025 Prozent zu senken und dabei noch die Leistung zu steigern. Andere Hersteller zogen nach, und so müssen heute die werbewirksam als "quecksilberfrei" apostrophierten Alkali-Mangan-Batterien nicht mehr speziell entsorgt werden. Sie dürfen laut Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit in den Hausmüll wandern, "weil keine Umweltgefährdung besteht und ein Recycling nicht rentabel ist".
Cadmium, das gelbliche Schwermetall, das sich im Knochenmark der Wirbeltiere und des Menschen ansammelt und dort die Entstehung der weißen Blutkörperchen behindert, steht schon seit langem auf der Indexliste der Umweltschützer. Dieser hochgiftige Stoff ist zu etwa fünf Gramm in jedem Nickel-Cadmium-Akku enthalten. Nach höchstens 1000 Ladezyklen fallen diese als schwer entsorgbarer Sondermüll an und bringen den wirtschaftlichen und umweltfreundlichen Akku am Ende seines Lebens in den Verruf, ein arger Umweltsünder zu sein. Seit es die "umweltfreundlichen" neuen Alkali-Mangan-Batterien gibt, wendet sich das Blatt gegen den einstigen Favoriten bei den transportablen Energiespeichern. Aber noch eine andere Entwicklung macht dem NC-Akku im Fotobereich das Überleben Zukunft schwer. Die neue Generation der Autofokus-Spiegelreflexkameras setzt zunehmend auf 6-Volt-Lithium-Power-Packs vom Typ 2CR5. Mit Ausnahme der Chinon-Modelle CP7m und CP-9AF sowie der Pentax SFX-N bieten die Hersteller keine Alternative zu Lithium. Alle Canon-EOS- und Minolta-Dynax-Modelle beziehen ihren Strom aus der relativ langlebigen und umweltfreundlichen Lithium-Batterie.
Ein Akku-Betrieb kommt daher von vornherein für diese Kameras nicht in Frage, mit Ausnahme der Canon EOS-1, die bei angesetztem Booster-Motor ihren Strom aus den acht Mignon-Batterien bezieht, die sich durch acht Mignon-Akkus ersetzen lassen. Nikon gibt den Akkus dagegen bei allen Spiegelreflexkameras eine Chance (siehe Tabelle). Offenbar haben die Konstrukteure diese Vielseitigkeit aus der Zeit übernommen, als Nikon nur Profikameras herstellte. Neben den handelsüblichen Mignon-Akkus offeriert Nikon leistungsfähigere Akku-Packs für den MD-4-Motor zur F3 und für die F4s.
Dabei schlug die Stunde des Akkus als Stromlieferant für Kameras vor gar nicht langer Zeit. Erst die integrierten Motoren und Winder neuerer Kameramodelle, wie sie Anfang der achtziger Jahre immer mehr aufkamen und deren Energiehunger mit den bis dahin üblichen Quecksilber- und Silberoxid-Knopfzellen nicht mehr gestillt werden konnte, rief die Mignonbatterie auf den Plan und damit die Möglichkeit, sie durch einen Mignon-Akku zu ersetzen. Daß dies nicht bei allen Kameratypen und schon gar nicht bei Kompaktkameras möglich ist, liegt am niedrigeren Innenwiderstand des Akkus. Dies bedeutet, daß er höhere Ströme über seine Pole in das Innere des Geräts schickt und eine nicht angepaßte Elektronik zerstören kann. Dafür wartet der Akku im Vergleich zur Primärzelle mit einer geringeren Nennspannung auf, die nur 1,25 Volt statt 1,5 Volt beträgt, und er krankt an der bereits erwähnten niedrigeren Kapazität, die mit 500 Milliamperestunden (mAH) weit hinter den 1800 mAH einer leistungsstarken Alkali-Mangan-Batterie zurückbleibt. Eine Kapazität von 500 mAH heißt, daß zehn Stunden lang ein Strom von 50 Milliampere entnommen werden kann. Diese Strommenge benötigt beispielsweise der elektronisch gesteuerte Verschluß einer Spiegelreflexkamera bei elektromagnetischer Auslösung der 1/125 Sekunde. Spiegelreflexkameras, Blitzgeräte und Motore können sehr gut mit der Sekundärzelle leben, weil die Entladungskurve eines Akkus deutlich flacher verläuft und die geringeren Werte über einen großen Zeitraum bei hoher Konstanz verfügbar sind. Primärzellen können die Höchstleistung nur über einen kurzen Zeitraum abgeben, um dann allmählich nachzulassen, je nach Batterietyp verläuft die Entladungskurve mehr oder weniger stark abfallend. Das ist die Erklärung für die scheinbar widersprüchliche Tatsache, daß sich bei Akkubetrieb die Blitzfolgezeiten verkürzen und die Anzahl der Blitze pro Ladung im Vergleich zu Batteriebetrieb verringert. Zu den Vorzügen der Sekundärzelle auf Nickel-Cadmium-Basis gehört auch ihre relativ geringe Kälteempfindlichkeit. Bei minus 20 Grad Celsius liegt die verfügbare Kapazität vier- bis fünfmal höher als beim Alkali-Mangan-Typ.
Doch schlimmer noch als umweltfreundliche Batterien und neue Kamerakonstruktionen setzt dem Akkumulator die Bequemlichkeit seiner Benutzer zu. Denn Akkus müssen gepflegt werden. Damit ist keine oberflächliche Kosmetik gemeint, sondern das regelmäßige Aufladen auch bei Nichtbenutzung. Denn ein Akku, der sein Dasein nur im Gerät fristet und lediglich vor Inbetriebnahme des Gerätes, so selten dies auch sein mag, aufgeladen wird, erreicht nie den Katalogwert von 1000 Ladezyklen. Schon nach zehn oder zwanzig Ladungen kann er am Ende sein - aufgrund einer Polumkehrung infolge Tiefentladung, wie es im Physikerdeutsch heißt. Ein restlos ausgesaugter Akku verändert, wenn er erneut mit Strom gefüttert wird, plötzlich seine Polarität. Nach diesem Akkuinfarkt ist er reif für die Entsorgung. Auch das Ladegerät beeinflußt die Lebensdauer von Akkumulatoren entscheidend. Billiglösungen führen auch hier dazu, daß die Wirtschaftlichkeitsrechnung letztendlich nicht aufgeht. Für Fotografen, die ihre Kamera samt Motor und Blitzgerät voll auf Akkubetrieb umgestellt haben, gibt es nur eine Alternative in Sachen Ladegerät. Die Kaiser Ladestation 2380, die baugleich auch von Hama geliefert wird, lädt alle Typen von Nickel-Cadmium-Akkus und schaltet automatisch von Normalladung auf Erhaltungsladung um. Allerdings kostet das Gerät um die 200 DM und erfüllt durch den angemessen hohen Preis im Vergleich zu zahlreichen Billigladegeräten in der 20-DM-Preisklasse eine wichtige erzieherische Funktion. Nur wer sich ernsthaft mit Akkus auseinandersetzt und ihren Einsatz nicht als technische Spielerei, sondern als wirtschaftliche Alternative auffaßt, wird sich zu dieser Investition durchringen können. Akkus lohnen sich nur bei häufigem Gebrauch. Ein Gelegenheitsfotograf ist mit unproblematischen Alkali-Mangan-Batterien weit besser bedient. Es ist wegen der unterschiedlichen Geräteausstattung und den verschiedenen Fotografiergewohnheiten schwer, eine Mindestgrenze der Akku-Rentabilität festzulegen, aber zwanzig Filme pro Monat mit einem nennenswerten Blitzanteil und einer motorisierten Kamera sind das Minimum sinnvollen Sekundärzellen-Einsatzes. Die Batterienhersteller, sämtlich auch mit der Produktion von Akkus befaßt und somit frei vom Vorwurf des Lobbyismus, sprechen in ihrem Marketingjargon für die Akku-Zielgruppe von "Heavy Users", Fotografen also, die weit über das Stadium eines bloßen Freizeiteinsatzes hinaus sind. Leute, die weniger fotografieren, aber trotzdem von der technisch eleganten Art der Wiederaufladbarkeit Gebrauch machen wollen, sei zweimaliges Aufladen des Akkus empfohlen. Zu häufiges Nachladen allerdings macht den Akku süchtig. Er ist dann nicht mehr in der Lage, seine volle Kapazität aufzubauen.
Die Lithiumbatterie bietet eine Reihe von Vorteilen, die sie zu einer Art Mittelding zwischen Batterie und Akku werden läßt. Aufgrund der hohen Spannung von drei Volt pro Zelle glänzt sie mit einem beachtlichen Energieinhalt. Lange Zeit war es sehr schwierig, einen wasserfreien Elektrolyten für das sehr heftig mit Wasser reagierende, aber sehr energiereiche Metall Lithium zu entwickeln; deshalb sind Lithium-Batterien erst ab etwa 1980, zunächst in den Kodak-Disc-Kameras, handelsüblich geworden. Die auch bei ständiger Stromentnahme sehr flach verlaufende Entladungskurve sorgt zusammen mit dem hohen Energiegehalt für eine lange Lebensdauer. Bei rund 150 Auslösungen pro Monat hält die 2CRS in der Minolta Dynax 7000i zwei Jahre. Trotz des hohen Preises von etwa 30 Mark schneidet Lithium im Kriterium Wirtschaftlichkeit recht günstig ab, bekommt man doch für das Geld gerade vier Sätze einer hochwertigen Alkali-Mangan-Type. Außerdem sind Lithium-Batterien leicht und, gemessen an ihrer Leistung sehr kompakt. Ingenieur Walter Thielmann, Ucar Sales Manager: "Eine wiederauflaubare Lithium-Batterie könnte den Nickel-Cadmium-Akku auf lange Sicht ablösen." Bis dahin werden wir noch mit dem NC-Akku leben müssen. Ein Pfand in der Höhe des doppelten Zellenpreises, der zur Zeit bei etwa vier Mark pro Stück liegt, könnte achtlose Ex-und-hopp-Anwender abschrecken, ein generelles Verbot, wie es von der Schweizer Umweltbehörde vorgesehen ist, bringt die "Heavy-Users" um den hohen Nutzeffekt.
Die bisherige Energie-Einbahnstraße mit den Stationen aufladen, verbrauchen und wegwerfen ist eine ebenso umwelt- und ressourcenfeindliche Methode wie die Einwegflasche und die Kamerakonstrukteure sollten dem Akku nicht eher den Garaus machen, bis das wiederauflaubare Lithium-Powerpack marktreif ist.
Alf Cremers in Color Foto 8/1990
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