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Beratung
Geld sparen beim Kamerakauf
Zeit ist Geld
Mit etwas Gespür für die Marktsituation läßt sich beim Kauf einer teuren Spiegelreflexkamera bares Geld sparen. Wichtig ist dabei zu wissen, daß der Preis einer Kamera während der Modellaufzeit nicht konstant bleibt, sondern durchaus den Gesetzmäßigkeiten von Angebot und Nachfrage unterliegt und sogar von Konkurrenzmodellen beeinflußt wird.
Canons Spiegelreflexkamera-Modellpolitik hat sich in den letzten vier Jahren grundlegend gewandelt. Während zu Zeiten der A-Serie eine lange Modellkonstanz gepflegt wurde - die A-1 gab es beispielsweise von 1978 bis 1987, die AE-1 inklusive AE-1 program von 1976 bis 1987 -, kam mit Einführung der EOS-Reihe zunehmend Hektik in die Canon-Modellpalette. EOS 620 und 650 lebten nur drei Jahre von der T90 weiß man nicht recht, ob es sie überhaupt noch gibt, die drei EOS-Modelle 700, 750 und 850 werden wohl über kurz oder lang der EOS 1000 und der 1000 F weichen müssen. Was ist eigentlich mit der EOS RT? Sie machte durch die technische Glanzleistung des durchlässigen Spiegels und mit dem damit verbundenen extrem leisen Auslösegeräusch 1988 Furore und kostete 1798 DM, was für die ansonsten auf der EOS 600 basierende Kamera offenbar eindeutig zuviel war. Heute ist die EOS RT ein Paradebeispiel für radikalen Preisverfall, denn heute liegt der Gehäusepreis unter 1000 DM, was frühere RT-Käufer ebenso verärgert wie es jetzige erfreut. Für dieses Geld bekommt man einen Meilenstein der Kameratechnik und - abgesehen von der EOS-1 - das interessanteste Modell dieser innovativen Baureihe.
Warten lohnt sich also, aber woher weiß der Kamerakäufer, ob ein Modell preislich stark nachgibt oder nicht? So etwas läßt sich nicht mit absoluter Sicherheit prophezeien, aber es gibt häufig Indizien dafür, die Rückschlüsse auf die Preisentwicklung zulassen.
Bleiben wir bei dem Beispiel EOS RT. Die 700 DM Aufpreis gegenüber der von der Basis her baugleichen 600 waren eindeutig zu hoch gegriffen. Diese preisliche Sonderstellung, verbunden mit einem sensationellen, aber dennoch umstrittenen technischen Feature, das bei Kamerafreunden sowohl Skepsis als auch Bewunderung auslöste, stand einem Markterfolg im Wege. Die Folge waren, gemessen an Canon-Dimensionen, relativ niedrige Produktionsziffern. Vor allen Dingen, weil es japanische Philosophie ist, selbst ausgefallene Produkte in hohen Stückzahlen zu verkaufen und sie nicht nach deutscher Manier als Nischenprodukt auf kleiner, aber teurer Flamme zu kochen, paßte die RT nicht mehr ins Konzept. Die Folge davon war der beschriebene Preisverfall, obwohl die RT noch nicht klar als Auslaufmodell deklariert wird.
Normalerweise nagt die Zeit am Preis
Generell fällt die Preiskurve von Kameras während des Modellzyklus. Als brandneue Sensation von der Werbung gepusht und von der Presseberichterstattung begleitet, erlebt sie kurz nach dem Debüt ihren Preishöhepunkt, um dann langsam nachzugeben und zum Schluß als bis zu 30 Prozent verbilligtes Auslaufmodell zu enden. Diese Entwicklung gilt für die stückzahlintensiven Volumenmodelle unter den Spiegelreflexkameras. Auch das Erscheinen von Konkurrenzmodellen kann die Preisentwicklung von Kameras beeinflussen - jüngst geschehen im Falle Minolta Dynax 5000i, die einer neuen Konkurrenz in Form der Canon EOS 1000 ausgesetzt war, prompt im Schnitt um 100 DM nachgab und die Dynax 3000i preislich mit beeinflußte.
Die Empfehlung für alle Spiegelreflexkamera-Interessenten kann deshalb nur lauten, zunächst einmal dem Reiz der Neuheit zu widerstehen und sich mit dem Kauf noch etwa ein Jahr nach Markteinführung zu gedulden. Diese Wartefrist bietet gleich drei Vorteile. Kinderkrankheiten, wie sie bei neuen Produkten auch in Zeiten von Computer Aided Design (CAD) immer noch vorkommen, sind dann meist behoben, und es winkt dem Spätentschlossenen auch noch ein Preisvorteil von zehn bis fünfzehn Prozent. Der dritte, auch nicht zu verachtende Vorzug längerer Geduld liegt darin, daß man die Antwort der Konkurrenz innerhalb dieser Frist von einem Jahr meist mitbekommt und die Kaufentscheidung differenzierter treffen kann.
Nikon-F4-Käufer der zweiten Stunde erfuhren besonders deutlich, daß Geduld nicht nur im Leben, sondern auch beim Kamerakauf belohnt wird. Kurz nach der Präsentation auf der photokina 1988, bei der eine offizielle Preisempfehlung von 3498 DM für das F4s-Gehäuse genannt wurde, schnellten die Preise des Grauen Marktes rasant in die Höhe. Jeder betuchte Fotograf wollte diesen Kamera-Superlativ besitzen, und so wurden bis zu 1000 DM Aufpreis für ein F4s bezahlt; Lieferzeiten von sechs Monaten waren die Regel. Im Laufe der Zeit ließ das Interesse an der F4s nach, weil die erste Klientel zufriedengestellt war, und die Preise pendelten sich knapp unterhalb der offiziellen Empfehlung ein. Heute, im Frühjahr 1991, kostet ein F4s-Gehäuse etwa 3200 DM und ist so ausgereift wie eine Nikon F3.
Technisch revolutionäre Kameras renommierter Marken, die obendrein noch mit Lieferzeiten belastet sind, lassen die Preiskurve - ausgehend von der Herstellerempfehlung - steil nach oben schnellen. Erst nach einem halben Jahr verläuft sie konstant, ohne abzufallen wie bei den preisgünstigeren Volumenmodellen.
Die neue Hasselblad 205 TCC, schon ab Werk mit rund 15 000 DM hinreichend teuer, wird das F4-Exempel in einer anderen Dimension wiederholen, denn die für 1991 geplanten 300 Modelle reichen für die weltweite Nachfrage selbst nach einer so exorbitant teuren Kamera bei weitem nicht aus.
Limitierte Auflagen - Preissprünge nach oben
Regelrechte Preissprünge machen auch als limitierte Auflagen deklarierte Kameras wie die Olympus O-Product oder die Minolta Prod-20's. Künstliche Verknappung der ohnehin begrenzten Stückzahl treiben die Preise noch weiter in die Höhe. Die Minolta startete im Herbst 1990 mit 598 DM und liegt jetzt bereits bei 800 bis 1000 DM, je nach Geschäftssinn des Fotohändlers. Hier hatten die Käufer der ersten Stunde Glück, als sich noch nicht herauskristallisierte, daß die gewagte Mischung aus profaner neuer Technik und nostalgischem Metall-Gewand so begeistert aufgenommen werden würde.
Etablierte Dauerbrenner im Markt, zu denen auch die Nikon FM2 zählt, steigen im Laufe der Jahre kontinuierlich im Preis. Gerade aufwendig zu fertigende Modelle mit einem hohen Prozentsatz mechanischer Teile sind davon betroffen. Die Produktion von Einsteiger-Spiegelreflexkameras, die nicht über 500 DM kosten dürfen, wurde deshalb in Billiglohnländer verlagert.
Die Minolta X-300s kommt aus Malaysia, die vollmechanische Pentax K 1000 läuft in Taiwan vom Band. Daß das Gesetz von Angebot und Nachfrage nicht nur für den Gebrauchtkameramarkt gilt, beweist die Olympus OM-4 Ti, der letzte Vertreter der traditionellen OM-Baureihe. Zunächst mit knapp unter 2000 DM etwas zu großzügig kalkuliert und dadurch nicht sehr erfolgreich, kostet sie jetzt nur noch rund 1500 DM.
Wer sich mit dem Kauf einer neuen Spiegelreflexkamera befaßt, für den kann sich Warten durchaus lohnen. Gebannte Kinderkrankheiten und ein deutlicher Preisnachlaß gegenüber der ersten Preisempfehlung belohnen die Geduld. Dies trifft aber lediglich auf gängige Volumenmodelle der neuesten Generation zu, die mit zunehmendem Alter immer preiswerter werden.
Schnell zugreifen oder ebenfalls länger Warten sollte man bei hochpreisigen Neuerscheinungen renommierter Marken. Erfahrungsgemäß wird die Herstellerempfehlung durch stürmische Nachfrage auf dem grauen Markt heftig nach oben getrieben. Nur Kurzentschlossene, die sich im Falle der lange erwarteten Nikon F4 oder bei der Hasselblad 205 TCC zu einer Blindbestellung entschließen, haben die Chance, zum Listenpreis renommieren zu dürfen. Die Zuspätgekommenen zahlen so lange drauf, bis der erste Nachfrageschub verebbt ist. Dann schlägt den Geduldigen die Gunst der Stunde, die wieder zum Nennwert in den Genuß des prestigeträchtigen Spitzenmodells kommen.
Schnelle Reaktion ist auch bei den in limitierter Auflage produzierten Kameras angesagt. Zeit ist hier bares Geld. Wenn der Markt die meist skurrilen Modelle erst angenommen hat, steigen die Preise deutlich. Wer mit dem Kauf einer Nikon F3 bis heute gewartet hat, um sich gegen Ende ihrer Produktionszeit einen besonders günstigen Preis zu erhoffen, der sieht sich getäuscht. Solche Klassiker der Moderne erleiden im allgemeinen nicht das Schicksal gewöhnlicher Kameras, die als stark verbilligte Auslaufmodelle vor einem Ladenhüterdasein geschützt werden müssen.
Alf Cremers in Color Foto 6/1991
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