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So könnte die neue Hasselblad aussehen
Nach Art des Hauses
Eine völlig neu konzipierte Hasselblad, die in diesem Frühjahr präsentiert werden soll, wirft ihre Schatten voraus. Wir versuchen, uns die Göteborger Neukonstruktion vorzustellen.
In der heutigen schnellebigen Zeit ist die Modellkonstanz der Hasselblad-Kameras geradezu wohltuend. Mit wirklichen Neukonstruktionen geizt der Göteborger Kamerahersteller noch mehr als die Nobelmarke Rolls-Royce, die seit 1957 immerhin schon die dritte Modellgeneration - nach Silver Cloud und Silver Shadow gibt es seit 1980 den Silver Spirit produziert, während die Schweden erst bei der zweiten angelangt sind. Der Inbegriff der Hasselblad ist für viele Fotografen auch heute noch die klassische 500 C/M, die 1957 Premiere feierte. Im Laufe der Jahre erfuhr sie über 8000 kleine und kleinste Verbesserungen, die das Grundkonzept allerdings nie antasteten. Erst 1977 präsentierte Hasselblad eine völlig neue Kamera mit elektronisch gesteuertem Schlitzverschluß. Sie hieß 2000 FC, wobei die Zahl 2000 für die kürzeste Verschlußzeit 1/2000 Sekunde, das FC für Focal Plane Shutter steht, was Schlitzverschluß bedeutet. Bei der 2000 FC, deren heutige Nachfolgerin 2003 FCW eine behutsame Weiterentwicklung darstellt, gelang den Göteborger Kamerakonstrukteuren gleichsam die Quadratur des Kreises, denn die bisherigen auf die 500 C/M zugeschnittenen Zentralverschlußobjektive fanden uneingeschränkt auch an der 2000 FC Verwendung, die Systemkompatibilität blieb also erhalten.
Mit Schlitzverschluß
Trotzdem entstand in Zusammenarbeit mit Hasselblad-Hoflieferant Carl Zeiss eine neue Objektivlinie, die den Kennbuchstaben F erhielt. Vom Zentralverschluß befreit, fielen die F-Objektive deutlich lichtstärker aus, neben dem schnelleren Verschluß der zweite Vorteil der 2000 FC. Nun steht die Einführung der dritten Hasselblad-Generation bevor, und auch hier dürfte die Systemkompatibilität oberstes Gebot gewesen sein, das heißt daß alle Objektive und Magazine auch an eine Hasselblad "4000" passen - wie wir die Neue einmal völlig fiktiv nennen wollen. Allerdings nicht, ohne eine leise Spekulation in Richtung Verschlußgeschwindigkeit aussprechen zu wollen, denn wenn bei Kleinbildkameras die 1/8000 Sekunde bereits seit mehr als zwei Jahren den technischen Stand repräsentiert, warum sollte eine High-Tech-Mittelformatkamera des renommiertesten Produzenten der Welt nicht halb so schnell sein?
Natürlich kann man die neue Hasselblad nicht ohne einen Seitenblick auf die deutsche Konkurrenz betrachten. Rollei hat bei den Modellen SLX, 6006 und 6008 stets auf die im Kameragehäuse integrierte Belichtungsmessung und Belichtungssteuerung gesetzt und damit beim Fotografen einen Preis- und Ausstattungsvorteil erzielt. Auch die neue Hasselblad wird nicht auf eine integrierte Belichtungsmessung verzichten, wahrscheinlich sogar mit umschaltbarer Meßmethode von Spot- auf Integralmessung versehen sein. Ferner wird Hasselblad wohl nicht umhin können, der neuen wir Hasselblad nicht umhin können, der neuen "4000" mehrere Belichtungsautomatiken mit auf den Weg zu geben. Die Kamera wäre vorstellbar mit Zeit-, Blenden- und Programmautomatik. Als strenge Verfechter des Baukastenprinzips, bei dem sich jeder Fotograf seine Kamera nach seinen individuellen Ansprüchen zusammenstellen kann, könnten die Hasselblad-Konstrukteure auf den integrierten Motor verzichten und einen im Gegensatz zur 2003 FCW harmonisch integrierbaren, leistungsfähigen Motor als Zubehör anbieten, statt ihn gleich einzubauen und damit Nachteile bei Aufnahmegeräusch und Handlichkeit in Kauf zu nehmen. Auch wenn es einen Argumentationsnachteil gegenüber der Rollei-Konkurrenz bedeutet, sieht es eher so aus, als wenn der Motor keinen Einzug in die Kamera hielte, wenngleich er das Filmeinlegen wesentlich erleichtern würde.
Kein Autofokus
Autotokus dürfte auch bei der neuen Hasselblad-Kamerageneration kein Thema sein, hier ist man zu sehr auf den Objektivlieferanten Carl Zeiss angewiesen, der sich mit solchen Entwicklungen bekanntlich lange Zeit läßt. Denkbar wäre allenfalls eine elektronische Fokussierhilfe über Leuchtdioden.
Auch bei den Kleinigkeiten wird sich der Hasselblad-Perfektionismus sicher wieder zeigen. Eine automatische Übertragung der am Magazin eingestellten Filmempfindlichkeit mit zusätzlicher manueller Einstellmöglichkeit bei Benutzung älterer Magazine dürfte ebensowenig fehlen wie eine verbesserte pneumatische oder hydraulische Dämpfung des Spiegelschlags. Die neue Hasselblad wird also wieder einmal Maßstäbe setzen und die bisherigen Modellpflegemaßnahmen durch eine wirkliche Neukonstruktion bereichern.
Alf Cremers in Color Foto 3/1991
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